Die Bremsen quietschen. Das Fahrrad kommt zum Stehen. Nein, viele Fahrräder kommen zum Stehen an der Kreuzung Gartenstraße Ecke Schottenstraße. Nur einer nicht. Der Radler verlangsamt zwar die Fahrt, tritt dann aber in die Pedale und flutscht noch vor einem Auto über die Straße. Der Autofahrer bremst, regt sich kurz auf.

In diesem Fall zu Recht. Denn an dieser Stelle wird die Fahrradstraße unterbrochen, der Verkehr auf der Gartenstraße hat also Vorfahrt. Aber nicht, weil die Autofahrer grundsätzlich ein Hoheitsrecht auf den Straßen haben, sondern weil hier der Linienverkehr die Fahrradstraße quert. Damit die Busse ihren Fahrplan einhalten können, genießen sie eine höhere Priorisierung.

Norbert Wannenmacher, Radaktivist und Mitglied des Arbeitskreises Rad in Konstanz, seufzt kurz. Ja, er kennt die Kreuzung. „Das ist eine kritische Stelle“, sagt er. Radfahrer müssen dort ihre flüssige Fahrt unterbrechen. Nicht immer hat jeder Radler ein Einsehen für diese Vorschrift.

„Das Rad ist das schnellste Verkehrsmittel im urbanen Raum in einem Umkreis von acht Kilometern“, sagt Radaktivist Norbert Wannenmacher.
„Das Rad ist das schnellste Verkehrsmittel im urbanen Raum in einem Umkreis von acht Kilometern“, sagt Radaktivist Norbert Wannenmacher. | Bild: Graziella Verchio

Keiner ist wirklich unschuldig

Situationen wie diese stoßen Autofahrern immer wieder sauer auf. Schnell fallen dann Bezeichnungen wie Kamikaze-Fahrer, Radler-Rambos und Verkehrsrowdys. Doch auch Autofahrer sind nicht ganz unschuldig. Bei fast 75 Prozent der Zusammenstöße zwischen Fahrrad und Auto gilt der Autofahrer als Unfallverursacher. Das zeigt eine Statistik des Statistischen Bundesamt.

Das bestätigt auch die Polizei Konstanz. „Die Mehrzahl der Radfahrer hält sich an die Verkehrsregeln, dennoch stellen wir auch bei Radfahrern im Rahmen unserer Kontrollen Verkehrsverstöße fest“, sagt Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz.

„Die Mehrzahl der Radfahrer hält sich an die Verkehrsregeln, dennoch stellen wir auch bei Radfahrern im Rahmen unserer Kontrollen ...
„Die Mehrzahl der Radfahrer hält sich an die Verkehrsregeln, dennoch stellen wir auch bei Radfahrern im Rahmen unserer Kontrollen Verkehrsverstöße fest“, sagt Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz. | Bild: Polizeipräsidium Konstanz

Das Problem liege am mangelnden Platz, erklärt Wannenmacher. Rad- und Autofahrer müssen sich einen Verkehrsraum teilen. Der deutlich geringere Straßenanteil sei den Radlern zugedacht, zugleich machten sie aber 30 Prozent des innerstädtischen Verkehrs aus. Das ergibt sich aus dem Modal Split – einer Untersuchung der Klimaschutz- und Energieagentur (KEA)-BW.

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In 50 deutschen, österreichischen und Schweizer Städten wurden die Bürger gefragt, wie sie Wege mit dem öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), Fahrrad und zu Fuß zurücklegen. Laut der Umfrage nutzen die Konstanzer zu 30 Prozent das Rad, zu 27 Prozent den ÖPNV und zu 12 Prozent sind sie zu Fuß unterwegs. In einer Studie der Technischen Universität Dresden liegt der Anteil des Radverkehrs sogar bei 34 Prozent.

Radverkehr wird zunehmen

Der Radverkehr ist also weiterhin auf dem Vormarsch. Das fördert auch die Stadt Konstanz mit ihrem Handlungsprogramm Radverkehr. In Konstanz sollen mehr Radstreifen, Fahrradstraßen und -zonen entstehen. Das bekräftigte der Konstanzer Radbeauftragte Gregor Gaffga in einem SÜDKURIER-Interview. Er sagt: „Weitere Fahrradstraßen sind aktuell nicht konkret in Planung, wenngleich das Handlungsprogramm Radverkehr aufzeigt, dass perspektivisch weitere Fahrradstraßen entstehen könnten.“

„Weitere Fahrradstraßen sind aktuell nicht konkret in Planung, wenngleich das Handlungsprogramm Radverkehr aufzeigt, dass perspektivisch ...
„Weitere Fahrradstraßen sind aktuell nicht konkret in Planung, wenngleich das Handlungsprogramm Radverkehr aufzeigt, dass perspektivisch weitere Fahrradstraßen entstehen könnten“, sagt Gregor Gaffga, Radbeauftragter der Stadt Konstanz | Bild: Kerstin Steinert

Der Radverkehr wird künftig noch mehr zunehmen. Daran arbeitet der Radbeauftragte Gaffga. Das freut auch den Radaktivisten Wannenmacher. „Das Rad ist das schnellste Verkehrsmittel im urbanen Raum in einem Umkreis von acht Kilometern. Es ist nur die logische Konsequenz, dass es mehr Flächengerechtigkeit geben muss“, sagt er. Trotzdem: An die Verkehrsregeln müssten sich alle halten, egal ob auf zwei oder vier Rädern.