Die Grundschule Wollmatingen braucht dringend mehr Platz: Es fehlen Klassenzimmer, ein adäquater Besprechungsraum und mehr Räume für die Kernzeit. Die Kinder essen schon lange in drei Schichten in einem ehemaligen Geräteraum der Sporthalle. Auf dem Schulhof stehen zwei Container.

„Wir haben während der vergangenen Jahre schon oft Räume umgewidmet und sind mit Klassen oder dem Lehrerzimmer umgezogen“, sagt Schulleiterin Uta König. „Jeder Zentimeter dieser Schule ist ausgenutzt.“

„Jeder Zentimeter dieser Schule ist ausgenutzt“, sagt Uta König, Leiterin der Grundschule Wollmatingen.
„Jeder Zentimeter dieser Schule ist ausgenutzt“, sagt Uta König, Leiterin der Grundschule Wollmatingen. | Bild: Kirsten Astor

Bei einem Rundgang zeigt sie Klassenzimmer unter dem Dach. „Hier werden jeweils 25 Kinder unterrichtet, es ist zu eng und im Sommer viel zu heiß hier“, sagt sie. Im Container-Lehrerzimmer gibt es kein fließendes Wasser und das alte Pavillongebäude, das längst abgerissen sein sollte, ist heruntergekommen.

Im engen Dachgeschoss der Grundschule Wollmatingen sind derzeit Klassen mit je 25 Kindern untergebracht.
Im engen Dachgeschoss der Grundschule Wollmatingen sind derzeit Klassen mit je 25 Kindern untergebracht. | Bild: Kirsten Astor

Deshalb plant die Stadt schon lange, die Grundschule Wollmatingen auf eine Dreizügigkeit (drei Parallelklassen pro Jahrgang) auszubauen. Bislang hat sie Räume für 2,5 Züge. Im Jahr 2017 gab es eine erste Vorstudie, 2019 war die Entwurfsplanung fertig.

Der Gemeinderat gab grünes Licht, die Stadt reichte den Bauantrag ein. Doch es gab Gegenwind: Anwohner Thomas Tweer ist mit den Plänen nicht einverstanden und klagte. Das Verfahren zog sich hin. Inzwischen verzögern sich Abriss und Neubau um vier Jahre. „Dadurch entstehen für die Stadt deutliche Mehrkosten“, sagt Arnold Hermann vom Hochbauamt.

Das alte Pavillongebäude soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, dessen Platzierung umstritten ist.
Das alte Pavillongebäude soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, dessen Platzierung umstritten ist. | Bild: Kirsten Astor

Ein alter Bebauungsplan macht Schwierigkeiten

Stein des Anstoßes ist ein Bebauungsplan aus den 1960er-Jahren und die Absicht der Stadt, diesen zu ändern. Denn bei einer zwischenzeitlich erfolgten Grundstücksumwidmung wurde das Baufeld nicht angepasst.

„Wir können den Neubau nicht ins vorgesehene Baufeld stellen, weil das sehr nah an dem einen Nachbarhaus wäre und sehr weit weg von dem des Klägers“, sagt Arnold Hermann. „Wir möchten das Gebäude in die Mitte setzen, das ist gerechter.“

Innerhalb der lila Linie liegen die grauen Gebäude der Grundschule Wollmatingen. Das rote Haus ist das Kernzeithaus, der gezackte Bau ...
Innerhalb der lila Linie liegen die grauen Gebäude der Grundschule Wollmatingen. Das rote Haus ist das Kernzeithaus, der gezackte Bau stellt das Pavillongebäude dar. Dieses soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Wo der ungefähr geplant ist, hat der betroffenen Anwohner mit Kugelschreiber eingezeichnet. | Bild: Kirsten Astor

Doch weil einer der Anwohner nicht zustimmte, hatte die Verwaltung zwei Optionen: Entweder das Gebäude umplanen oder den Fehler des Bebauungsplans beheben. „Wir und die Schule sind uns einig, dass das Gebäude genau so richtig ist, wie wir es geplant haben“, sagt Arnold Hermann. „Und wir sind weiterhin überzeugt davon, dass es nur an der Stelle sinnvoll steht, an der wir es haben möchten.“

Das bedeutet: Die Schule soll acht Meter näher an die Grundstücksgrenze des klagenden Nachbarn heranrücken als das bestehende Pavillongebäude.

„Es sind immer noch 25 Meter bis zum Haus des Klägers. Wir rücken ihm nicht extrem auf die Pelle“, sagt Arnold Hermann vom ...
„Es sind immer noch 25 Meter bis zum Haus des Klägers. Wir rücken ihm nicht extrem auf die Pelle“, sagt Arnold Hermann vom städtischen Hochbauamt. | Bild: Kirsten Astor

Die Stadt hob den alten Bebauungsplan auf und stellte einen zweiten Bauantrag mit derselben Planung wie beim ersten Mal. Und das ärgert Thomas Tweer. „Die Stadt kann doch nicht einfach ohne Anhörung der Nachbarn einen Bebauungsplan aufheben“, sagt er dem SÜDKURIER. „Ich habe erst ein halbes Jahr später zufällig davon erfahren und dann war ich sauer. Geht man so mit Bürgern um?“

Arnold Hermann wiederum argumentiert: Bei geänderten Bebauungsplänen werden diese als Offenlage allen Bürgern bekannt gemacht. Der Nachbar habe es verpasst, während der Frist seine Einsprüche zu erheben.

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Also reichte der Anwohner eine Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein, um gegen die Aufhebung des Bebauungsplans zu klagen. Dabei habe er gar nichts gegen einen Neubau. „Ich mag Kinderlärm und meine eigenen Kinder gingen auch in Wollmatingen zur Schule“, sagt der 59-Jährige. „Aber warum müssen Baufelder verschoben und das geplante Gebäude in Richtung meines Grundstücks gedreht werden?“

„Wir rücken ihm nicht extrem auf die Pelle“

Laut Stadt beträgt der Abstand zwischen Neubau und Nachbargrundstück dann immer noch 8,50 Meter – und sogar 25 Meter bis zum Haus des Klägers. „Wir rücken ihm damit nicht extrem auf die Pelle“, so Hermann. Das lässt der Anwohner nicht gelten: „Der geringere Abstand zur Schule mindert den Wert meines Grundstücks, falls ich es mal verkaufen möchte.“

Er fühlt sich im Verfahren übergangen. „Als zu Beginn ein Architekt mit fertigen Plänen auf mich zukam, habe ich Briefe an den Oberbürgermeister, alle Gemeinderatsfraktionen und Stadträte geschrieben, aber nicht eine einzige Antwort erhalten“, erbost er sich. Die jahrelange Verzögerung des Bauvorhabens nimmt der 59-Jährige nicht auf seine Kappe: „Das Gebäude könnte schon lange stehen, wenn die Stadt mich nicht übergangen hätte.“

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Kläger bekam Recht – jetzt muss nachgebessert werden

Tatsächlich entschied der Verwaltungsgerichtshof jüngst, dass die Stadt seine Belange nicht ausreichend gewürdigt habe. Die Verwaltung muss die Einwände des Nachbarn nun nochmal genauer abwägen und Punkte am Bebauungsplan korrigieren, die kritisiert wurden. Das nennt sich Heilung.

„Wir gehen davon aus, dass wir die Heilung des Bebauungsplans bis Sommer 2024 abgeschlossen haben und der Bau frühestens 2025 beginnen kann“, sagt Arnold Hermann. Der Anwohner indes erwartet, dass die Stadt ihm nach dem Gerichtsbeschluss entgegenkommt. Beide Seiten zeigen sich aber gesprächsbereit.

„Die Schüler sind da, wir brauchen den Schulraum jetzt“, sagt Frank Schädler, Leiter des Amts für Bildung und Sport.
„Die Schüler sind da, wir brauchen den Schulraum jetzt“, sagt Frank Schädler, Leiter des Amts für Bildung und Sport. | Bild: Claudia Rindt

„Von mir aus reden wir jetzt so lange, bis wir eine Lösung gefunden haben“, sagt der Nachbar. Demnächst soll ein Treffen beider Parteien mit ihren Anwälten stattfinden. Auch die Stadt möchte, dass es endlich vorangeht. So sagt Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport: „Wir haben schon viel zu lange gewartet. Die Schüler sind da, wir brauchen den Schulraum jetzt.“