In der Sache herrscht Einigkeit: Es ist gut, wenn die Stadt Konstanz in der Max-Stromeyer-Straße 57 Flüchtlinge unterbringt. Nachdem sie den Vorgaben zunächst hinterherlief, ist die Stadt inzwischen gut geworden darin, möglichst vielen Menschen ein möglichst anständiges Dach über dem Kopf zu geben. Leichtbauhallen wie derzeit noch auf dem Lastwagen-Parkplatz am Stadtrand oder Notunterkünfte in Turnhallen sind in der Stadt mit dem größten Wohnungsmangel am Bodensee nur die allerletzte Option.
So herrscht auch in der Kommunalpolitik durchaus so etwas wie Dankbarkeit, dass die Verwaltung mal wieder eine Möglichkeit aufgetan hat, Menschen unterzubringen, für die Konstanz einen Platz zum Wohnen schaffen muss. In der Max-Stromeyer-Straße 57, neben Rewe und gegenüber vom SÜDKURIER, waren in der Vergangenheit schon mehrere Unternehmen zur Miete. Nun wird – vorübergehend – aus Gewerberaum Wohnraum. Für 150 Menschen, im akuten Krisenfall sogar für mehr.
Den größten Nutzen daraus, auch das bestreitet niemand, ziehen daraus die Geflüchteten, denen eine noch prekärere Unterbringung erspart bleibt. Doch Profiteur ist auch der Vermieter*, der nach Angaben der Stadtverwaltung Erfahrung in Sachen Gewerbeimmobilien hat und das Objekt auch langfristig entwickeln will. Die Firma hat mit der Max-Stromeyer-Straße 57 das direkt verbundene Gebäude mit der Hausnummer 59 gekauft, wo bisher der Schuhmarkt Reno untergebracht war.
Zehn Jahre Laufzeit, mindestens 4,9 Millionen Euro Miete
Für zehn Jahre haben die Investoren nun gesicherte Einnahmen – und die Stadt Konstanz legt dabei alle Zahlen transparent auf den Tisch: Die Grundmiete beträgt 11,50 Euro pro Quadratmeter, mit Nebenkosten und einer Pauschale für die Umbau-Investition des Vermieters 15 Euro. Macht bei 2727,83 Quadratmetern exakt 40.999,10 Euro im Monat. Oder knapp 492.000 Euro im Jahr. Oder fast fünf Millionen Euro über die Vertragslaufzeit. Wahrscheinlich aber mehr, denn die Kaltmiete ohne Nebenkosten ist an die Inflationsrate gekoppelt. All diese Zahlen hat die Stadtverwaltung veröffentlicht.
Für die Stadt kommen noch weitere Kosten dazu, zum Beispiel für den Hausmeister und die Verwaltung, aber auch für die Security. Diese Kosten muss Konstanz aber nicht allein stemmen. Die Stadt bekommt pro Erwachsenem 360 Euro und pro Minderjährigem 170 Euro im Monat erstattet, so dass sich bei Vollbelegung Mietkosten und Erstattung ziemlich genau die Waage halten. Ein Defizit von rund 200.000 Euro im Jahr für alles Drumherum wird die Stadt allerdings selbst tragen müssen.
Das Gebäude wurde eben erst verkauft
Anders sieht die Rechnung für den Vermieter aus, und hier gibt der Zufall einen seltenen Einblick in die Kalkulation. Der Gebäudekomplex Max-Stromeyer-Straße 57/59 wurde nämlich jüngst erst verkauft, und die Stadt hätte dazu auch ihr Vorkaufsrecht ausüben können. Darüber musste der Gemeinderat befinden und dafür die Zahlen kennen. Laut Stadtverwaltung betrug der Kaufpreis für die beiden zusammengebauten Gebäude 4,1 Millionen Euro, ohne Erwerbsnebenkosten.
Der Eigentümer erhält also allein durch die Mietzahlungen der Stadt in weniger als zehn Jahren seine Investitionssumme, ohne Zinsen gerechnet, zurück. Und die Gewerbeflächen in der Max-Stromeyer-Straße 59 kann der Käufer* zusätzlich noch vermieten, es soll dort wieder ein Schuhmarkt einziehen. Das Geschäftsmodell ist deshalb möglich, weil in einem Gewerbegebiet eine Wohnnutzung nur ausnahmsweise erlaubt ist – zum Beispiel für die Unterbringung von Flüchtlingen.
Wäre kaufen nicht günstiger als mieten?
Wäre es also nicht besser, die Stadt würde ihr Vorkaufsrecht ausüben und selbst als Vermieter auftreten, statt die Mieteinnahmen einem Investor zu überlassen? Baudezernat und Wirtschaftsförderung sagen nein, betont Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Denn nach den zehn Jahren wolle der Investor die Immobilie auf jeden Fall für gewerbliche Zwecke weiternutzen, und gewerbliche Immobilien wollen weder Stadt noch Wobak besitzen oder verwalten. Zu schlecht sind damit die Erfahrungen unter anderem in Nachbarstädten – das Drama um die städtische GVV in Singen ist beispielsweise nicht vergessen.

Der Baubürgermeister spricht dann auch von einem „Damoklesschwert“, die Stadt stehe bei der Unterbringung Geflüchteter „sehr stark unter Druck“, und auch im Vergleich zu anderen Immobilien seien die Konditionen in der Max-Stromeyer-Straße 57 sehr in Ordnung. In der Ratsvorlage zu dem Geschäft (Nummer 2023-3423) kommt sogar das Wort „alternativlos“ vor. Handelte er sich um eine Wohnimmobilie, sähe die Sache sicher anders aus, so Langensteiner-Schönborn, da sei die Stadt schon kauffreudiger.
Die Linke Liste machte dennoch einen Anlauf, die Immobilie für die Stadt zu sichern. So komme man ins Eigentum, betonte dazu Stadtrat Simon Pschorr. Auch Anne Mühlhäußer von der Freien Grünen Liste zeigte sich skeptisch, ob nicht ein Kauf die bessere Option sei.

Der Gemeinderat hat dennoch beschlossen, das städtische Vorkaufsrecht nicht auszuüben. Wann in der Max-Stromeyer-Straße 57 die ersten Geflüchteten einziehen, steht noch nicht exakt fest. Zunächst müssen der Investor geschätzte 750.000 Euro für den Innenausbau und Brandschutz und die Stadt 200.000 Euro für die einfache Erstausstattung ausgeben. Ein Bauzaun steht schon einmal auf dem Grundstück.
*An dieser Stelle war zunächst ein Firmenname als Käufer genannt worden. Bei dieser Firma handelt sich es aber um den Verkäufer, was aus den Unterlagen der Stadt Konstanz nicht hervorging. Wir bitten um Entschuldigung, die zunächst genannte Firma erzielt keinen Vorteil durch das Vermietungsgeschäft im Zusammenhang mit Geflüchteten.