Eigentlich sollte die Pride-Flagge, die im Zuge einer Inklusionsveranstaltung an der Pädagogischen Hochschule (PH) Thurgau gehisst wurde, ein Zeichen gesellschaftlicher Akzeptanz sein. Ein Zeichen, das – wie die Thurgauer Zeitung berichtet – nur kurze Zeit später für eine Diskussion ungeahnten Ausmaßes sorgen sollte.

Denn für Hermann Lei, Fraktionspräsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), stellte die Fahne vor allem eines dar: einen Widerspruch zum Lehrauftrag der Hochschule. Dieser sei es nämlich politisch neutrale Lehrkräfte auszubilden. Folglich wütete Lei in einer Kantonsratssitzung weiter über das Hissen der Flagge: „Das ist ein schwerer Verstoß, und wir haben die Verantwortlichen aufgefordert, diese Fahne zu entfernen.“

PH Thurgau möchte Zeichen für Diversität setzen

Die Verantwortliche, PH-Rektorin Sabina Larcher, kann Lei sogar in einem Punkt zustimmen – der Auftrag der Hochschule sei selbstverständlich ein politisch neutraler. In Konflikt mit einer Pride-Fahne gerate er aber nicht, da man die Studierenden auf einen möglichst inklusiven Unterricht vorbereiten möchte.

„Wir gehen von einem weitgefassten Begriff von Inklusion und Vielfalt aus, deshalb stellt es für uns keinen Widerspruch dar, die Veranstaltung Anfang Juni mit dem Pride-Monat Juni zu verknüpfen und ein Zeichen für Diversität zu setzen“, so Larcher.

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Zoey Gebert leitet die Hochschulgruppe Uniqueer, die einen wöchentlichen Treffpunkt für hauptsächlich queere Menschen organisiert. Die Debatte, die die Pride-Flagge in Kreuzlingen auslöste, überrascht Gebert nicht. Sie berichtet, dass es bereits in vielen Ländern, unter anderem auch Deutschland, zu ähnlichen Situationen gekommen sei.

Für Gebert stellen solche Diskussionen „die Politisierung eines Themas dar, das nicht politisch sein müsste“. Die Pride-Flagge repräsentiert für die Studentin lediglich eine Gruppe an Menschen, die dadurch Sichtbarkeit erlangt – mit Politik habe das nichts zu tun.

Zoey Gebert leitet die Hochschulgruppe Uniqueer. Für die Studentin stellt der Vorfall in Kreuzlingen „die Politisierung eines Themas ...
Zoey Gebert leitet die Hochschulgruppe Uniqueer. Für die Studentin stellt der Vorfall in Kreuzlingen „die Politisierung eines Themas dar, das nicht politisch sein müsste“. | Bild: Jonas Bernauer

Keine Flaggen an der Universität Konstanz

Zu einer solchen Flaggen-Diskussion kann es an der Universität Konstanz aus einem einfachen Grund gar nicht erst kommen: „Wir hissen grundsätzlich keine Flaggen. Wir haben auch gar keine Flaggenmasten an unserer Universität“, erklärt Rektorin Katharina Holzinger. Denn als Institution verfolge man das Ziel, sich weltanschaulich neutral zu verhalten.

„Wir hissen grundsätzlich keine Flaggen“, sagt Katharina Holzinger, Rektorin der Universität Konstanz.
„Wir hissen grundsätzlich keine Flaggen“, sagt Katharina Holzinger, Rektorin der Universität Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Dass die Universität sich aber klar für Diversität und auch den Schutz des einzelnen Individuums ausspreche, macht Dirk Leuffen klar. „Wir stellen uns entschieden gegen jegliche Form der Diskriminierung und werden diese auch sanktionieren“, so der Prorektor.

Dies sollen auch die Banner mit der Aufschrift „Say No to Discrimination“ deutlich machen, die seit einiger Zeit auf dem Campus zu sehen sind. Als Reaktion auf antisemitische Graffiti, die im März dieses Jahres an Wände der Universität gesprüht worden waren, habe man sich entschieden, so ein Zeichen zu setzen, erklärt das Rektoren-Duo.

„Say No to Discrimination“ bedeutet auf Deutsch „Sag Nein zu Diskriminierung“. Die Universitätsleitung möchte mit Plakaten ein Zeichen ...
„Say No to Discrimination“ bedeutet auf Deutsch „Sag Nein zu Diskriminierung“. Die Universitätsleitung möchte mit Plakaten ein Zeichen setzen. | Bild: Jonas Bernauer

Zeichen der Stadt auf der alten Rheinbrücke

Während es an der Universität keine Flaggen gibt, sind sie von der alten Rheinbrücke kaum noch wegzudenken. Hier hisste Konstanz 2020 als erste deutsche Stadt dauerhaft auch eine Regenbogenflagge. „Als Willkommensgruß und als Zeichen dafür, dass Konstanz eine weltoffene und tolerante Stadt ist“, habe sie dort drei Jahre lang geweht, heißt es auf der Internetseite der Stadt.

2023 wurde die Regenbogenfahne dann durch die „Inter* Inclusive Pride“-Flagge“ ersetzt, die die Stadtverwaltung als „weitreichender und inklusiver“ sieht. Oberbürgermeister Uli Burchardt wird auf der Homepage wie folgt zitiert: „Konstanz ist unsere Heimat, die gerade in ihrer Vielfalt so liebenswert ist.“

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Sichtbarkeit kann zu Normalisierung führen

Als Gebert 2022 mit dem Bus über die alte Rheinbrücke fuhr und die Regenbogenflagge das erste Mal sah, war ihre Reaktion: „Oh, das ist schön. Wir werden gesehen und mitgedacht.“ Die Sichtbarkeit, die queere Menschen so erlangen, sei sehr wichtig, erklärt die Studentin, da sie zu einer Normalisierung beitrage. Auf lange Sicht könne dies zu einem Wandel und zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz queerer Menschen führen.

Gebert macht deutlich, dass alleine das Aufhängen einer Fahne aber noch lange keinen Wandel herbeiführe, und übt auch Kritik an der Stadt. So hätten andere Städte bereits deutlich früher beispielsweise in Beratungsstellen für queere Jugendliche investiert – in Konstanz sei das Angebot noch ausbaufähig, findet die 27-Jährige. Dass nahezu alle ihrer queeren Freunde Konstanz nach dem Studium verlassen möchten, wundert Gebert deshalb nur bedingt.