Dass der Lorettowald derzeit sein Gesicht verändert, ist nicht zu übersehen: An vielen Stellen wurden Bäume gefällt, Baumstämme liegen am Wegesrand, das dichte Blätterdach großer Baumkronen verschwindet, lichte Stellen nehmen zu.

Zu dem Gefühl vieler Bürger, dass der Wald bald nicht mehr wie ein Wald aussieht, kam jüngst der Ärger über 30 abgebaute Sitzbänke. Vor allem ältere Menschen hatten sie gern genutzt, um sich während eines Spaziergangs auszuruhen.

Nun schlägt das Kreisforstamt weitere Projekte vor, die so wirken könnten, als sollten die Bürger aus dem Lorettowald vertrieben werden. Doch das Gegenteil wird damit bezweckt, wie die Spitalstiftung als Eigentümerin beteuert: „Die Sicherheit aller Besucher hat Priorität. Die Maßnahmen dienen mittel- und langfristig dem Erhalt des Waldes als Naturwald und Erholungsgebiet.“

Bild 1: Konstanz: Wird den Bürgern der Bürgerwald weggenommen?
Bild: Schönlein, Ute

Das Paradox: Die Sicherheit für die Bürger soll erhöht werden, indem ihnen das Sicherheitsgefühl im Wald genommen wird. In der Vorlage für die Sitzung des Spitalausschusses (er tagt am Dienstag, 16. April, um 16 Uhr im Lehrsaal des Klinikums Konstanz) steht: „Einrichtungen, die für die Besucher ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bewirken, müssen leider zum Teil abgebaut werden. Es soll das Bewusstsein, sich in einem Wald mit seinen typischen selbst zu verantwortenden Gefährdungen aufzuhalten, gesteigert werden.“

Hintergrund ist der Klimawandel, der längst im Lorettowald seine Spuren hinterlässt. Der naturnahe Verjüngungsprozess, der innerhalb von 20 bis 50 Jahren einen Generationenwechsel der Bäume bewirken würde, wird durch Hitze- und Dürreperioden beschleunigt. Andreas Voß, Direktor der Spitalstiftung, schreibt in der Sitzungsvorlage, dass Buchen, Eichen, Eschen und Lärchen drastisch schneller absterben und zerfallen.

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Äste fallen herunter, Bäume stürzen um

Dieser Prozess werde sich „in bislang nicht gekannter Geschwindigkeit fortsetzen“. Der Zerfall der Bäume sorge jetzt schon dafür, dass dauernd Äste und ganze Kronen herunterbrechen, Bäume umstürzen. Permanent die Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten, sei nicht weiter möglich. Doch gerade an Orten mit gewisser Infrastruktur gelte eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht.

Damit der Wald weiter als Erholungsgebiet genutzt werden kann, schlägt das Kreisforstamt nach dem Abbau der Sitzbänke deshalb einige weitere Maßnahmen vor. So sollen einige Verkehrszeichen abgebaut werden, die Geh- und Radwege kennzeichnen. Auf all diesen Wegen müssten Radfahrer und Fußgänger künftig allgemein aufeinander Rücksicht nehmen.

Bild 2: Konstanz: Wird den Bürgern der Bürgerwald weggenommen?
Bild: Schönlein, Ute

Überhaupt sollen nach dem Wunsch des Kreisforstamts gar nicht mehr so viele Radfahrer im Lorettowald unterwegs sein. Unverzichtbar im Radverkehrsnetz ist laut Amt für Stadtplanung und Umwelt der Radweg an der Eichhorn- und Jakobstraße, andere Strecken im Wald könnten aber aus dem Radkonzept gestrichen werden.

Dieser Radweg als Abkürzung zwischen Beethovenstraße und Hermann-von-Vicari-Straße ist sehr beliebt. Künftig könnte er wegfallen.
Dieser Radweg als Abkürzung zwischen Beethovenstraße und Hermann-von-Vicari-Straße ist sehr beliebt. Künftig könnte er wegfallen. | Bild: Hanser, Oliver

Weniger Parkplätze, weniger Parksuchverkehr?

Das Kreisforstamt möchte auch die Parkplätze für Autos entlang der Jakobstraße und in der Seehalde (beim Wasserwerk) sperren, um dort nicht „umfangreiche Sicherungshiebe“ machen zu müssen. Ein erneutes Parkchaos im Sommer, wie es in früheren Jahren unter Hörnle-Besuchern auftrat, fürchtet das Kreisforstamt nicht, sondern rechnet durch die Sperrung der Parkplätze eher mit einem Rückgang des Parksuchverkehrs.

Eine große Fläche im Wald soll sogar ganz in Ruhe gelassen werden: Auf sieben Hektar will die Revierförsterin gar nicht mehr eingreifen; alle Wege innerhalb dieses Gebiets sollen für den Besucherverkehr komplett gesperrt werden, damit sich neuer Humus bilden kann, auch als Wasserspeicher.

Bild 4: Konstanz: Wird den Bürgern der Bürgerwald weggenommen?
Bild: Schönlein, Ute

Jogger werden sich eventuell auch umstellen müssen, denn das Konzept sieht vor, mittelfristig die Beleuchtung in der Fontainebleau-Allee abzubauen. Die Laternen vermittelten ein „trügerisches Sicherheitsgefühl“ für die Waldbesucher.

Sabine Schilling, Pressesprecherin der Spitalstiftung, erläutert: „Es soll der natürliche Zustand des Waldes wieder hergestellt werden, weg von einer Parkanlage, hin zu einem Naturwald. Und da gibt es nachts kein Licht.“

Die Beleuchtung in der Fontainebleauallee könnte künftig wegfallen. Das Kreisforstamt möchte den Lorettowald wieder naturnäher ...
Die Beleuchtung in der Fontainebleauallee könnte künftig wegfallen. Das Kreisforstamt möchte den Lorettowald wieder naturnäher gestalten. Für den Artenschutz ist weniger nächtliches Licht ebenfalls von Vorteil. | Bild: Hanser, Oliver

All diese Vorschläge müssen erst noch zwischen Spitalstiftung und Stadt Konstanz beraten werden. Stiftungsrat und Gemeinderat stimmen anschließend darüber ab. Sabine Schilling sagt: „Uns ist bewusst, wie wichtig den Menschen der Wald ist und es tut uns auch leid, dass wir Gewohntes wegnehmen wollen, denn grundsätzlich ist die Spitalstiftung zum Wohl der Bürger da.“ Doch es sei immer ein Spagat zwischen Einzelinteressen.

Die Sicherheit der Konstanzer stehe im Vordergrund, aber auch Revierleiterin Irmgard Weishaupt soll entlastet werden. „Sie ist rechtlich haftbar, wenn sie die Sicherheit nicht gewährleisten kann“, so Schilling. Die Spitalstiftung möchte deshalb um Verständnis für die Vorschläge werben: „Wir sind offen für Dialog und Rückmeldungen.“