Ein regelrechter Schock war es für Veranstalter und Festival-Gänger, als die Stadtverwaltung das Bodenseestadion nur wenige Tage nach der vergangenen Auflage des Campus-Festivals quasi über Nacht sperrte. Künftige Großveranstaltungen wie das Gute-Zeit-Festival mussten weichen, beispielsweise auf das Areal Klein Venedig. Es war eine Entscheidung, die wohl mehr überfällig als zufällig war.

Der Grund: Mangelhafter Brandschutz, vor allem angesichts der Menschenmassen von über 20.000 Besuchern. Doch offen ist bis heute die Frage, wie es mit dem Stadion langfristig weitergeht und welche Interessen sich dabei durchsetzen werden.

Immerhin: Die Verwaltung und der Gemeinderat haben 2023 umgehend gehandelt und 700.000 Euro für erforderliche Sofortmaßnahmen frei gemacht. Doch was hier gebaut wird, ist keineswegs eine umfassende Generalsanierung, sondern nur eine Minimallösung im Sinne der Sicherheit. Eine Pflasterbehandlung statt einer Frischzellenkur. Denn lediglich Arbeiten im Sinne des (sportlichen) Regelbetriebs sind erfolgt und nur wenig darüber hinaus.

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Immerhin hat die Stadt auch die Löschwasserversorgung im selben Zug zukunftssicher gemacht. Das ist eine gute Nachricht für die Feuerwehr, die Besucher und die Sportler. Es war gut, dass Rat und Verwaltung damals zügig und pragmatisch agiert haben. So hat es immerhin geklappt, dass die Bauarbeiten gerade noch rechtzeitig vor dem diesjährigen Campus-Festival am 10. und 11. Mai abgeschlossen sind. Für dieses eine Mal ist Konstanz nicht der Versuchung erlegen, erst einmal die ganz große Lösung zu suchen. Das ist ermutigend, aber das Bodenseestadion bleibt weiterhin ein Zankapfel.

Denn unbestritten ist: Das fast 100 Jahre alte Stadion, eine der letzten großen, nutzbaren Sport- und Veranstaltungsflächen, wurde zuletzt weniger als ein Ort der Chancen wahrgenommen und mehr als ein Schauplatz des politischen Ränkespiels. Dieses läuft im Hintergrund schon lange – zu lange. Mal war man einer geeigneten Lösung nahe, kurz darauf ferner denn je. Das verwundert nicht: Bei dem Gelände geht es um vielfältige (und teils gegensätzliche) Interessen, um viel Geld und nicht zuletzt um den ewigen Konflikt zwischen Kultur und Sport.

Mehrere Optionen möglich

Denn denkbar sind für das Stadion – mal angenommen, man löse sich von bürokratischen Unwägbarkeiten und politischem Gezerre – gleich mehrere, auch untereinander kombinierbare Szenarien. So könnte die Fläche zukünftig weiterhin als rein sportliche Wettkampfanlage betrieben werden.

Hier stellt sich die Frage, ob Konstanz eine Sportstätte, die für 25.000 Besucher ausgelegt ist, überhaupt jemals wieder benötigen wird. Viel Sport, vor allem im Sinne des Wettkampfbetriebs, wird hier ohnehin nicht mehr getrieben. Und wer eine dann nötige Ertüchtigung eigentlich bezahlen sollte, ist offen. Klar ist dagegen, dass der Stadtsportverband auf die Fläche verzichten könnte. Zumindest dann, wenn es einen adäquaten Ersatz gibt. Das Sportzentrum Wollmatingen könnte dies kompensieren – allerdings auch hier nur mit nötigen Investitionen.

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Eine zweite Lösung wäre die Öffnung für den Breitensport und eventuell zugleich auch für das Veranstaltungsgeschäft. Dies würde das Stadion der ganzen Öffentlichkeit der Konstanzerinnen und Konstanzer zur Verfügung stellen. Im Sommer könnte das Stadion neben dem Hörnle die Besucher sicher zu allerlei sportlicher Betätigung einladen.

Mit etwas Kreativität wären hier auch mannigfaltige, andere Freizeitaktivitäten denkbar. Zusätzlich könnten – mit weiteren, notwendigen Ertüchtigungsmaßnahmen – auch Großveranstaltungen langfristig möglich sein. So würde das Bodenseestadion wieder zur Fläche von den Konstanzern für die Konstanzer. Das Ganze setzt jedoch voraus, das dortige Treiben in geordnete Bahnen zu lenken – sonst drohen Chaos und Konflikte.

Der Gemeinderat muss entscheiden

So wird es für den neuen Gemeinderat gleich eine wichtige Aufgabe sein, die seit Langem gestellte Frage zu klären, wohin Konstanz mit dem kostbaren Areal eigentlich will. Das bedeutet allerdings auch, endlich festzulegen, was man dort eben nicht will – und das mit den jeweiligen Konsequenzen. Bereits im vergangenen Jahr ist klar geworden: Je mehr Kultur hier stattfindet, desto weniger bleibt Raum für den Sport. Ob es hier wirklich einen Kompromiss geben kann, bleibt offen. Ihn gemeinsam und mit echtem Engagement zu suchen, ist der Auftrag an die ganze Stadtgesellschaft. Und übrigens: Dass das nicht einfach wird, ist alles, aber keine Ausrede dafür, sich um eine Entscheidung zu drücken.

Das geht umso besser, je höher der Wille ist, alte Haltungen abzulegen. Denn was sich an der Causa Bodenseestadion eben auch zeigt: In Konstanz wird Kultur sehr unterschiedlich definiert. Eines sollte aber dabei klar sein: Ja, auch ein Campus-Festival, Sommerkonzerte oder ein nischiges Elektro-Festival wie das Gute-Zeit-Festival sind Kulturveranstaltungen – auch wenn ihnen ein Teil der Konstanzer (Hoch-)Kultur-Szene das Prädikat „Kultur“ abspricht. 23.000 einzelne Besucher des Campus-Festivals und die Tausenden Gäste anderer Musikveranstaltungen zeigen das deutlich, auch im Vergleich zu den Abonnentenzahlen von Theater und Philharmonie.

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Die politische Bereitschaft, Hochkultur mit städtischen Geldern zu subventionieren, ist seit Jahrzehnten hoch. Das ist nachvollziehbar und macht unsere Stadt einzigartig. Ebenso sollte aber auch das Ziel sein, eben jener „jungen“ Kultur einen geeigneten Ort langfristig zur Verfügung zu stellen. Das Bodenseestadion bietet diese Chance. Sollte sich mit (guten) Gründen dagegen entschieden werden, braucht es zumindest eine Alternative.