Es ist eng in der Inselgasse. Eine Band spielt und die Besucher des beliebten Gassenfreitags bleiben stehen. Sich durch die Menschenmasse zu schlängeln, ist eine Kunst. Ähnlich sieht es in anderen Gässchen des ältesten Konstanzer Stadtteils aus. Längst erobern die Gäste der Freiluftveranstaltungen auch die Grünfläche beim Landgericht und einen Teil des Münsterplatzes. Der Gassenfreitag ist Kult geworden und bei den Besuchern sehr beliebt. Zu beliebt und viel zu laut, kritisieren hingegen Anwohner. Und nun?

Opfer des Erfolgs?

Tatsächlich sind die Veranstalter – der Verein Niederburg Vital – ein wenig Opfer des eigenen Erfolgs. Im Jahr 2008 wurden die Gassenfreitage ins Leben gerufen, um die Niederburg, die bis dahin ein Schattendasein fristete, zu beleben und gleichzeitig die Bewohner zusammenzubringen. „Wir haben klein angefangen“, erzählt Rolf Huesgen, Vorsitzender von Niederburg Vital.

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Er gesteht auch ein, dass viele Niederbürgler es bedauerten, dass das Fest nicht mehr so klein und schnuckelig sei, wie in der Anfangszeit. „Es gab spontane Kleinkunstdarbietungen, Jongleure, Improtheater, Zauberer und sogar ich bin mit unserer Stepptanzgruppe aufgetreten“, berichtet Huesgen und sagt: „Leider ist es zu einer Großveranstaltung geworden, was für die Bewohner nicht immer so erfreulich ist.“

Die Geister werden unterhalten

Aber: „Die Nachfrage zeigt: Der Bedarf ist da. Unter dem Strich ist es doch positiv, wenn Menschen zusammenkommen und sich unterhalten – ganz analog“, findet Rolf Huesgen. „Das Event ist eine Erfolgsgeschichte. Wir sind eigentlich zufrieden, dass es eine gesittete, friedliche Veranstaltung ist.“

Woran der Verein nach wie vor arbeite, was allerdings schlecht in den Griff zu bekommen sei, ist die Menge der Besucher. „Vor etwa 21 Uhr ist es überschaubar, dann voll und ab 22 Uhr gehen die Besucher tatsächlich wieder; das habe ich sehr positiv gesehen“, schildert Rolf Huesgen. „Durch die Musik haben sich die Besucher verteilt. Knotenpunkt aber ist die Inselgasse.“

(Archivbild) Im Laufe des Abends wird es in den Gassen immer voller.
(Archivbild) Im Laufe des Abends wird es in den Gassen immer voller. | Bild: Hanser, Oliver/SK-Archiv

„Die Geister, die ich rief“, meint Huesgen und fährt fort: „Jetzt sind sie da. Jetzt müssen wir sie unterhalten. Warum sollten wir sie heimschicken?“ Durch die Gassenfreitage sei die Niederburg wieder bekannt und auch außerhalb der Veranstaltungen belebter, wobei er auch auf neue Angebote in den Ladenlokalen und die Verjüngung von Betreibern hinweist. Ein Zeichen von Lebendigkeit.

Belastung für die Anwohner

Gegen Lebendigkeit sei nichts einzuwenden, aber das Besucheraufkommen sei doch zu viel des Guten, finden viele Anwohner. „Für uns ist es eine starke Belastung“, sagt Peter Tschischak, der in der Niederburg wohnt. „Inzwischen spielen sieben Musikgruppen. Wir können zwei bis drei gleichzeitig hören“, schildert er das akustische Gemisch.

Zwar sei um 22 Uhr Fest- und Musikende, doch tatsächlich würden die Besucher noch weit in die Nacht hinein feiern; zuweilen bis 2 oder 3 Uhr, so Tschischak. Er wünscht sich, dass die Anzahl des „Fests der Wirte“ auf die Hälfte reduziert wird.

Der Lärm sei extrem. Anwohnerin Beatrice Daniel berichtet, die Lärmschutzinitiative habe die Lautstärke an Gassenfreitagen bei den Wohnungen gemessen. Sie spricht von 80 Dezibel. „Jetzt kam eine neue Schikane: Discobeleuchtung“, berichtet sie. Grelles Licht in rhythmischem Wechsel dringe in die Wohnung, zusätzlich zu dem Wummern der basslastigen Musik. „Eine Plage für die Bewohner“, stellt sie fest. Sie und ihr Mann hätten sich nochmals bei der Stadt beschwert.

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„Unsere Nachbarn verreisen an den Gassenfreitagen. Das können wir nicht. Wir sind dem ausgeliefert“, sagt Beatrice Daniel. Eines stellt sie klar, und das ist ihr wichtig: „Wir haben nichts dagegen, wenn die Leute feiern und glücklich sind.“ Aber mehr Rücksicht würde sie sich schon wünschen. Und sie sehnt sich – wie manch anderer – die Anfänge zurück. „Es war schön, als junge Künstler auftraten, statt Disco“, so Daniel. Seinerzeit wäre die Lautstärke auch noch in verträglichem Maß gewesen.

Neben dem störenden Lärm treibt Peter Tschischak eine große Sorge um: das Thema Sicherheit. „Menschenmengen blockieren die Gassen“, schildert der Anwohner und nennt die Inselgasse als Paradebeispiel. „Wir haben Angst, dass die Feuerwehr hier nicht mehr durchkommt, wenn es brennt“, sagt Tschischak. Er fragt sich: „Wird der Bevölkerungsschutz hier niedrig gehängt?“

Es geht um größtmögliche Sicherheit

Das Bürgeramt erteile jedes Jahr eine Sondernutzungserlaubnis für die Gassenfreitage und erlasse in diesem Zug eine Reihe von Auflagen, schreibt die Pressestelle der Stadt Konstanz auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Diese sollen einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen sowie eine geringstmögliche Beeinträchtigung für die dortigen Anwohner sicherstellen“, heißt es.

Das Bürgeramt verstehe sich als Dienstleister, um ein breites Spektrum an Events zu ermöglichen, „unter Gewährleistung der größtmöglichen Sicherheit“ für Besucher, Teilnehmer, Sicherheitskräfte und betroffene Anwohner, heißt es in dem Antwortschreiben. Dies gelte auch für die Gassenfreitage.

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Auf die SÜDKURIER-Anfrage, ob diese Großveranstaltung Sicherheitsrisiken berge, schreibt das Feuerwehramt: „Großveranstaltungen sind immer mit einem gewissen Sicherheitsrisiko behaftet.“ Bevor eine Genehmigung erteilt würde, würden verschiedene Fachämter prüfen und unter Umständen zusätzliche Auflagen machen. So werde versucht, Risiken zu minimieren, so das Feuerwehramt.

„Große Menschenansammlungen bringen gewisse Sicherheitsrisiken mit sich, da das Gruppenverhalten im Falle eines Ereignisses schlecht vorhergesehen werden kann“, schreibt das Feuerwehramt. „Ergänzend spielt natürlich der Konsum von Alkohol eine weitere Rolle“, heißt es abschließend.