Bei der Spitalstiftung zählen auch ethische Werte. Denn sie wirtschaftet nach der Gemeinwohl-Ökonomie. Das heißt: Sie achtet darauf, welche Folgen ihr betriebliches Handeln auf Mensch, Umwelt und Gesellschaft hat. Nach diesen Idealen wäre der biologische Weinbau auf den rund 20 Hektar Rebflächen der Stiftung sinnvoll. Doch diesen gibt es auf einem Großteil der Gebiete nicht. Die Stiftung verpflichtet die Pächter auch nicht dazu.
Warum? Sprecherin Sabine Schilling erklärt: Die Umstellung auf den biologischen Anbau im Hauruck-Verfahren könnte die Pächter ruinieren – und die Stiftung dazu. Der Bund für Natur und Umweltschutz (BUND) kann diese Argumentation nachvollziehen. Grundsätzlich, so räumt auch Sabine Schilling ein, würde sich der Bio-Weinbau mit den Zielen der Gemeinwohl-Ökonomie decken. Denn dieser vermeidet synthetische Pestizide, schont Gewässer und Kleinlebewesen im Boden.
Doch der Zwang zu Bio, so sagt sie, könnte verheerende Folgen haben. „Die Erlöse aus der Verpachtung dienen unserem Stiftungszweck – der Förderung von Pflege und Gesundheit in Konstanz. Wenn Winzer keinen Ertrag erzielen, sind sie irgendwann pleite. Damit ist auch die ökonomische Nachhaltigkeit des Systems vorbei.“

Pilze haben bereits 2021 ganze Bio-Ernten vernichtet
Ist das nicht übertrieben? Nein, sagt Sabine Schilling. Knackpunkt seien die Reben auf den Hügeln der Spitalstiftung, also die Müller-Thurgau- und Spätburgunder-Bestände. Sie können leicht 40 Jahre alt werden, sind aber anfällig für Pilze. Diese ließen sich mit den Mitteln des Bioanbaus kaum bekämpfen. Starke Infektionsjahre könnten die Stöcke ruinieren, sagt Sabine Schilling. Der biologische Anbau setzt Sorten voraus, die besonders widerstandsfähig gegen Pilze sind. Die gibt es.
Bei Neu- und Nachpflanzungen sollen diese nach Möglichkeit verwendet werden, sagt Schilling. Es gibt allerdings besondere Risiken durch den Klimawandel. Längere Feuchtperioden förderten die durch Pilze ausgelöste Pflanzenkrankheit falscher Mehltau. Biowinzer hätten oft Schwierigkeiten, diesen mit den zugelassenen Mitteln zu bekämpfen. Sabine Schilling sagt dazu: Im Jahr 2021 hätten die Pilze in deutschen Bio-Lagen ganze Ernten vernichtet.
Sabine Schilling: „Der Weg in Richtung Bio ist richtig“
Die Spitalstiftung lege keine feste Prozentzahl für den Bioanbau fest. Vielmehr erfolge eine Abstimmung mit den Pächtern. Diese lassen die Spitalstiftung sprechen. Das Fazit von Sabine Schilling: „Der Weg in Richtung Bio ist richtig, aber der Pfad muss breit genug sein, damit weder Rebstöcke auf der Strecke bleiben, noch die Pflege der Spitalstiftung.“ Trotz aller Risiken, die Spitalwinzer haben einen bioähnlichen Anbau und planen einen Ökoversuch.
Seit Januar 2024 bewirtschaften die Pächter der Spitalkellerei am Hafner in Wollmatingen rund 3000 Quadratmeter Rebfläche mit pilzresistenten Rebsorten, so Schilling. Im Gewann Sierenmoos sei eine Versuchsfläche vorgesehen, für die es eine Bio-Zertifizierung geben solle. Für den konventionellen Anbau gelte: Dünger und Pflanzenschutzmittel seien biologisch abbaubar, es würden die Vorschriften für den Natur- und Pflanzenschutz, Boden- und Gewässerschutz eingehalten. Die Winzer verzichten seit Mitte des Jahres 2019 vollständig auf den Unkrautvernichter Glyphosat.
Kein Grabenkampf zwischen Winzern und Naturschützern
Der Umbau auf Bio geht nicht von heute auf morgen, sagt auch Jarid Zimmermann, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Konstanz. Er will keinen Grabenkampf zwischen Landwirten und Naturschützern. „Der Wechsel geht mit großen Investitionen und Unsicherheiten einher und dauert meist mehrere Jahre.“ Er ermutigt dazu, langfristig in den Erhalt der Lebensgrundlagen zu investieren.
Einige Winzer in der Region hätten das schon getan. Aktuell aber sind die Rahmenbedingungen nicht gut: „Generell ist wohl die wirtschaftliche Stimmung im Weinanbau, auch am Bodensee, nicht optimal. Die Weinnachfrage ist derzeit nicht besonders hoch im Vergleich zu früheren Jahrzehnten“, sagt Zimmermann. „Es gibt aber zum Glück für die lange Frist viele tolle Lösungen.“

Müller-Thurgau ist anfällig für Pilzkrankheiten, so Zimmermann
Zu den Weinbergen der Spitalstiftung sagt er: Angesichts des Kapitals dort sei die wirtschaftliche Argumentation nachvollziehbar. „Ob es bei einem Umstieg auf Bio zum Verlust von Rebstöcken kommt, ist nicht klar, aber angesichts der Rebsorte gut vorstellbar.“ Zimmermann plädiert für den verstärkten Anbau von Sorten, die gegenüber Pilzkrankheiten besonders widerstandsfähig sind. Ungünstig sei die Rebe Müller-Thurgau, sie sei anfällig für Pilzkrankheiten.
Besser sei da die Sorte Souvignier Gris, die erfolgreich auf der Insel Reichenau angebaut werde. Der Umbau könne schrittweise auf Teilflächen geschehen. Zimmermann geht aber davon aus, dass die Rebsorte für den Kunden gar nicht so entscheidend ist. Er vermutet: Meist würden Konstanzer Weine gar nicht wegen dieser gekauft, sondern vor allem wegen der Herkunft vom Bodensee.
Grundsätzlich spricht sich Zimmermann dafür aus, vom konventionellen Anbau abzurücken. Er sagt: Lange Zeit galten Fungizide als harmloser als die Mittel, die Insekten und Beikräuter vernichten. Mittel gegen Pilze gelangten aber auch in Gewässer und würden dort zum Problem für Algen, Krebstiere und Fische.
Auch die beim Bioweinbau eingesetzten Kupfer-Präparate hätten negative Auswirkungen. „Hier gilt: Die Dosis macht das Gift.“ Nur größere Mengen seien toxisch, kleinere Mengen aber würden dem Pflanzenalltag entsprechen. Den schlechten Ruf führt er auf die Vergangenheit zurück: „Kupfer-Präparate wurden gerade früher viel im Weinbau eingesetzt und wohl auch verschwenderisch.“