„Wir leben noch“, meint Florian Miehle, der gemeinsam mit seiner Frau Christiane in der fünften Familiengeneration das Hotel und Restaurant Barbarossa am Obermarkt in Konstanz führt. Er ist erleichtert, dass Familie und Mitarbeiter gesund sind und dass der Betrieb bislang durch die Krise gekommen ist.
Gleichsam schwingen in dieser Aussage auch Sorgen mit, denn das Betreiber-Ehepaar hat die Last der Verantwortung zu tragen; die Verantwortung für ihre Kinder, für ihre Mitarbeiter und für das Hotel und Restaurant, denn das Familienerbe schätzen sie sehr und wollen es weitere 150 Jahre bestehen wissen.
„Stillstand ist Rückschritt“ – doch große Sprünge sind derzeit nicht möglich
„Der Winter war sehr lange“, seufzt Christiane Miehle, wobei sie weniger auf die Jahreszeit als den langen Lockdown anspielt. Viele Monate ohne Einnahmen, und von der versprochenen Novemberhilfe haben sie noch nichts gesehen.
Gleichzeitig muss aber immer in einen Betrieb investiert werden, denn „Stillstand ist Rückschritt“, wie sie sagt. Nach Rücksprache mit der Familie haben Christiane und Florian Miehle in den Monaten des Lockdowns Luftfilteranlagen angeschafft und in Eigenarbeit Hotelzimmer renoviert.

„In einem alten Haus gibt es immer viel zu tun, aber wir müssen mit Investitionen vorsichtig sein“, so Christiane Miehle, die anfügt: „Bislang haben wir es geschafft, weil wir in den letzten Jahren sparsam waren. Manche Investition – eigentlich wollten wir den Wellness-Bereich in Angriff nehmen – muss erst einmal warten.“
Zu unsicher ist die Zukunft, als dass sie jetzt größere Sprünge machen könnten. Florian Miehle denkt dankbar an das vergangene Jahr zurück: „Dafür, dass es eine verkürzte Saison war, lief es doch recht gut, sonst wären wir in größeren finanziellen Schwierigkeiten und die Situation wäre weitaus bedrohlicher.“
Hotel und Restaurant sind wieder geöffnet: Werden die Gäste kommen?
Zäh war das Warten auf die Beendigung des Lockdowns. Immer wieder die Frage: „Wann können wir starten? Unter welchen Bedingungen? Und: Werden die Gäste kommen?“ Fragen über Fragen, welche sich die Eheleute Miehle dauernd stellten. Dann endlich das Go, aber: „Wir haben hier keinen Taschenladen, den man einfach aufsperren kann und fertig“, gibt Florian Miehle zu bedenken.
Hotel und Restaurant benötigen einen Vorlauf, schließlich müssen Lebensmittel eingekauft werden und vieles mehr. Gleichzeitig muss das Betreiber-Paar wirtschaftlich denken. Wenn sie die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen, dann muss der Betrieb richtig laufen. Auch bei lediglich fünf Gästen muss der gesamte Apparat in Betrieb sein, aber das wäre ein Drauflegegeschäft.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, mit welchen Gedanken sich Hoteliers und Gastronomen derzeit plagen müssen. Aber sie beweisen Mut: Am Freitag, 21. Mai, gingen Hotel und Restaurant Barbarossa wieder an den Start.
Christiane Miehle: „Die Ahnengalerie motiviert mich“
Christiane und Florian Miehle sitzen im Restaurant des historischen Gebäudes, das Kriege, Krisen, Seuchen, Hungersnöte und vieles mehr überstanden hat. An der Wand neben ihnen hängen Porträts von Florian Miehles Vorfahren.
„Die Ahnengalerie motiviert mich“, stellt Christiane Miehle fest, auch wenn es nicht ihre, sondern die Vorfahren ihres Mannes sind, und erklärt: „Sie haben Kriege erlebt und vieles durchstanden. Und ich denke mir, wenn ich das jetzt nicht gescheit mache, dann haben die umsonst gekämpft.“
Das große Vorbild: Großmutter Lore Miehle
Größtes Vorbild von Christiane und Florian Miehle ist seine Großmutter Lore, deren Mann früh gestorben war. Sie betrieb das Hotel alleine weiter und musste für ihre zwei Kinder sorgen. Lebhaft erzählt Christiane Miehle, wie mutig Lore Miehle den Soldaten der französischen Besatzung gegenübertrat, denn das Barbarossa wurde besetzt. Eine starke Frau. „Ich habe wahnsinnig großen Respekt vor ihr“, bekennt Christiane Miehle.
Auch Florian Miehle schöpft Mut, wenn er an sie denkt, und sagt zuweilen zu sich selbst: „Mensch Oma. Du hast es geschafft, da werden wir den blöden Corona-Virus auch überleben.“ Und sie bescheiden sich auf das Wesentliche.

„Bei allem Gejammer: Es geht uns immer noch gut“, sagt Christiane Miehle, und ihr Mann Florian ergänzt, wohlwissend um die prekären Lebensumstände in vielen anderen Ländern: „Wir sind gesund, haben zu essen und zu trinken. Wie gut, dass wir in Deutschland leben.“
Auch die fünfte Generation beweist Mut
Lore Miehle ist ein Vorbild für Christiane und Florian Miehle, dem sie nacheifern. Sie sind mutig. Noch während des Lockdowns haben sie sich der „Romantik Hotels & Restaurants AG“ angeschlossen. Sie haben Geld in die Hand genommen und „jetzt sind wir Aktionäre“, so Florian Miehle, der erläutert: „Das ist ein Zusammenschluss kleiner, individueller Familienhotels und Restaurants, die gemeinsam Marketing betreiben, um mehr Kraft und Power zu haben, um sich gegen die Marketing-Maschinen großer Ketten zu behaupten.“
Die vergangenen Jahre haben sich Miehles bereits vorbereitet und in das Hotel Barbarossa investiert, um den Qualitätsstandards von Romantik zu entsprechen. Der Grund: „Der Schritt musste so oder so kommen, wenn wir noch weitere 100 Jahre bestehen wollen“, sagt Christiane Miehle und stellt mit Blick auf Konstanz fest: „In den letzten Jahren sind hier große Ketten-Hotels wie Pilze aus dem Boden geschossen.“
Im Zusammenschluss mit anderen familiengeführten und individuellen Qualitätshotels sehen Miehles die Chance, sich zu behaupten. Ein Hotel allein könne es sich nicht leisten, auf Messen für sich zu werben; der Zusammenschluss hingegen vertritt die Individualisten in der Branche der Gastlichkeit.
Doch nicht nur in Sachen Marketing vertrete Romantik die Familienbetriebe. Auch die Mitarbeiter der kooperierenden Hotels und Restaurants profitierten. „Jedes Jahr gibt es für Mitarbeiter Schulungs-Camps und Seminare“, gibt Florian Miehle ein Beispiel für den Mehrwert der Kooperation.
„Es ist unser Anspruch, die Ahnen nicht zu enttäuschen“
Nach bestem Wissen und Gewissen werden Christiane und Florian Miehle am Freitag das Barbarossa wieder öffnen und alle erforderlichen Maßnahmen umsetzen, denn: „Es ist im Interesse eines jeden, dass die Pandemie ein Ende nimmt“, so Christiane Miehle.
Vor allem hoffen sie, dass kein weiterer Lockdown folgt, denn das „wäre das Worst-Case-Szenario; dann würde es für alle richtig schwierig“, sagt Florian Miehle. Doch daran denken die Beiden nicht, sondern hoffen auf eine gute Sommersaison, denn, wie Christiane Miehle sagt: „Es ist unser Anspruch, die Ahnen nicht zu enttäuschen.“