Die Stadt Konstanz gibt so viele Gutachten und vergleichbare Dienstleistungen in Auftrag, dass sie selbst keinerlei Überblick mehr hat, wer da alles bezahlt wird, wofür und mit wie viel öffentlichem Geld: Diesen Eindruck mussten die Stadträte gewinnen, als in einer offenbar zunehmend vergifteten Atmosphäre eine Anfrage der FDP-Fraktion diskutiert wurde.

Und zwar in dem Sinne, ob die Stadtverwaltung das Begehren der Liberalen überhaupt beantworten soll. Weil sie es im Grunde nicht kann, sagt dazu Oberbürgermeister Uli Burchardt. Weil sie es nicht will und etwas zu verbergen hat, so sieht es Stadtrat Achim Schächtle von der FDP.

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Die Debatte im Haupt-, Finanz und Klimaausschuss (HFK) zu dem seit Jahren strittigen Thema markiert dabei nach Aussagen mehrerer Teilnehmer einen neuen Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Teilen des Gemeinderats und Teilen der Stadtverwaltung. Dabei schenken sich beide Seiten nichts. Der Oberbürgermeister erzählt etwas von einer „Tabelle mit 130.000 Zeilen“, die man in wochen- oder monatelanger Arbeit auswerten und überprüfen müsse. Seine Parteifreundin, CDU-Fraktionschefin Heike Rawitzer, wirft ihm darauf ein geflügeltes Wort an den Kopf: „Wer will, findet Wege – wer nicht will, sucht Gründe.“

Wehrt sich gegen „Unterstellungen, dass die Verwaltung etwas nicht veröffentlichen will“: Uli Burchardt, Oberbürgermeister.
Wehrt sich gegen „Unterstellungen, dass die Verwaltung etwas nicht veröffentlichen will“: Uli Burchardt, Oberbürgermeister. | Bild: Rau, Jörg-Peter

In Zeiten, in denen sich die Stadt Konstanz ernsthaft Gedanken machen muss, ob sie sich noch ihr Theater, ihre Philharmonie oder ihr Vereinsförderprogramm leisten kann, ist es mehr als ein Geplänkel. Die rasch steigende Verschuldung und die Angst um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Verwaltung bilden die Folie für eine Debatte, in der es um viel Geld geht. Denn Gutachten, Rechtsberatung oder andere extern eingekaufte Expertise dürfte die Stadt mit ihrem Umsatz von derzeit rund 340 Millionen Euro wohl jedes Jahr einen stattlichen Millionenbetrag kosten. Doch nicht einmal zu so einer Schätzung zeigt sich die Verwaltung bereit.

Zankapfel Gutachten: Einen echten Überblick hat niemand

Ob das Geld immer sinnvoll investiert ist, das ist freilich umstritten. Achim Schächtle führt eine Verkehrszählung auf der Schänzlebrücke an, bei der ermittelt worden sei, wie viele Radfahrer dort in welche Richtung unterwegs sind, „als ob das für unser politisches Handeln wirklich wichtig wäre.“

Dennis Botos erwähnt ein Beispiel aus seinem Bereich, der Kämmerei. Wenn es um die Katamaran-Reederei geht, muss die EU-Beihilfeverordnung beachtet werden. Alle zehn Jahre steht dafür ein aufwendiges Verfahren an. Dafür engagiert die Stadtverwaltung einen fachkundigen Rechtsanwalt – weil es viel billiger ist, als nur für diesen Zweck jemanden anzustellen, um es im Haus selbst machen zu können.

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Und manchmal sind Gutachten gesetzlich gefordert, zum Beispiel bei einem Bebauungsplan, wenn die Auswirkungen etwa auf Tier- und Pflanzenwelt akribisch untersucht werden müssen. Dann kann die Stadtverwaltung allenfalls noch über eine Ausschreibung entscheiden, an wen sie den Auftrag vergibt.

Das sagen die Räte

„Wir haben den Begriff Gutachten nie definiert“, sagt dazu OB Burchardt. „Es wird uns nicht gelingen, eine vollständige Aufstellung zu machen.“ Und er verwehrt sich gegen „Unterstellungen, dass die Verwaltung etwas nicht veröffentlichen will“. Doch genau die gibt es in Teilen des Rats, sagt auch CDU-Stadträtin Heike Rawitzer: „Ich erlebe eine hohe Problemorientierung“, erklärt sie in Richtung OB.

Und weiter: „Hier steht im Raum, dass man mit bestimmten Gutachten nicht ganz glücklich wäre“ – was übersetzt heißt: Gutachten, deren Ergebnisse nicht erwünscht sind, bleiben in der Schublade. Oder in den Worten ihres FDP-Kollegen Schächtle: „Viele Gutachten werden nur in Auftrag gegeben, damit man die eigene Verantwortung abgeben kann, oder um politischen Einfluss zu nehmen.“

„Wer will, findet Wege – wer nicht will, sucht Gründe“: CDU-Stadträtin Heike Rawitzer zum Umgang der Verwaltung mit der FDP-Anfrage.
„Wer will, findet Wege – wer nicht will, sucht Gründe“: CDU-Stadträtin Heike Rawitzer zum Umgang der Verwaltung mit der FDP-Anfrage. | Bild: CDU

Niklas Becker (FGL&Grüne) versucht zu vermitteln: Ja, es gebe eine „gewisse Wissenslücke im Rat“, und dass der OB jetzt darüber abstimmen lassen wolle, ob der FDP überhaupt zu ihrem Recht auf Beantwortung ihrer Anfrage verholfen oder ob ihr das verweigert wird, sei „nicht sonderlich überzeugend“ begründet.

Auch Jan Welsch (SPD) verspürt in der Debatte einen „problematischen Zungenschlag“ und nennt ein Beispiel, bei dem die Stadt viel zu viel Geld für externe Beratung ausgegeben habe: als die Musikschule unter das Dach der Verwaltung kam, seien enorme Anwaltshonorare bezahlt worden. Und: Es gebe die Tendenz, politische Entscheidungen zu vermeiden und sich auf Gutachten abzustützen.

Er schlägt vor, Kosten für Gutachten und ähnliche Beratungsleistungen in Zukunft genauer zu erfassen: Jan Welsch, SPD.
Er schlägt vor, Kosten für Gutachten und ähnliche Beratungsleistungen in Zukunft genauer zu erfassen: Jan Welsch, SPD. | Bild: Kirsten Astor

Moritz Schneider (Junges Forum) sagt, er könne die Anfrage der FDP verstehen, es handle sich „sicherlich um eine nennenswerte Größe“. Nicht gut sei aber, dass „Ressourcen gebunden werden für Anfragen, die uns nicht nach vorne bringen“. Ähnlich geht es Susanne Heiß (Freie Wähler): Besser sei es, in Zukunft genau hinzuschauen, denn „was bringt eine Vergangenheitsbewältigung?“.

Er kritisiert, dass „Ressourcen gebunden werden für Anfragen, die uns nicht nach vorne bringen“: Moritz Schneider, Junges Forum.
Er kritisiert, dass „Ressourcen gebunden werden für Anfragen, die uns nicht nach vorne bringen“: Moritz Schneider, Junges Forum. | Bild: Anna Glad/JFK

Am Ende endet die Debatte mit einem Ergebnis, das die Frage aufwirft, warum der Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss so viel Zeit dafür aufwenden musste: Oberbürgermeister Uli Burchardt zieht die – rechtlich ohnehin umstrittene – Vorlage zurück, mit der die FDP-Anfrage hätte gekippt werden können. Die „Verwaltung wird die Frage präzise schriftlich beantworten“, versichert er. Große Begeisterung können aus dieser Zusage freilich auch die wohlwollenden Stadträte nicht heraushören.