„Ich will, dass alle Menschen in Konstanz auch so ein Angebot bekommen“, ruft die 21-jährige Nikki Frey im November lautstark einer Gruppe von Demonstrierenden zu. Auf dem Konstanzer Bodanplatz schildert sie an dem Tag ihre Transidentitätsgeschichte auf der Kundgebung „Jugend braucht Queer“.

Sie berichtet, dass ihr während der Pandemie klar wurde, dass sie sich mit ihrem Geschlecht nicht mehr identifizieren kann. Durch eine Beratungsstelle in München habe sie es aber geschafft, sich selbst zu akzeptieren und Menschen in ihrem Umfeld davon zu erzählen. Ihre Erfahrung steht stellvertretend für die vieler junger Menschen hierzulande, die sich mehr Unterstützung von der Politik bei diesem Thema versprechen.

Die Idee einer queeren Beratungsstelle in Konstanz

Im Gespräch ist eine solche Beratungsstelle für queere Jugendliche auch in Konstanz bereits seit Mai 2022. Zu diesem Zeitpunkt beantragte die Mobile Jugendarbeit Konstanz finanzielle Mittel, um ihre Mitarbeiter im Umgang mit queeren Jugendlichen zu schulen. Ein Jahr später trug die soziale Einrichtung das Thema schließlich in den Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats, um über eine Einführung eines solchen Angebots zu sprechen.

Unterstützt wurde der Vorschlag damals von Julika Funk von der Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz, die Ende 2023 eine Umfrage zu dem Thema durchführte. Das Ergebnis: Zwar sehen rund 83 Prozent der angefragten Institutionen und Personen einen Anstieg von jugendlichen, queeren Anfragen, aber nur ein Viertel gab an, adäquate Unterstützung dafür leisten zu können.

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Darum ist eine Beratungsstelle wichtig

Das Angebot der Mobilen Jugendarbeit bezog sich damals auf Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren. Laut Projektbericht, weil bereits queere Gemeinschaften existieren, an die sich junge Menschen und Studierende wenden können. Ein ähnliches Angebot für Minderjährige gab es zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht.

Julika Funk von der Chancengleichheitsstelle verdeutlicht diesen Aspekt: „Der Queer Skate Club war mit einer Minderjährigen konfrontiert, die sich in einer schwierigen Lebenslage befand.“ Laut Funk war die Gruppe daraufhin unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Auch Burkhard Lehner vom Queer Netzwerk Konstanz betont: „Gerade für junge queere Menschen ist der Bedarf an Beratung sehr hoch, da sie vulnerabel sind und oft keine Ansprechperson haben.“

„Wir waren im Vorfeld bei der CDU und den Freien Wähler und haben ihnen die Dringlichkeit des Themas näher gebracht“, sagt Burkhard Lehner.
„Wir waren im Vorfeld bei der CDU und den Freien Wähler und haben ihnen die Dringlichkeit des Themas näher gebracht“, sagt Burkhard Lehner. | Bild: Simon Conrads

Dass der Umgang mit der eigenen geschlechtlichen Identität schwierig sein kann, wird auch an den Beiträgen auf der Kundgebung „Jugend braucht Queer“ im November deutlich. So erzählt Nikki Frey, dass sie nach Angst und Selbstzweifel eine Trans-Beratungsstelle aufsuchte und dort gut beraten wurde. „Ohne die Beratungsstelle wär ich nicht da, wo ich jetzt bin“, ist sie sich sicher. Gegenüber dem SÜDKURIER betont sie: „Es ist nicht so, dass bei einer Beratungsstelle gesagt wird, wie man zu sein hat. Es geht darum, Hilfe zu bekommen bei der Suche nach dem, wer man selber wirklich ist.“

Queer Netzwerk Konstanz sieht sich auf „gutem Weg“

Bis es aber in Konstanz dazu kommt, dass Jugendliche sich zu queeren Themen persönlich beraten und informieren können, könnte es noch dauern. Ein breites Fraktionsbündnis hat das Thema nun in den Jugendhilfeausschuss des Kreistages gebracht, wo es am 18. November diskutiert wurde.

Hier stand ein vom Queer Netzwerk Konstanz vorgelegtes Konzeptpapier zur Debatte. „Wir waren im Vorfeld bei der CDU und den Freien Wähler und haben ihnen die Dringlichkeit des Themas näher gebracht“, so Burkhard Lehner über die Mehrheitsfindung im Jugendhilfeausschuss des Kreistags.

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Das Ergebnis des Ausschusses ist laut Lehner ein Kompromiss: Die Verwaltung wurde beauftragt, ein Alternativkonzept zu erarbeiten, das in der nächsten Sitzung besprochen werden soll. Darauf hätten sich 17 von 18 stimmberechtigten Mitglieder geeinigt. Für das Queer Netzwerk Konstanz ist das ein Erfolg: „Wir sind auf einem guten Weg“, resümiert Burkhard Lehner.