Michael Schopf, ein sichtlich ruhiger, entspannter Mensch, ist verärgert. Er steht vor seiner Streuobstwiese in Wollmatingen und sieht auf die kläglichen Reste. Auf der Wiese wachsen unterschiedliche Obstsorten, Mirabelle, Zwetschge, Äpfel, Birnen. Nur, dass in jüngster Zeit eben die Hälfte der Früchte fehlt – oder auch mal alle an einem Baum.
Immer wieder kommt es vor, dass Michael Schopf, der die Streuobstwiese in der Nähe der Kindlebildstraße pflegt, morgens entdeckt, dass ein Baum keine Früchte mehr trägt. „Diesen Baum haben Radfahrer komplett abgeerntet“, sagt er und zeigt auf einen relativ jungen Zwetschgenbaum in der Mitte der Wiese.
Erkennbar sei das auch am frischen Astbruch, der am Tag zuvor noch nicht zu sehen gewesen sei. Zudem fehlten alle Früchte, die Schopf absichtlich recht lang am Baum gelassen hatte, damit sie vollständig reifen können.
Wiesen am Radweg besonders gefährdet
Die Streuobstwiese liegt direkt am Radweg, der Lindenbühl und Wollmatingen miteinander verbindet. Täglich radeln hier etliche Menschen vorbei, Konstanzer und Radolfzeller, Touristen und Einheimische, Eilige und Gemütliche. Offenbar nehmen sich einige die Zeit und das Recht, abzusteigen und Obst zu ernten, das ihnen nicht gehört. Genau das erzürnt den Rentner, der sich seit Jahren um sechs Hektar Land auf der Konstanzer Gemarkung kümmert.
Einen Teil davon nutzt er als Grünland für seine Schafe, auf einem anderen Teil pflegt er die Streuobstwiesen und nutzt ihre Produkte. Die Besitzer der Grundstücke sind froh, dass jemand ihnen die aufwendige Pflege abnimmt. „Die Leute wissen ganz genau, welches die guten Früchte sind und die holen sie dann systematisch“, sagt Schopf. Oft auch dann, wenn sie noch nicht ganz reif seien. Das ärgere ihn noch viel mehr.
Dieb fragte: „Was wollen Sie denn?“
Er kann auch nicht verstehen, dass die Radfahrer offenbar nicht begreifen, dass die Grundstücke im Privatbesitz sind und die Obstbäume, die darauf wachsen, ebenfalls. Den Streuobstdieben gehe das Unrechtsbewusstsein vollständig ab. Einmal habe er Radfahrer direkt auf frischer Tat ertappt. „Was wollen Sie denn?“, hätten diese geantwortet und seien ärgerlich geworden, dass er sie auf den Diebstahl hinweise. Sie hätten vom Obst dann abgelassen und die Birnen unter den Baum geworfen.
Ein neues Phänomen sei das nicht, räumt Michael Schopf ein. Dennoch habe er klar den Eindruck, dass der Diebstahl in jüngster Zeit zunehme. Manchen Menschen sei vielleicht auch nicht klar genug, dass diese Wiesen in Privatbesitz seien und die Früchte ihrer Bäume genutzt würden. In seinem Fall ist die Verwendung klar: Zwetschgen und Mirabellen lässt er zu Schnaps brennen. Birnen und Äpfel bringt er zum Haettelihof in Konstanz, wo Most oder Saft daraus hergestellt wird.
Stefan Maier kennt das Problem. Er bewirtschaftet 16 Hektar Streuobstbestand, ebenfalls im Nebenerwerb. Seine Wiesen sind auf verschiedene Ortsteile verteilt: an der Jungerhalde, in der Jakobstraße, in Wollmatingen. Auch er habe ähnliche Szenen erlebt, wie die, die Michael Schopf beschreibt.
„Meine Mutter und ich waren bei der Ernte, rechts die Baumreihe, in der Mitte der Traktor. Da kommt ein Radfahrer in aller Seelenruhe, geht an den Baum rechts und beginnt, Äpfel zu ernten“, berichtet er. Auch er kann nicht fassen, wie die Menschen, die sich an seinem Obst bedienen, reagieren: Die Früchte würden ja verfaulen, wenn sie sie nicht mitnähmen, hätte er schon von den Dieben gehört.

Eltern mit Kindern klauen auch
Mehr als alle anderen Fälle habe ihn geärgert, als er beobachtet habe, wie junge Eltern mit ihren Kindern über einen Zaun kletterten, um auf dem eingezäunten Grundstück die Brombeeren zu ernten. „Meiner Nachbarin wurden schon die Kartoffeln ausgegraben“, ergänzt er.
Auch Stefan Maier weist darauf hin, dass er sich nicht zum Spaß um die Streuobstwiesen kümmert, sondern, dass es um eine Erwerbstätigkeit gehe. Die Bio-Äpfel, die er erntet, werden beim Obsthof Dreher in Stockach zu Babynahrung weiterverarbeitet. Aus den Birnen und Kirschen brennt Maier eigenen Schnaps. „Wenn ich Birnen ein paar Tage unter dem Baum liegen lasse, geschieht das, um sie nachreifen zu lassen. Nicht, weil ich sie dort verfaulen lasse.“
Beide Landwirte betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, anderen Menschen nichts zu gönnen. „Wir haben ja nichts dagegen, dass sich jemand eine geringe Menge nimmt“, sagt Stefan Maier. „Wenn die Leute nur mal fragen würden!“