Mit einer kleinen gelben Karte in der Hand eilt der Konstanzer Walter Fürst in die Postbank-Filiale auf der Marktstätte. Kurz darauf kommt er wieder heraus – jetzt mit einem kleinen braunen Paket. Das wollte er eigentlich nach Hause ins Paradies geliefert bekommen, doch da Fürst zu dem Zeitpunkt nicht da war, legte ihm der Postbote den Abholschein in den Briefkasten.

Der Konstanzer hatte bisher nach eigenen Angaben keine Probleme mit der Paketzustellung. Damit ist er fast schon so etwas wie eine Ausnahme. DHL, Hermes, DPD und Co. haben in den zurückliegenden Wochen vermehrt für Ärger bei Konstanzer Kunden gesorgt.

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Einwerfen statt Klingel drücken

Viele berichten, Zusteller würden nicht mehr klingeln, sondern stattdessen direkt die Abholscheine in den Briefkasten werfen. Am Ende hat also der Kunde die Rennerei, die er sich mit der Onlinebestellung eigentlich sparen wollte.

Diese Praxis kennt auch der 60-jährige Heiko Barth. Er habe sich vor kurzem eine 23 Kilogramm schwere Bügelstation gekauft, berichtet er. Um das Paket nicht schleppen zu müssen, ließ er sich das Gerät nach Hause ins benachbarte Tägerwilen schicken – denn DHL liefert auch in die Schweiz.

Doch statt seiner Bügelstation fand Barth die gefürchtete Benachrichtigungskarte im Briefkasten. Auf der stand „Eine persönliche Zustellung war leider nicht möglich“ – und das, obwohl er den ganzen Tag zuhause gewesen sei.

In einem Studentenwohnheim im Paradies werden Abholscheine auch mal auf den Treppen abgelegt – obwohl DHL angibt, Zusteller würden ...
In einem Studentenwohnheim im Paradies werden Abholscheine auch mal auf den Treppen abgelegt – obwohl DHL angibt, Zusteller würden die Karte nur in sichere Hausbriefkästen einwerfen. | Bild: Sara Gugliemino

Rund 45.000 Beschwerden

Die Probleme mit den Paketlieferdiensten spiegeln sich bundesweit wider: Bei der Bundesnetzagentur, die als zentrale Infrastrukturbehörde für Energie, Telekommunikation, Post und Eisenbahn zuständig ist, gingen 2022 rund 45.000 Beschwerden über die Post ein. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Über 90 Prozent beziehen sich dabei auf den Marktführer Deutsche Post DHL Group.

Klaus-Dieter Nawrath, ein Sprecher des Unternehmens, erklärt sich die hohe Zahl an Beschwerden einerseits mit dem erhöhten Paket- und Briefaufkommen während der Weihnachtszeit, das an den stärksten Tagen bei 80 Prozent über dem Durchschnitt gelegen habe. Er räumt allerdings auch Probleme wie einen hohen Krankenstand und Personalmangel ein.

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Der Verdacht liegt nahe, Zusteller würden durch das Einwerfen der Abholscheine versuchen, Zeit einzusparen, um die Liefertouren innerhalb ihrer Arbeitszeit zu schaffen.

Auch enge Gassen machen Probleme

Ein DHL-Zusteller, der Pakete in der Altstadt ausliefert, zum Schutz seines Arbeitsplatzes hier aber ausnahmsweise anonym bleibt, hat teilweise Verständnis für diese Praxis. Er selbst habe zwar keine Zeitprobleme, da er hauptsächlich Pakete an Geschäfte liefert, die meist offen stehen und sich im Erdgeschoss befinden, sagt er dem SÜDKURIER.

Er wisse allerdings, dass das Treppensteigen in großen Wohnhäusern mit mehreren Stockwerken, das Klingeln und das Warten an der Tür viel Zeit kosteten. Zusätzlich hätten es Paketzusteller mit ihren großen Lieferwagen in den teilweise engen Gassen schwer.

Ein DHL-Fahrzeug bringt Pakete zur Abholung in die Filiale in die Hüetlinstraße in der Konstanzer Altstadt.
Ein DHL-Fahrzeug bringt Pakete zur Abholung in die Filiale in die Hüetlinstraße in der Konstanzer Altstadt. | Bild: Sara Guglielmino

Laut der PUDLV – der Post-Universaldienstleistungsverordnung – muss es der Bote mindestens einmal pro Werktag persönlich mit der Zustellung versuchen, solange kein Ablegeort bei der Bestellung hinterlegt wurde. Alternativ könnten Pakete auch an eine andere Person desselben Haushalts oder an einen Nachbarn überreicht werden.

„Dennoch gibt es kein gesetzliches Instrumentarium, mit dem ein Postdienstleister im Einzelfall durch eine behördliche Anordnung oder Ähnliches zur Erbringung einer bestimmten Qualität verpflichtet werden kann“, sagt Judith Henke, eine Sprecherin der Bundesnetzagentur.

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Probleme auch bei anderen

Obwohl sich der Großteil der Beschwerden an den Marktführer Deutsche Post DHL richtete, kam es bundesweit auch bei Wettbewerbern wie Hermes, DPD und UPS zu Zustellungsproblemen.

Sprecher der DPD Group und der Hermes Germany GmbH geben allerdings an, dass es keinen Grund zur Besorgnis gibt. „Wir können für Konstanz nach Rücksprache mit den Kollegen vor Ort in der Gesamtschau keinen außerordentlichen Anstieg von Zustellproblemen bestätigen“, sagt beispielsweise Hermes-Sprecherin Julia Kühnemuth.

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Abholung teurer als Ware

Heiko Barth berichtet ebenfalls, keine Probleme mit Diensten wie DPD zu haben. Das könnte daran liegen, dass das Unternehmen über deutlich weniger Abholstellen verfügt als der Branchenprimus – also weniger dazu neigt, diese Abkürzung zu nehmen.

Das führt aber auch zu Kuriositäten wie in Litzelstetten. Ein Empfänger erhielt dort die Benachrichtigung von DPD, sein Paket (Warenwert rund 12 Euro) sei zum Abholen bereit gelegt worden – in Überlingen auf der anderen Seeseite. Kosten allein für die Autofähre dorthin: 25,20 Euro.