Claudius Eisermann sitzt auf den Steinstufen vor den Toren der Sankt-Stephans-Kirche. Sein Blick folgt den Autos, die auf dem daneben gelegenen Parkplatz eine freie Lücke suchen.

Es ist das zweite Treffen an diesem Ort binnen weniger Wochen. Der Grund ist derselbe geblieben: das Demonstrationsverbot auf dem Stephansplatz, das nun in einen Rechtsstreit münden könnte. Denn die Stadt Konstanz hat Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg eingereicht, das die Anmeldung zuvor als rechtens eingestuft hatte. Damit liegt dieser Fall nun beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.

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„Ich bin einfach enttäuscht“

„Ich bin einfach enttäuscht, dass es so weitergehen muss“, sagt Eisermann, der die Kundgebung bereits im Juni angemeldet hatte. Er dachte, dass mit der Freiburger Entscheidung im Rücken alles anders werden würde, „dass die Stadt so zur Vernunft kommt“.

Doch als Eisermann die Demonstration vom 27. Juli auf den 21. September verlegen möchte, habe das Ganze von vorne begonnen. Wieder wirft die Stadt Fragen auf, wie aus einer E-Mail vom 1. August hervorgeht, die dem SÜDKURIER vorliegt. Eine Bestätigung bleibt aus.

Lag ein formeller Verfahrensfehler vor?

Rund zwei Wochen später erreicht Eisermann schließlich ein Brief des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Darin das Beschwerdeschreiben der Stadt Konstanz, die damit den Freiburger Beschluss infrage stellt. Auch dieses Dokument liegt dem SÜDKURIER vor.

Die Argumentation der Verwaltung: Der Einspruch Eisermanns sei aufgrund formeller Fehler „unzulässig“. Deshalb habe zum Zeitpunkt des Eilurteils kein sogenanntes Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Zudem beklagt die Stadt „weitreichend nachteilige Folgen“ und „Wiederholungsgefahr“. Sie fürchtet, „dass künftig bei geplanten Versammlungen ähnlich spät einstweilige Rechtsschutzverfahren angestrengt werden“.

Auf SÜDKURIER-Nachfrage heißt es vonseiten der Pressestelle: „Es geht in erster Linie darum, Rechtssicherheit zu erhalten in einem Fall, in dem es unterschiedliche rechtliche Auffassungen gibt.“

„Wie grün ist Konstanz wirklich?“

„Die Stadt möchte ein Grundsatzurteil, das ihre Position wieder stärkt“, vermutet Claudius Eisermann. Ob er den Rechtsweg weiter geht, weiß er noch nicht. „Ich werde mir nun rechtlichen Beistand suchen, um alle Möglichkeiten abschätzen zu können.“ Denn für ihn hat der nächste Schritt im Ernstfall finanzielle Folgen. „Aktuell scheint alles möglich – Erfolg und Niederlage“, sagt er.

Angesichts des Vorgehens der Stadtverwaltung stelle er sich eine Grundsatzfrage, sagt Eisermann: „Wie grün ist Konstanz wirklich? Denn wenn es um unbequeme Dinge geht, wie auch einmal auf einen Parkplatz zu verzichten, hört die Bereitschaft offenbar auf, für das Klima einzutreten.“

Stadträte sprechen sich für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus

Anders als in der Verwaltung scheinen Eisermann und seine Mitstreiter im Konstanzer Stadtrat Fürsprecher zu haben. So hatte sich die Fraktion der Freien Grünen Liste (FGL) bereits Anfang Juli dafür eingesetzt, den Stephansplatz ab dem Jahr 2020 zur autofreien Zone zu machen. Das erklärte Ziel der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion.

Dorothee Jacobs-Krahnen, Abgeordnete der FGL, der größten Fraktion im Stadtrat, teilt auf SÜDKURIER-Nachfrage mit: „Ich finde die Initiative dieser Bewegung sehr gut. Versiegelte Flächen müssen in Konstanz aufgebrochen werden“, sagt sie und fährt fort: „Ich finde es kleinlich, sich nun um formelle Verfahrensfehler zu streiten. Das führt weg vom eigentlichen Thema, dem Klimaschutz.“

Auch überparteilich erhalten die Umweltaktivisten Zuspruch. Roger Tscheulin, Fraktionsvorsitzender der CDU im Stadtrat, sagt auf Nachfrage: „Ich trete ein für eine großzügige Auslegung dieses Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Ich würde die Kundgebung genehmigen.“

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Fridays For Future springt Extinction Rebellion zur Seite

Unterstützung erhalten die Umweltaktivisten zudem von einer anderen Klimabewegung. „Für uns ist es unbegreiflich, wie sich die Stadt Konstanz auf der einen Seite seit dem 2. Mai im Klimanotstand befinden kann und auf der anderen Seite den Klimaaktivist*innen von ‚Ectinction Rebellion‘ mit scheinheiligen Argumenten Stöcke zwischen die Beine wirft“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme von Fridays For Future.

Die Stadt wiederum betont, dass das nun eingeleitete Beschwerdeverfahren „keinesfalls als Konfrontation gegen den Klimaschutz“ gewertet werden dürfte. „Wir beurteilen lediglich manche rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts anders.“

„Wir gehen davon aus, dass die Demonstration stattfinden wird“

Bis zum 17. September hat Claudius Eisermann nun Zeit, eine eigene Stellungnahme zur Beschwerde der Stadt abzugeben. Ob der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim das Urteil noch vor dem angedachten Kundgebungstermin am 21. September fällt, ist ungewiss. Bis es so weit ist, hat der Beschluss aus Freiburg Wirkung.

„Wir haben begonnen, die Veranstaltung zu bewerben und gehen davon aus, dass die Demonstration stattfinden wird“, sagt Eisermann entschlossen.

So lange Mannheim kein Urteil fällt, scheint auch der Konstanzer Stadtverwaltung nichts anderes übrig zu bleiben, als einzulenken: „Wir würden versuchen, die Demonstration zu ermöglichen“, heißt es auf SÜDKURIER-Nachfrage. Sicher klingt das noch nicht.

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