Sylvia Schnitzius spaziert wie jeden Morgen mit ihrem Yorkshire Terrier Lucky auf der Seestraße Richtung Schmugglerbucht. Diesmal entdeckt sie jedoch etwas Ungewöhnliches: Bissspuren an einer der beiden Pappeln auf der Promenade. Für die Konstanzerin ist direkt klar: Das war der Biber.

Sylvia Schnitzius ist während ihrer Spaziergänge stets mit der Kamera unterwegs und lichtet den entdeckten Biberbiss sofort ab.
Sylvia Schnitzius ist während ihrer Spaziergänge stets mit der Kamera unterwegs und lichtet den entdeckten Biberbiss sofort ab. | Bild: Sylvia Schnitzius

Schnell fotografiert sie den angeknabberten Baum am Freitag, 17. Januar, und schickt das Bild dem SÜDKURIER. Zu dem Zeitpunkt befindet sich an dem Baum noch kein Schutzzaun gegen Biberbisse. „Es hat mich erstaunt, dass das Tier die relativ steile Böschung zur Seestraße raufgeklettert ist und sich diesen Baum ausgesucht hat“, erinnert sich die 82-Jährige. Ist das Verhalten des Bibers ungewöhnlich?

Biber erschließen immer mehr Lebensräume

Lisa Maier vom Naturschutzbund-Bodenseezentrum (Nabu) wundert sich nicht darüber. Das Verhalten hänge mit der starken Ausbreitung des Bibers in den vergangenen Jahren und dem Konkurrenzdruck zwischen den Tieren zusammen. „Der Biber nimmt hier schon sehr zu“, so Maier. „Aktuell besiedeln sie jeden für sich möglichen Lebensraum.“

Auf der Suche nach Futter können Biber laut Maier auf dem Land ein bis zwei Kilometer zurücklegen – und anscheinend auch die Böschung zur Seestraße hinaufklettern. „Im Winter frisst der Biber Rinde und fällt die Bäume, um an die Triebe zu kommen“, erklärt die Naturschützerin.

Dem Biber auf der Spur: Ronja Hofer und Lisa Maier (von Links) vom Nabu sind für das Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried zuständig und ...
Dem Biber auf der Spur: Ronja Hofer und Lisa Maier (von Links) vom Nabu sind für das Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried zuständig und suchen in der Umgebung nach Bibern und ihren Bauwerken. | Bild: Sabrina Morenz

Ist es wahrscheinlich, dass der Biber noch weitere Bäume an der Seestraße annagt? Ausschließen lässt sich das laut Maier zumindest nicht. Zwar bevorzugen Biber weiche Hölzer wie Pappeln und meiden dafür härtere Hölzer wie Nadelbäume. „Aber ich habe schon alles gesehen“, sagt die Naturschützerin. Sogar an einer Fichte habe sie bereits Bissspuren entdeckt.

„Von Platanen habe ich bisher noch nichts gehört, das ist nicht seine Leibspeise“, so Maier. Dennoch würde sie nicht sagen, dass die Platane komplett ungefährdet ist. Für den Schutz der Bäume sei die Stadt zuständig. „Die möchte die Bäume wahrscheinlich nicht an den Biber geben.“

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Wie reagiert die Stadt?

Die Mitarbeiter der Stadt haben bereits am 17. Januar die betroffene Pappel eingezäunt. Auch die zweite Pappel daneben hat vorsorglich einen Schutz aus Maschendraht erhalten. „Die Reaktion von der Stadt war sehr schnell, das finde ich bemerkenswert“, lobt Sylvia Schnitzius.

„In vom Biber geschädigten Bereichen wird grundsätzlich geprüft, ob weitere Schutzmaßnahmen an benachbarten Bäumen erforderlich sind“, erklärt Anja Fuchs, Pressesprecherin der Stadt, das Vorgehen. Dabei werden beispielsweise besonders erhaltenswerte Bäume, Nachpflanzungen und vom Biber bevorzugte Baumarten berücksichtigt.

Auch die zweite Pappel ist vorsichtshalber umzäunt.
Auch die zweite Pappel ist vorsichtshalber umzäunt. | Bild: Sabrina Morenz

„Im Fall der verbissenen Pappel an der Seestraße haben wir zeitnah reagiert und auch die benachbarte Pappel mit einem Schutzzaun geschützt“, so Fuchs. Zusätzliche Maßnahmen, wie die Umzäunung weiterer Bäume auf der Seestraße, plane die Stadt derzeit nicht: „Die Ausstattung aller Bäume im Stadtgebiet mit Verbisszaun ist nicht möglich und nicht zielführend.“

Bei der Baumart Platane, die das Bild der Seestraße in großer Zahl prägt, seien bislang noch keine Biberspuren festgestellt worden. Aus fachlicher Sicht gebe es daher aktuell keine Bedenken um die Ästhetik oder die Sicherheit an der Seestraße, wie Fuchs erklärt.

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So sollten sich Passanten verhalten

Sollte es zu einer Begegnung zwischen Mensch und Biber kommen, so rät Maier: „Man sollte Abstand halten, das ist ein wildes Tier.“ Biber sollten nicht gefüttert und Hunde nicht in die Nähe gelassen werden. Die Anwohnerin Sylvia Schnitzius hat keine Sicherheitsbedenken: „Auch um meinen Hund mache ich mir keine Sorgen.“

Generell habe die 82-Jährige nichts gegen die Ausbreitung des Bibers: „Es sind Lebewesen und sie stören mich nicht.“ Man müsse das mit dem Baum auf der Seestraße akzeptieren. „Zumal das keine Platane war und der Vorfall an der Seestraße sicher einmalig ist“, meint sie.

(Symbolbild) Dieser Biber bearbeitet im Sommer 2024 einen Holzzweig am Radolfzeller Seeufer. Auch in der Konstanzer Schmugglerbucht und ...
(Symbolbild) Dieser Biber bearbeitet im Sommer 2024 einen Holzzweig am Radolfzeller Seeufer. Auch in der Konstanzer Schmugglerbucht und nun auch an der Seestraße hinterlässt das Wildtier seine Spuren. | Bild: Jarausch, Gerald | SK-Archiv

Nicht so zufrieden ist der Anwohner Rolf Eichler. Der 81-Jährige hat die Biberspuren an der Seestraße ebenfalls entdeckt und sich deswegen beim SÜDKURIER gemeldet. Als Mitglied des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland begrüße er es zwar, wenn der Biber in der Natur durch seine Bauten zu einer besseren Durchnässung beiträgt. Die Ausbreitung des Wildtieres sollte aber reguliert werden.

Er wünscht sich außerdem, dass die Stadt Konstanz ausnahmslos alle Bäume stark und kompetent schützt. „Sie sind ein ökologisches Gut und sie sind Schattenspender und Augenfreude für Hunderte, am Wochenende Tausende Spaziergänger“, so Eichler.

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So hilft der Biber dem Menschen

Die Ausbreitung des Bibers hat laut Nabu-Mitarbeiterin Lisa Maier viele positive Effekte, kann aber auch Konflikte mit sich bringen. So verursache das vom Biber aufgestaute Wasser teilweise Probleme für die Infrastruktur oder die Landwirtschaft: „Der Flugplatz steht teilweise unter Wasser und einige wirtschaftliche Flächen lassen sich derzeit nicht mehr mähen.“

Dennoch: „Der Biber schafft wahnsinnig tolle Lebensräume“, betont Maier. Seltene Tierarten wie der Laubfrosch oder die Wasserralle, eine Verwandte des Blesshuhns, würden dadurch neue Rückzugsorte finden. Auch der Mensch profitiere indirekt: Während es durch den Klimawandel immer trockener wird, halte der Biber das Wasser in der Landschaft.