Es ist ein kalter und trüber Morgen, als sich in Dingelsdorf eine Handvoll Schaulustiger auf der Straße versammelt. Die Menschen unterhalten sich aufgeregt und zeigen auf den Helikopter über ihren Köpfen.
Der schmale Hubschrauber steht wie festgewachsen über einer Baumreihe in Ufernähe. Ein langes Stahlseil baumelt am Rumpf der Maschine und verliert sich in den Wipfeln der Bäume.
Zwischen den Ästen ist ein Kletterer in Warnfarben zu erkennen, er hantiert mit einer Motorsäge. Es dauert keine Minute, da fliegt eine der Baumkronen durch die Luft.
Schwieriges Gelände zwingt zum Lufttransport
Die Baumfällung am Überlinger See ist keine alltägliche: Wegen der unzugänglichen Lage auf einem Privatgrundstück kommt der Spezialheli zum Einsatz.
Die vier Pappeln werden im Stand von oben nach unten in Einzelteile zersägt und ausgeflogen – jeder der vier großen Bäume in sechs Stücken.
Etwa 50 Tonnen Holz wird der Helikopter bei dem Einsatz auf dem Luftweg abtransportieren.
Für Renato Giezendanner ist der aufwendige Einsatz Routine, er arbeitet für das Liechtensteiner Unternehmen Rotex. Die Firma ist auf solche Lufttransporte spezialisiert.
Ihre Spezialhubschrauber sind in ganz Europa im Einsatz, etwa bei der Montage von Seilbahnen, der Bekämpfung von Bränden und der Bergrettung.
80 Prozent aller Einsätze seien aber schwierige Baumfällungen wie an diesem Tag in Konstanz, erklärt der Projektleiter kurz vor dem Einsatz.
Spezialhelikopter aus den USA ermöglicht den Einsatz
Der Heli, der die Fällung auf dem Luftweg ermöglicht, wird in den USA gebaut: Der einsitzige Hubschrauber ist speziell für den Transport schwerer Lasten entwickelt.
Ein besonderes Antriebssystem ermöglicht, dass die Maschine im Gegensatz zu klassischen Helikoptern mehr als ihr eigenes Gewicht heben kann. Vor dem Einsatz muss der Helikopter noch betankt werden.
Ohne die Mannschaft am Boden ist der teure Spezialhubschrauber aber nutzlos: Für den Abtransport auf dem Luftweg müssen die Bäume zunächst vorbereitet werden.
Die Arbeiten dafür beginnen schon Stunden vorher: Kletterspezialisten von Rotex befestigen Stahlseile in den Pappeln, die später am Transportseil des Helis befestigt werden.
Sobald dieser senkrecht über einem der vier Bäume schwebt, sägen die Kletterer ein Stück ab. Dann wird das Holz zu einer nahe gelegenen Wiese geflogen.
Zwei der Pappeln sind dicht bewachsen. Die Kletterpflanze muss entfernt werden, damit die Männer später ohne Gefahr mit der Motorsäge hantieren können.
Starke Holzfäule macht die Bäume zu einer Gefahr
Die Fällung der vier Pappeln sei wegen starker Stockfäule nötig, erklärt Sara Reichert. Die Baumpflegerin aus Konstanz und ihr Unternehmen Baum und Gartendesign sind an dem Einsatz beteiligt.
„Die Stämme sind im Inneren fast hohl“, sagt Reichert. Drei Gutachter hätten unabhängig voneinander bestätigt, dass die Bäume krank seien und Bruchgefahr bestehe.
Der Helikopter befindet sich kurz vor dem Start. Gemeinsam mit Renato Giezendanner spricht Sara Reichert den Ablauf noch einmal durch.
Die Kosten für den Helikopter sind beträchtlich: Sie liegen im fünfstelligen Bereich, wie die Beteiligten erklären.
Der Abtransport der kranken Bäume auf dem Luftweg sei trotzdem die günstigste Variante, erklärt Sara Reichert. Auf dem nur schwierig zugänglichen Gelände sei eine klassische Fällung mit Transport auf dem Landweg zu aufwendig und gefährlich.
Auch der Seeweg sei erörtert und verworfen worden. Im Winter sei der Wasserstand zu niedrig, zudem grenzt ein Naturschutzbereich an das Grundstück, erklärt Sara Reichert.
Dann ist es so weit, der Helikopter befindet sich im Anflug.
Stück für Stück werden die kranken Bäume von der Mannschaft am Boden zerlegt und vom Piloten im Spezialheli ausgeflogen.
Die gefällten Säulenpappeln sollen im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung Konstanz durch neue ersetzt werden. Das ist die Aufgabe der Baumpfleger.
Renato Giezendanner und sein Team entfernen, was entfernt werden muss. Es ist nicht ihr letzter Auftrag heute, bereits am Mittag sind Heli und Team auf dem Weg zum nächsten Einsatz.