Über viele Jahre hat es funktioniert: Eltern bringen nicht mehr gebrauchte Kinderkleidung zum Basar, andere können ihren Nachwuchs günstig und nachhaltig ausstatten. Doch jetzt, sagt Horst Böttinger-Thyssen, geht es einfach nicht mehr. Die Elterninitiative in Dingelsdorf, die die große Kauf- und Verkaufsbörse organisiert hat, sieht sich dazu nicht mehr in der Lage.
Der Grund: neue Brandschutzauflagen. Die hohe Brandlast, die von all der Flohmarktware ausgehe, erfordere zwei zusätzliche Aufsichtspersonen. Und diese Ehrenamtlichen seien nicht zu finden. Wie es mit dem Basar weitergeht, steht in den Sternen. Und die Debatte, ob Veranstaltungen in Konstanz aufgrund hoher Auflagen immer schwieriger in der Umsetzung sind, ist um eine Facette reicher.
Macht die Stadtverwaltung also Feste und Feiern, Basare und Veranstaltungen immer komplizierter? Die Kritik steht im Raum, und die Ratsfraktion von FGL&Grünen hat sie einmal mehr auf die politische Agenda gesetzt. „Es droht, dass wir in unserer Stadt weniger Veranstaltungen und Fest haben“, sagt dazu Stadträtin Dorothee Jacobs-Krahnen. „Wichtige soziale Knotenpunkte“ drohten verloren zu gehen, gerade im nicht-kommerziellen Bereich.

Gerade Vereine können es nicht mehr stemmen, sagt ein Experte
Martin Schröpel, der im Hauptamt das Thema Bürgerengagement koordiniert, sieht die Gefahr ähnlich: Es sei die Summe an kleinen Aufgaben und Verpflichtungen, die gerade kleine und ehrenamtliche Veranstalter zunehmend fordere: „Man steht als Verein vor einer komplexen Aufgabe und zögert dann, sie anzupacken, wenn man nicht genügend Leute hat.“
Christine Barth aus dem Bürgeramt der Stadt sagt, sie könne das alles gut verstehen. Aber dass ihre Behörde Feste und Feiern unnötig schwer mache und die Auflagen immer weiter erhöhe, „dagegen verwahren wir uns insgesamt“. Doch die Dinge sind komplex: Es geht um die Sicherheit des Straßenverkehrs, den Brandschutz und die Vorsorge vor Gewalttaten und Terrorangriffen.
Erst brauchte es Fluchtwege, jetzt Schutz vor Zufahrt
Und wie schnell sich da eine Beurteilung ändern kann, zeigen die sogenannten Überfahrtaten: Standen lange Zeit bei dem, was Experten „Crowd Control“ (also: Beherrschung von Menschenmengen) nennen, offene Fluchtwege im Vordergrund, müssen heute mögliche Zugangswege massiv abgesperrt werden – ein Dilemma, wie auch Hannes Oexl, Stadtrat der Freien Wähler und langjähriger stellvertretender Kommandant der Feuerwehr, sagt.
Der Tag, an dem der Gemeinderat das Thema diskutiert, ist symbolträchtig – es ist der 15. Jahrestag der Katastrophe bei der Love-Parade in Duisburg. Es ist, wie Oberbürgermeister Uli Burchardt sagt, ein Wendepunkt, weil er so deutlich wie nie zuvor die persönliche Verantwortlichkeit von Behördenmitarbeitern zum Thema gemacht hat.

Das hat Folgen, sagt der OB: „Haben wir heute eine Veranstaltung, von der wir sagen würden, da haben wir überreguliert? Meine Arbeitshypothese lautet: Nein.“ Die Menschen erwarteten Sicherheit, und die Behörden täten alles dafür, sie zu gewährleisten und zugleich nicht als Verhinderer dazustehen. Immerhin habe Konstanz so viele Veranstaltungen im öffentlichen Raum wie kaum eine andere Stadt vergleichbarer Größe.
„Das Bürgeramt ist wirklich flexibel“, sagt auch Daniel Hölzle von den Freien Wählern, und CDU-Stadtrat Roger Tscheulin gibt zu bedenken: „Es ist keine Entscheidung des Gemeinderats, welche Sicherheitsvorkehrungen bei welcher Veranstaltung nötig sind.“ So ist die Frage, da herrscht Einmütigkeit zwischen Politik und Verwaltung, welche Veranstaltungen in welcher Größe die Stadt künftig überhaupt noch will. Andreas Hennemann von der SPD wünscht sich dabei auch „Fantasie“ bei den Behörden, während Christine Barth auf Tücken im Detail bei vermeintlich unbürokratischen, einfachen Lösungen hinweist.
Ist der Flohmarkt in dieser Größe überhaupt zu halten?
Ein Beispiel, an dem die Zukunft von Großveranstaltungen diskutiert wird, dürfte dabei der Flohmarkt sein – bei bis 80.000 Besuchern auf einer riesigen, fast unkontrollierbaren Fläche das besucherstärkste Ereignis des Jahres. Das Team der Marketing und Tourismus GmbH (MTK) habe laut OB schon erklärt, das wachse den Veranstaltern inzwischen über den Kopf. Wie ein kleinerer Flohmarkt auf einem kleineren Gelände und geringeren Kosten aussehen könnte, darüber steht die Debatte allerdings erst ganz am Anfang.
Einen ersten Schritt könnte die Verwaltung unterdessen auf dem Stephansplatz machen. Wo an der Fasnacht oder beim Weinfest schon jetzt Tausende feiern, könnte der anstehende Umbau zusätzlich versenkbare Poller bringen. So entstünde das, was als „Sicherer Raum“ bezeichnet wird – der dann vielleicht auch für andere Ereignisse vom Festle bis zur Großkundgebung dienen könnte.
Das Thema bleibt aber in der Diskussion, so der CDU-Stadtrat und Jurist Levin Eisenmann. „Wir haben eine Fürsorgepflicht als Stadt Konstanz“, gibt er zu bedenken, und gerade das Beispiel Gassenfreitag zeige doch, dass die Verwaltung eben nicht als Verhinderer, sondern als Möglichmacher handle. Da stimmt auch Christine Barth vom Bürgeramt zu: „Wir sind gar nicht weit auseinander.“