Die Zukunft der Gassenfreitage brennt vielen Niederbürglern unter den Nägeln. Wie diese aussehen soll, da gehen die Meinungen auseinander. Etwa 50 Personen kommen auf Einladung des Vereins Niederburg Vital als Ausrichter der Veranstaltungsserie zum runden Tisch in die Spitalkellerei. Knapp zwei Stunden lang wird heiß diskutiert, obwohl das Ansinnen der Kontrahenten eigentlich nicht so weit auseinanderdriftet.
Es gibt einzelne Rädelsführer, die auch verbal mal übers Ziel hinausschießen, doch die Mehrheit versteht es, Kritik maßvoll zu üben und gleichermaßen Verständnis zu zeigen. Das könnte eine Quintessenz des Diskussionsabends sein. Was aber ist das Ziel der Veranstalter und worüber ärgern sich Anwohner?
Die Gassenfreitage liefen eher verhalten an, gegen 20 Uhr würde es dichter und um 22 Uhr würde die Veranstaltung beendet, skizziert Rolf Huesgen, Vorsitzender des Vereins Niederburg Vital, den Verlauf der Veranstaltung. Die Intention sei, dass die Besucher anschließend in die Gaststätten gingen, um den Abend weiter zu genießen.

„Was brennt Ihnen unter den Nägeln?“
Die Veranstaltung sei, laut Huesgen, auch schon „verfeinert“ worden, indem zusätzliche Glassammelbehälter aufgestellt worden seien. Zum Thema zu wenig Toiletten spricht er von „30 bis 35 WC-Sitzen“ in den beteiligten Gastronomien.
Rolf Huesgen versucht, eine Lanze zu brechen: „Die Veranstaltung verläuft immer friedlich. Menschen aller Altersklassen kommen, um sich zu treffen und persönlich auszutauschen. Gerade in der Zeit der zunehmenden Verrohung auf Social Media ist es ein wertvolles Event.“ Dann schaut er auf die anwesenden Anwohner und fragt: „Was brennt Ihnen unter den Nägeln?“
Die Gassenfreitage seien laut und zu lange
Einige Anwohner beklagen, die Musik sei zu laut, was vor allem auf die Gerichtsgasse zuträfe. Die Konstanzer Lärmschutzinitiative Link, die an diesem Abend auch vertreten ist, hatte sich schon eingeschaltet und bemängelt, dass der Grenzwert bei der Beschallung von der Stadtverwaltung von 80 auf 85 Dezibel angehoben worden sei. Das sei richtig, bestätigt Bettina Parschat vom Bürgeramt. Allerdings sei die Grenze bei der Ausgangsquelle um fünf Dezibel gesenkt worden. „Es ist ein sehr komplexes Thema“, kürzt sie ab.
Beim Regierungspräsidium (RP) Freiburg sei diesbezüglich ein Widerspruch eingereicht und dort geprüft worden. Das RP sei zu der Ansicht gelangt, dass der Widerspruch keine Aussicht auf Erfolg habe, und er sei zurückgezogen worden. Aus Sicht der Verwaltung passe alles. Es stehe aber jedem frei, den juristischen Weg zu beschreiten, so Parschat.
„Wir werden klagen“, opponiert Franz Hamann von Link und fügt an: „Lärm ist Körperverletzung.“ Link-Vorsitzender Michael Scholtz bedauere, „dass es eine juristische Klärung braucht“. Er wünsche sich für die Veranstaltung, „dass mit gegenseitigem Respekt darauf geachtet wird, dass es zu aller Zufriedenheit läuft“.
Es bestehe auch Sorge um die Sicherheit
Anwohner Fred Schmid dankt hingegen für die Gassenfreitage. Es sei eine „tolle Geschichte“. Mitnichten seien alle Niederbürgler dagegen. Dies seien Einzelmeinungen. Peter Tschischak widerspricht. Seine große Sorge ist das Thema Sicherheit angesichts der drängenden Enge insbesondere in der Inselgasse.
Auch andere Anwesende berichten, dass es ihnen kaum möglich sei, in ihre Häuser zu gelangen. Tschischak beschäftigt die Frage, ob die Blaulichtorganisationen ihre Hilfsfrist einhalten könnten, wenn es in der Niederburg einen Einsatz gebe, und kommt auf den Anschlag in Magdeburg zu sprechen.
„Wir stehen mit den Behörden in engem Austausch“, erklärt Rolf Huesgen. Erst im November habe wieder ein Gespräch stattgefunden. „Das Sicherheitskonzept wird überarbeitet. Das steht an“, so Huesgen.
Bei jeder Genehmigung von Großveranstaltungen würden die Maßnahmen überprüft und die Sicherheitskonzepte nachgesteuert, bestätigt Bettina Parschat. „Magdeburg beschäftigt uns alle“, fügt sie an. Nach dem Brand in der Zollernstraße hätte die Verwaltung auch die Gassenfreitage ins Visier genommen. „Die Feuerwehr ist überzeugt, dass die Hilfsfrist eingehalten werden kann“, berichtet Parschat.

Sie stellt aber auch klar: „Absolute Sicherheit wird es nie geben können. Unsere Aufgabe ist es, Risiken zu erkennen und bestmögliche Maßnahmen zum Gegensteuern zu ergreifen.“ Sie erklärt, dass das Sicherheitskonzept für die Gassenfreitage fortgeschrieben werden müsse. Von Unwetterereignis bis Amoklage – derartige Szenarien würden mit den Veranstaltern durchgespielt, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Früher war alles besser
Einige Anwohner sehnen sich nach den Anfängen zurück. Die Gassenfreitage seien anfangs klein und gemütlich gewesen, allerdings habe sich das Nachbarschaftsfest zu einem Volksfest entwickelt, wo es einigen nun „zu voll und zu fremd“ sei.
Niederbürgler Andreas Fritz ruft die 90er-Jahre in Erinnerung: „Die Niederburg war ein Jammertal.“ Ziel der Gassenfreitage gewesen, die Niederburg wieder ins Bewusstsein der Bürger zu rücken, damit mehr Leben in dem Stadtteil und den Geschäften herrsche. „Wir sprechen über drei Stunden Aktivität sechsmal im Jahr, 18 Stunden Musik-Unterhaltung“, formuliert Andreas Fritz.
Das Aus steht nicht zur Debatte
Auch wenn die Wogen zeitweise hochschlagen, wird an diesem Abend eines deutlich: Der Wunsch nach einem verträglichen Miteinander, etwas weniger Lärm und eine Entzerrung der Massen. Von einem gänzlichen Verzicht ist nicht die Rede. So kommt von Renate Tschischak aus den Reihen der Anwohner der Vorschlag, die Veranstaltungsreihe auf vier Abende zu reduzieren und dafür ein Nachbarschaftsfrühstück auszurichten.
Dem Verein Niederburg Vital sind die Engstellen, wo sich die Menschen drängen, nicht entgangen. „Wir reden auch vom Bermudadreieck“, bekennt Rolf Huesgen. Die Gruppe habe bereits überlegt, in der Inselgasse auf Musik zu verzichten, „aber wir haben es uns noch nicht getraut“, so Huesgen, der anmerkt: „Aber einen Versuch wäre es wert.“