Auf einem kleinen Tisch in Laura Epps Büro steht eine Gruppe von Spielfiguren. Darunter vier Neandertaler, ein Säbelzahntiger und ein Mammut. Die Figuren sind nicht einfach nur Deko – sie deuten an, woran Epp hier im Limnologischen Institut der Universität Konstanz forscht.

Die Professorin untersucht mit ihrer Arbeitsgruppe sogenannte Umwelt-DNA. Lebewesen geben diese an die Umwelt ab, dort kann sie sich über Tausende von Jahren halten. „Manche Organismen geben mehr DNA in die Umwelt, andere weniger. Es ist also kein konkretes Abbild“, sagt Epp. Aber sie gibt Aufschluss darüber, wann bestimmte Lebewesen im oder am Bodensee unterwegs waren. Zum Beispiel Mammuts oder Rentiere. Werden diese im Sediment gefunden und kann eine Verunreinigung der Probe ausgeschlossen werden, ist klar: Diese Lebewesen waren einst am Bodensee vertreten.

In Laura Epps Büro steht eine Gruppe von Spielzeugfiguren: darunter auch ein Mammut.
In Laura Epps Büro steht eine Gruppe von Spielzeugfiguren: darunter auch ein Mammut. | Bild: Simon Conrads

Die Forschungsrichtung ist noch vergleichsweise jung, sagt Epp. Sie habe sich schon sehr früh für Umweltgenomik begeistert. Andere Biologen hätten sie zu diesem Zeitpunkt belächelt. Mittlerweile wird der Forschungsbereich aber immer breiter genutzt: Auch der Nachweis von Viren, beispielsweise Corona, im Grundwasser basiert auf Umwelt-DNA.

Große Hygiene-Anforderungen

„Man braucht die Referenz“, erklärt Epp. Um zu wissen, dass ein DNA-Abschnitt zu einem bestimmten Lebewesen gehört, muss also schon ein Genom derselben oder einer verwandten Art vorliegen – etwa durch Skelettfunde. „Weit über 90 Prozent ist gar nicht zuordenbar“, sagt die Wissenschaftlerin über den Großteil der einzelnen DNA-Sequenzen.

Doktorandin Anna Chagas extrahiert DNA aus Sedimenten des Bodensees im Labor für alte DNA der Universität Konstanz.
Doktorandin Anna Chagas extrahiert DNA aus Sedimenten des Bodensees im Labor für alte DNA der Universität Konstanz. | Bild: Anna Chagas

Untersucht werden die alten Proben in einem Container, der hinter dem Limnologischen Institut in Egg steht, wenige Meter vom See entfernt. Da die Proben sehr anfällig für Verunreinigungen sind, gelten dabei strikte Hygienemaßnahmen. Arbeiten dürfen die Wissenschaftler in dem Container nur, wenn sie frisch geduscht sind. Nachts werden von einer UV-Lampe alle Oberflächen desinfiziert.

Nessie wurde nicht gefunden

Trotzdem kommen Fehler vor. Gerade erst hat Epps‘ Team eine Arbeit veröffentlicht, in der es auf mögliche Spuren alter DNA in jungen Sedimenten hinweist. Die Sequenzierung einer jungen Probe deutete kürzlich an, in Sibirien seien derzeit Mammuts unterwegs. Eine genauere Datierung zeigte, dass in dem Sediment schlicht älteres Material vorhanden war.

Laura Epp vor dem Container, in dem unter strengen Hygienevorschriften die alte DNA untersucht wird.
Laura Epp vor dem Container, in dem unter strengen Hygienevorschriften die alte DNA untersucht wird. | Bild: Simon Conrads

„Im Wasser des Loch Ness wurde Umwelt-DNA auch schon angewendet“, sagt Epp lachend. Das Seeungeheuer Nessie konnte dabei aber nicht nachgewiesen werden. „Was man gefunden hat, sind Aale.“ Nun liege die Vermutung nahe, dass das vermeintliche Seeungeheuer eher ein großer Aal ist. Nebenbei wurde aber auch der gesamte See analysiert – solche Datensätze sind gute Referenzstudien für Epp und ihr Team. Das beschäftigt sich nicht nur mit der Vergangenheit von Gewässern, sondern auch mit den Auswirkungen des aktuellen Klimawandels. Derzeit bereitet die Arbeitsgruppe eine ganzjährige Beprobung eines arktischen Fjords auf Spitzbergen vor.

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Genau wie dieser Fjord unterliege der Bodensee derzeit großen Veränderungen, sagt Epp. Ein aktuelles Thema ist etwa die Ausbreitung der Quagga-Muschel. Wie und wann genau die Muschel in den See kam, versucht die Arbeitsgruppe über Umwelt-DNA herauszufinden. Von Forschungsbooten aus entnehmen die Forscher für ihre Arbeit Proben aus dem Sediment des Sees.

Kurzkerne werden aus dem Sediment des Bodensees an Bord genommen. Dieses Bild stammt von einer Ausfahrt mit der MS Kormoran, dem ...
Kurzkerne werden aus dem Sediment des Bodensees an Bord genommen. Dieses Bild stammt von einer Ausfahrt mit der MS Kormoran, dem Forschungsschiff des Instituts für Seenforschung Langenargen. | Bild: Laura Epp

Was Laura Epp ganz besonders interessiert: der Einfluss des Menschen auf den See in seiner Geschichte. „Andere Orte in Europa waren auch früh besiedelt. Aber hier haben wir eine wahnsinnig gute archäologische Tradition, dass wir wissen, wann welche Siedlungsphase war“, sagt die Wissenschaftlerin. Man könne sehr gut sehen, in welchem der Seebecken die Menschen ab wann und wie gewirkt haben.

In Amerika sollen Mammuts wiederbelebt werden

In einer Zusammenarbeit mit Forscherinnen von der Ostsee untersucht Epps‘ Arbeitsgruppe lebendes Plankton, das die Kolleginnen aus Dauerstadien in altem Osteseeschlamm wiederbelebt haben. Wird sie irgendwann auch Mammuts wiederbeleben können, so wie in der Filmreihe Jurassic Park Dinosaurier zurückgebracht werden? „Es gibt Kollegen, die das versuchen“, sagt Laura Epp. Aber nicht in Konstanz und nicht aus erhaltenen Dauerstadien.

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Unter dem Stichwort „De-extinction“ wird beispielsweise in den USA von der Firma Colossal derzeit der Versuch unternommen, mit alter DNA und neuen genomischen Methoden ausgestorbene Tiere – darunter Mammuts – wiederzubeleben. „Das ist im Grunde seriös“, sagt Laura Epp. „Aber der Ablauf ist natürlich sehr viel komplexer als im Film.“