Wiederholt sich 2021, was nach 1991 niemand mehr für möglich gehalten hätte: Wird es keine Fasnacht geben? Vor 30 Jahren wurde sie wegen des Golfkriegs abgesagt: aus moralischen Gründen und schlechtem Gewissen, weil Deutschland – anders als andere europäische Nationen und die USA – keine Soldaten in den Irak schickte.

Kriege, internationaler Terrorismus und Anschläge in der Bundesrepublik gab es auch danach noch, an der Fasnacht wurde jedoch nicht gerüttelt. Jetzt allerdings droht wegen der Corona-Pandemie, einer unmittelbareren Bedrohung für die einheimische Bevölkerung, wieder eine Fasnacht in Konstanz auszufallen.

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Fasnacht 2021 wie sonst auch? Schwer vorstellbar für Vereinspräsidenten

Dass sie wie üblich stattfinden wird, können sich die Vorsitzenden der größten Konstanzer Fasnachtsvereine fast acht Monate vor dem Schmotzigen Dunschtig nicht vorstellen. Andreas Kaltenbach, seit 1998 Zunftmeister der Blätzlebuebe, fasst zusammen: „Die Konstanzer Fasnacht ist DAS Fest der Nähe schlechthin, sie ist Interaktion pur.“

„So ein Fehltritt frisst dich auf.“ Andreas Kaltenbach, Zunftmeister der Blätzlebuebe.
„So ein Fehltritt frisst dich auf.“ Andreas Kaltenbach, Zunftmeister der Blätzlebuebe. | Bild: Brumm, Benjamin

Soll heißen: Zu ihr gehören nicht nur schunkeln und singen im Saal, sondern auch die bis zum letzten Mäschgerle vollgestopften Besenwirtschaften der Altstadt, in denen die Luft zu stehen scheint, oder Umzüge mit Tausenden Teilnehmern und noch mehr Besuchern.

Bild 2: Erinnerungen an die Absage 1991 werden wach: Wie steht es um die Konstanzer Fasnacht 2021?
Bild: Hanser, Oliver

Hygiene- und Abstandsvorgaben an Fasnacht?

An Abstandsgebote und Hygienevorgaben zum Schutz vor umherschwirrenden Aerosole ist beim Gedanken an das närrische Treiben zwischen Schmotzigem Dunschtig und Aschermittwoch nur schwer zu denken.

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Mario Böhler, Präsident der Narrengesellschaft Niederburg, sagt: „Wenn der Urgedanke nicht gelebt werden könnte, dann feiern wir lieber gar keine Fasnacht. Umzüge mit 1,50 Meter Abstand zwischen den Teilnehmern zum Beispiel? Da ist schon die Vorstellung völlig idiotisch.“ So weit ist es aber noch nicht und Böhler wie Kaltenbach stellen klar, „dass die Entscheidung ohnehin nicht in unserer Macht liegt“.

Warten auf Vorgaben der Politik und Empfehlungen der Dachverbände

Sie orientieren sich an den Vorgaben der Landes- und Bundesregierung, hoffen auf die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes und dass die Zahl der Corona-Infektionen über den Winter nicht zu stark ansteigen wird. Außerdem setzen sie auf eine gemeinsame Empfehlung der Fasnachtsverbände aus ganz Deutschland.

Dem SÜDKURIER liegt ein internes Schreiben von Roland Wehrle an die Mitgliedszünfte der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) vor. Der Präsident des Dachverbands schrieb Ende Mai, dass die VSAN „Ende der Sommerferien“ gemeinsam mit Vertretern des Karnevals am Rhein „die Situation bewerten und gegebenenfalls eine gemeinschaftliche Erklärung abgeben“ will.

Fans in den Bundesliga-Stadien? Dann soll auch Fasnacht möglich sein

Grundlage zur Bewertung für Großveranstaltungen ab Ende dieses, Anfang des kommenden Jahres sei die Situation in den Stadien der Fußball-Bundesliga. Würde dort wieder vor Publikum gespielt, „dann werden auch andere große Veranstaltungen und die Fastnacht wieder möglich sein“, lautet die Einschätzung von Roland Wehrle.

VSAN-Chef Roland Wehrle: „Gesundheit hat immer Vorrang“

Gleichzeitig betont er, „wertvolle Kulturgüter“ wie die schwäbisch-alemannische Fasnacht „haben ein Recht darauf, durchgeführt zu werden“. Damit wolle er keine Überheblichkeit ausdrücken, sagt Wehrle auf Anfrage. Er spreche hier auch im Wissen der Auswirkungen der Corona-Pandemie als Geschäftsführer der Nachsorgeklinik Tannheim.

„Wir machen natürlich nicht, was wir wollen, die Gesundheit hat immer Vorrang,“ sagt Wehrle. Es gehe jedoch darum, den Vereinen ein Zeichen der Hoffnung zu vermitteln. „Und darum, dass es zum jetzigen Zeitpunkt zu früh wäre, die Fasnacht in ihrer Gesamtheit abzusagen“, sagt der VSAN-Präsident. Er kenne viele Brauchtums-Veranstaltungen, die auch unter Corona-Bedingungen stattfinden könnten.

Zeit für Alternativen bei der Saal- und Bühnenfasnacht

Auf diese will auch Niederburg-Präsident Mario Böhler reagieren. Er wie Andreas Kaltenbach planen derzeit so, als fände die Fasnacht 2021 gesichert statt. Auch weil alles, was bis September dieses Jahres nicht vorbereitet sei, später nicht stattfinden könnte.

Zuschauer im Oberen Konzilsaal bei der „Fasnacht aus dem Konzil“ 2020 im SWR-Fernsehen.
Zuschauer im Oberen Konzilsaal bei der „Fasnacht aus dem Konzil“ 2020 im SWR-Fernsehen. | Bild: Scherrer, Aurelia

Böhler sieht in den wahrscheinlichen Einschränkungen auch eine Chance: „Bei der Bühnenfasnacht können wir kreativ über Alternativen nachdenken.“ Denkbar seien mehr Veranstaltungen mit dafür weniger Zuschauern. „Voraussetzung ist aber, dass dennoch auch eine fasnachtliche Stimmung aufkommen kann“, so Mario Böhler.

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Macht Andreas Kaltenbach einen Rückzieher?

Für Andreas Kaltenbach wäre die kommende Fasnacht ohnehin eine besondere gewesen. Er wollte sich nach 2021 nach mehr als zwei Jahrzehnten als Blätzlebeube-Zunftmeister verabschieden und sagt jetzt: „Ganz ehrlich? Ich hadere, ich hätte schon gerne eine richtige Fasnacht zum Finale.“