Obstler hat einen bescheidenen Ruf. „Völlig zu Unrecht“, opponiert Benjamin Fuchs vom Obstbaubetrieb Fuchshof in Oberdorf. „Noch immer hat der Obstbrand ein Alt-Männer-Image unter dem Motto: Augen zu und runter. Dabei ist es ein sehr spannendes Feld, wenn man sich an besseren Qualitäten orientiert.“
Der 31-Jährige muss es wissen, schließlich hat der Familienbetrieb seit Jahrzehnten das Brennrecht und stellt Brände her. Auch Benjamin Fuchs hat Erfahrung und eine Weiterbildung zum Edelbrand-Sommelier absolviert.
„Bei Familienfesten ist es bei uns üblich, dass man nach dem Essen einen Schnaps trinkt“, erzählt Benjamin Fuchs. Dass derartige hochprozentige Getränke nicht überall beliebt sind, hat Fuchs während seines Studiums zum Bachelor auf Science Gartenbau festgestellt.
„Da wird der Wein zu Tode diskutiert...“
Seinen Kommilitonen offerierte er zuweilen gerne einen Obstler, stieß damit aber oft auf Ablehnung. Er forderte sie auf, wenigstens zu probieren und blickte letztlich in staunende Gesichter. Bereits während seiner Studienzeit lernte er viel über alkoholische Getränke, denn unter den Mitstudierenden waren auch einige Winzer, die ihn zuweilen zu Weinverkostungen einluden.
Der einzige Nachteil: „Mit denen konntest du nie in Ruhe ein Viertele trinken. Da wird der Wein zu Tode diskutiert und alles bis aufs Letzte analysiert“, schmunzelt Benjamin Fuchs. Dass er selbst zu einem Experten – allerdings einer anderen Fachrichtung – werden würde, ahnte er damals noch nicht.
Den Ausschlag gab Benjamins Vater Heinrich Fuchs, der im Jahr 2009 die Weiterbildung zum Edelbrand-Sommelier absolvierte und zuhause berichtete, was das Interesse des Filius weckte. Dann nahm er an einem Whisky-Tasting teil. „Außer Jacky-Cola“ hatte er seinerzeit noch keinerlei Whisky-Erfahrungen. Es war das erste Mal, dass er echte schottische Whiskys kennenlernte und feststellte: „Es gibt eine große Bandbreite.“
Als Benjamin Fuchs letztlich im Familienbetrieb arbeitete, regte sein Vater an, Benjamin solle doch auch die Weiterbildung absolvieren. Gesagt – getan, und Benjamin Fuchs schwärmt heute noch von den Erlebnissen des Kurses im Jahr 2017, obwohl es kein Zuckerschlecken gewesen sei, sondern harte Arbeit.
65 Brände in von zwei Tagen verköstigt
„Sommelier kennt man vom Wein“, so Benjamin Fuchs. Hauptsächlich gehe es darum, anderen Weine näherzubringen oder eine Weinempfehlung zum Essen geben zu können. „Beim Edelbrand-Sommelier geht es stark um die Sensorik, um die Brände bewerten und beschreiben zu können, andere heranführen zu können, Fehler zu erkennen und herauszufinden, woher diese kommen“, beschreibt Benjamin Fuchs. Spannende Themen, vor allem für all jene, die selber brennen. Sensorik-Schulung sei ein durchgängiges Üben des bewussten Riechens und Schmeckens.
Unvergesslich ist ihm, wie sie an zwei Tagen 65 Brände verkosten mussten. Benjamin Fuchs lacht und beantwortet sofort die unausgesprochene Frage nach der vermeintlichen Alkoholvergiftung. „Die vielen Brände trinkt man natürlich nicht, sondern spuckt alles aus.“ Eine solche Verkostung sei „unheimlich anstrengend, denn man muss die einzelnen Brände analytisch bewerten. Man muss die Aromen herausfinden und beschreiben. Da muss man sich wirklich konzentrieren.“
Benjamin Fuchs brennt für das Thema
Die Weiterbildung hat Benjamin Fuchs viel Spaß gemacht: „Man brennt dann für das Thema, denn wir haben tiefgehende Fachinformationen zu Spirituosen weltweit bekommen.“ Der damalige Ausbildungsleiter war Arthur Nägele. „Er ist als Juror weltweit unterwegs, kennt die Destillatszene und die unterschiedlichen Herstellungsweisen“, berichtet Benjamin Fuchs.
Anschaulich habe Nägele erläutern können, wie auf Kuba Rum gebrannt wird oder welche Unterschiede es bei der Herstellung von Cognac im Gegensatz zum Armagnac gibt.
Bei der Prüfung zum Edelbrandsommelier musste Benjamin Fuchs nicht nur drei Edelbrände erkennen und beschreiben, sondern auch eine schriftliche Prüfung ablegen. „Beim Thema waren wir relativ frei“, so Fuchs, der einen Gin kreierte – von Rezeptur über Kostenkalkulation bis hin zur Marketingstrategie. Dieser spezielle Gin, der das Edelbrandsortiment der Familie Fuchs bereichert, findet seither nicht nur im Hofladen des Fuchshof guten Absatz.
Einer von Benjamin Fuchs weiteren Lieblingsbränden aus eigener Herstellung ist der Quittenbrand, denn: „Er hat ein unheimlich intensives florales Rosenaroma und ist damit weit weg vom Ausgangsprodukt“, beschreibt er und stellt damit unter Beweis, mit welcher Leidenschaft, Hingabe und Begeisterung er über Edelbrände spricht.
Ein spezieller Obstbrand für die Damenwelt
Verkostungen führt er selbstverständlich durch, wobei er die Interessierten nicht nur mit dem jeweiligen Brand, sondern auch mit der Geschichte rund um das Thema Brennrecht und Herstellung auf unterhaltsame Weise vertraut macht. Dabei bekommt er wiederum Inspirationen von den Teilnehmern.
Beispiel: Bei Verkostungen in der Besenwirtschaft des Fuchshofes seien die Damen in der Regel nicht allzu begeistert. Schnaps ist ihnen meist zu stark, Likör hingegen zu süß. Familie Fuchs hat das Problem auf ihre Weise gelöst: „Wir haben den Ladys Williams kreiert, einen feinen Obstbrand mit Fruchtauszug.“
Fuchs liebt das Experimentieren, auch wenn mancher Versuch scheitert. Einst stellte er einen Hefebrand her, den er als Mitglied zur Jahreshauptversammlung des Vereins Deutscher Edelbrandsommeliers mitnahm. Das Urteil der Fachkollegen war vernichtend. Benjamin Fuchs lernte dabei aber, was er falsch gemacht hatte und weiß jetzt, wie er es besser machen kann. Das Thema sei auf Wiedervorlage.
Rum darf Benjamin Fuchs nicht brennen
Wie es mit einem Rum aus eigener Herstellung aussieht? „Würde ich gerne, darf ich aber nicht“, sagt Benjamin Fuchs und verweist auf das Brennrecht. „Wir haben eine Liste an Stoffen, die wir brennen dürfen. Zuckerrohr ist leider nicht drauf. Das dürfen nur Großbrennereien, die ein anderes Brennrecht haben.“
Dafür liebäugelt Benjamin Fuchs mit der Whisky-Herstellung, einer nicht unbeträchtlichen Herausforderung, denn: „Das Problem ist: Wenn ich den Brand habe, weiß ich noch lange nicht, ob er gelungen ist. Er muss erst noch mindestens drei Jahre im Holzfass gelagert werden. In dieser Zeit verändert er sich stark“, so der junge Fachmann. Erst dann könne man sagen, ob er gut sei, oder sich eher zum Fensterputzen eigne.