Die Stadt Radolfzell feiert mit ihrem Ein-Euro-Ticket für eine Fahrt im Bus sowie dem Jahresticket zum Preis von 365 Euro (ein Euro am Tag) Erfolge. Taugt das Modell auch für Konstanz? Das wollte der FDP-Stadtverband wissen und lud die Stadtwerke-Geschäftsführer von Konstanz und Radolfzell zur Debatte.
Radolfzeller Modell nicht leicht übertragbar
Andreas Reinhardt, Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell, sagte gleich zu Beginn, dass sich der Radolfzeller Weg nicht so einfach auf andere Städte übertragen lasse. Sein Konstanzer Kollege Norbert Reuter lehnte Rabatt-Experimente zum jetzigen Zeitpunkt ab. Er möchte erst die Erfahrungen in fünf Modellstädten abwarten.
Von kostenfreien Stellplätzen zu einem Euro pro Stunde
Andreas Reinhardt machte deutlich, dass Radolfzell aus einer besonderen Lage heraus agierte. Bis 2016 habe diese, anders als Konstanz, Parkplätze zu besonders günstigen Stundenpreisen von 0,40 oder 0,50 Euro angeboten, stellenweise habe es auch kostenfreie Parkplätze gegeben. In einer flächendeckenden Reform seien die städtischen Parkplätze bewirtschaftet worden, alle zum Stundenpreis von einem Euro. Gleichzeitig sei der Einzelfahrschein im Bus von 2,30 auf einen Euro gesenkt worden.
Ausbau zum Viertelstundentakt
Zusätzlich sei in Teilen der Kernstadt der Halbstunden-Takt beim Bus auf einen Viertelstunden-Takt ausgebaut worden. Dieses Maßnahmenpaket habe Erfolge gezeigt. Die Zahl der Kurzzeitparker sei gesunken, die Zahl der Nutzer des Einzelfahrscheins explodiert. Die Verluste durch die Preissenkung seien Dank der hohen Kaufzahlen beim Einzelfahrschein wesentlich kleiner ausgefallen als erwartet.
Weniger Eltern bringen Kinder mit dem Auto zur Schule
Vor allem die Fahrten der „Elterntaxis“ hätten durch das günstige Angebot deutlich abgenommen, so Reinhardt. Schüler und Studenten können nach dem Radolfzeller System zum halben Preis von 50 Cent im Bus fahren. Mit dem besonders günstigen Einzelfahrschein kommt die Stadt Radolfzell den Bedürfnissen von Gelegenheitsfahrern entgegen.
Auch bei den Stadtwerken Konstanz steigen die Fahrgastzahlen
Die Stadtwerke Konstanz gehen einen anderen Weg. Sie setzen darauf, die Zeitkarten für die Stammkunden besonders günstig anzubieten, wie Geschäftsführer Norbert Reuter sagte. Auch dieses System habe Erfolge: Die Zahl der Fahrgäste sei in den vergangenen zehn Jahren um 17 Prozent gestiegen. Die Kostendeckung liege bei 81 Prozent.

Attraktiv wird die Busfahrt nur bei dichter Taktung
Reuter geht davon aus, dass weitere Rabatt-Aktionen weniger die Autofahrer zum Umstieg auf den Bus bewegen, sondern vor allem die, die mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind. Entscheidend für den Wechsel des Verkehrsmittels seien die Taktdichte und die Anbindung der Quartiere. Für Konstanz sei auch die Beschleunigung wichtig, etwa über Busspuren. Busse müssten nach Plan fahren und dürften nicht im Stau stehen, so Reuter.
Auch Reutlingen startet ein Modellprojekt
Norbert Reuter blickt mit Neugier nach Reutlingen, das zu fünf Modellstädten gehört, die unterstützt durch Fördermitteln des Bundes im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft“ mit Rabatt-Modellen in Bussen experimentieren. Reutlingen mit ähnlich vielen Fahrgästen wie in Konstanz habe das 365-Euro-Jahresticket, aber auch neue Linien, ein dichteres Netz an Haltestellen und Quartiersbusse eingeführt.
Reutlingen könnte Modell für Konstanz sein
Die Kommune erwarte durch dieses Maßnahmen-Paket rund zwei Millionen Fahrgäste mehr. Norbert Reuter geht davon aus, dass sich deren Erfahrungen auf Konstanz übertragen lassen. In einem Punkt allerdings werde in Konstanz wohl kein Rabatt etwas bewegen: Er werde den Schweizer Einkaufstourist, der für besonders viel Verkehr in der Altstadt sorgt, kaum motivieren, sein Auto stehen zu lassen.
Kritik aus dem Publikum
Achim Schächtle, Stadtrat der FDP, lobte das Herangehen der Stadtwerke Radolfzell als „mutig“. Es werde vom Fahrgast her gedacht, und nicht so betriebswirtschaftlich wie in Konstanz. Auch eine Besucherin vom Dingelsdorfer Arbeitskreis Klima bemängelte: „Ich dachte, wir bekommen hier Ideen, was wir tun können.“ Die Sache auf die Wartebank zu schieben, sei unbefriedigend. Thomas Buck, früherer Stadtrat des Jungen Forums, sprach sich für eine gekoppelte Betrachtung von Parkplatzangeboten und öffentlichem Nahverkehr aus: „Sonst hat man keine Effekte.“ FDP-Stadtrat Heinrich Everke würde es begrüßen, wenn alle Konstanzer Parkhäuser in einer Hand wären. Eine einheitliche Betriebsgesellschaft hatte kürzlich auch die SPD-Fraktion des Gemeinderats vorgeschlagen.