Die Linke hat im Bund den Fraktionsstatus verloren, und damit Geld, Personal und parlamentarische Rechte. Herrscht jetzt Katzenjammer? Nein. Aufbruchstimmung. „Es läuft nicht nur, es läuft richtig gut“, sagt Sibylle Röth, Fraktionsvorsitzende der Linken im Kreistag. Denn viele Menschen hätten Lust, sich für Ökologie, Frieden und soziale Gerechtigkeit zu engagieren, und das mache Mut.
Dass sich viele einsetzen wollen, zeigt die Aufstellung der Kandidaten der Linken Liste für die Wahl zum Konstanzer Gemeinderat am 9. Juni des kommenden Jahres. 40 Plätze sind notwendig, 47 Menschen stehen bereit. Die Linke Liste ist eine Wählervereinigung. Kandidaten müssen nicht der Partei der Linken angehören.
Auf den vorderen Plätzen der Liste, bei denen ein Einzug in den Gemeinderat wahrscheinlich ist, stehen Altbekannte. Die Linke geht mit den amtierenden Stadträten auf den ersten drei Plätzen in den Wahlkampf. Spitzenkandidat ist Simon Pschorr, gefolgt von Anke Schwede und Holger Reile. Auf dem vierten Platz steht Wolfgang Mossmann, der sich schon seit langem im Linkslager engagiert.
Pschorr: „Wir wünschen uns eine Stadt für die, die hier leben“
Simon Pschorr fordert bei seiner Vorstellung: „Spart an Projekten, die keiner braucht.“ Er meint damit in Konstanz unter anderem das Bodenseeforum. Grundsätzlich wolle er sich dafür einsetzen, dass Gelder von denen eingetrieben werden, die diese reichlich haben. Er hat den Eindruck, dass in Konstanz bei den Finanzen falsche Schwerpunkte gesetzt werden.
Für Projekte, die der Stadtspitze gefallen, seien immer Gelder vorhanden, nie aber für Maßnahmen, welche die Stadt angesichts des Klimawandels zukunftsfähig machen würden. Es sei an der Zeit, den Menschen zu sagen, dass angesichts der Klimakatastrophe nicht mehr alles so laufen könne wie bisher, etwa der Verkehr in der Altstadt. Statt diese mit Autos zuzustellen, solle sie Platz bieten für die Menschen, die sich dort aufhalten. „Wir wünschen uns eine Stadt für die, die hier leben.“
Dabei sollte es keinen Unterschied machen, ob einer aus der Stadt kommt oder zugewandert ist. Er wolle in einer Gesellschaft leben, die jeden so aufnimmt, wie er ist, arm, alt, krank, farbig, andersgläubig. Pschorr, der bisher auch ein Mandat im Kreistag hatte, gibt dieses im Prinzip auf. Es kandidiert zwar für Singen auf Platz zwei, die Wahrscheinlichkeit aber, dass er gewählt wird, ist sehr gering.
LLK-Kandidaten stellen „Euro-Grab“ Bodenseeforum in Frage
Anke Schwede sagte, sie wolle sich für soziale und kulturelle Belange einsetzen, und für Menschen, die wenig Geld haben. Soziales, Gesundheit, Gleichstellung, Geflüchtete seien ihre Schwerpunktthemen. Auch sie sieht einige überflüssige, teure und klimaschädliche Projekte in der Stadt, so das Bodenseeforum, das geplante Großbild vom Konstanzer Konzil, das Asisi-Panorama, und das immer wieder diskutierte, aber nie verwirklichte Konzerthaus. Sie hält es für falsch, Obdachlose mit dem Argument zu vertreiben, sie bettelten aggressiv.
Holger Reile gab als Ziel vor, mindestens die drei Sitze im Gemeinderat zu halten. Er weist darauf hin, dass die Linke Liste beim Vincentius-Areal und dem Siemensgelände vergeblich darauf gedrängt habe, dass die Stadt die Areal zur Bebauung mit bezahlbaren Wohnraum übernehme. So greife die Wohnungsnot immer weiter um sich. Als „größten finanzpolitischen Skandal“ der letzten Jahre wertete er die Investitionen und Zuschüsse ins Veranstaltungs- und Kongresshaus Bodenseeforum an der Reichenaustraße.
„Das ist ein Euro-Grab.“ Es habe schon rund 30 Millionen Euro verschlungen, dazu komme der jährliche Zuschuss über rund 2,5 Millionen Euro. Er erinnert auch daran, dass die Linke ein Ein-Euro-Ticket in Bussen forderte. Er bedauert, dass es dafür keine Mehrheit im Gemeinderat gab. In Radolfzell werde das Ein-Euro-Ticket umgesetzt und auch in der Nachbarstadt Kreuzlingen (ein Franken pro Fahrt) solle es bald wahr werden.
Konstanz aber stehe vor einer Erhöhung der Ticketpreise für den Bus. Die Stadt ersticke seit Jahren in Blechlawinen des motorisierten Individualverkehrs „und tut nichts dagegen.“ Und dann attackierte er Oberbürgermeister Uli Burchardt. Reile sagte, dieser lasse sich überregional für die Ausrufung des Klimanotstands in seiner Stadt feiern, aber wenn es um konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz gehe, dann schrecke er zurück. Wenn überhaupt, dann gehe es allenfalls im Schneckentempo voran.
Reile mahnt: Rassismus habe die Mitte der Gesellschaft erreicht
Reile sagte weiter, die Schere zwischen Arm und Reich klaffe immer weiter auseinander. Er kritisiert, dass man dabei sei, Konstanz zu „verramschen“. Er kommt zu dem Schluss: Es wäre nicht auszuhalten, wenn nur Konservative das Sagen hätten. Als positiv wertet er es, dass die AfD aller Voraussicht keine Liste in Konstanz aufstellen werde. Leider aber hätten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit die Mitte der Gesellschaft erreicht. „Die braune Suppe“ schwappe über.
Einige bekannte Köpfe der Stadt sind auf der Liste zu finden. Der Gewerkschaftler Bernhard Hanke, Monika Schickel, die frühere Stadträtin der Linken, der Journalist Harald Borges, Sibylle Röth, Vorsitzender der Kreistagsfraktion, Felix Müller, der Mitbegründer der örtlichen Fridays for Future Gruppe, dieser Bewegung gehört auch Manuel Oestringer an.
Weitere bekannte Köpfe: der Journalist Lutz Rauschnick, der Friedensaktivist Michael Schluroff, der Philosoph und politische Berater, bekannt durch Stadtführungen, Johann-Peter Regelmann, der Förster Michael Flöß.