Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischen Narrenzünfte (VSAN), sprüht vor Tatendrang. „Dieses Kulturgut hat ein Recht darauf, gepflegt und gehegt zu werden“, sagt er.
Wehrle kündigt vor rund 800 Vertretern der Mitgliedszünfte bei einer Versammlung in Konstanz am Samstag, 14. Januar, an: Die Narretei solle internationales UNESCO-Welterbe werden. Dafür wollen die schwäbisch-alemannischen Zünfte gemeinsame Sache machen mit dem rheinischen Karneval.
Für den Präsidenten der Vereinigung ist klar: Die Bräuche der Fasnacht gehörten in den Jahresablauf, wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Entsprechend dürfe die Fasnacht nicht abgesagt und durch Bürokratismus behindert werden. Ganz im Gegenteil, das Kulturgut müsse von der öffentlichen Hand auch finanziell gefördert werden.
Der Kitt für unsere Heimat
SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz stellt als Ehrenmitglied der Blätzlebuebe, die zusammen mit den Alt-Konstanzer Hansele das Treffen ausrichten, in einer närrischen Rede fest: Fasnacht sei „der Kitt für unsere Heimat“. Der Konstanzer Bürgermeister Andreas Osner sagt vor den Narren: „Nach Jahren der Vorsicht erwartet uns nun ein geballtes Feuerwerk der Narretei. Natürlich CO2-frei.“
Auch Roland Wehrle freut sich, dass Narren wieder ohne Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie feiern können: Der Verbandspräsident sieht aber auch negative Folgen der beiden Jahre, in denen das öffentliche Leben teilweise brach lag. Er stellt fest: Die Bereitschaft schwinde, sich freiwillig zu engagieren. Schon heute hätten Zünfte Schwierigkeiten, Personen für die Spitzenämter zu finden, aber auch Helfer. Dazu komme: Die bürokratischen Anforderungen bei der Organisation von Veranstaltungen wirke auf viele abschreckend.
Weniger Auflagen, mehr Zuschüsse
Als Negativbeispiel führt er die Absage eines Narrenumzugs in der Pfalz wegen den Kosten für Sicherheitsauflagen an. Wehrle sagt, es müsse „vernünftige“ Regelungen geben, die die Sicherheit gewährleisten, sich aber noch im Ehrenamt bewältigen lassen. Er setzt in Baden-Württemberg auf einen Runden Tisch mit Vertretern des Innenministeriums. Der VSAN-Präsident erwartet nach der Fasnacht Ergebnisse, die dann auch anderen Veranstaltern zugutekommen sollen.
Er hofft auf organisatorische, aber auch finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand: Roland Wehrle rechnet vor: Die Personalkosten für die Geschäftsstelle des Verbands und dessen Fasnachtsmuseum (Narrschopf Bad Dürrheim) steigen nach seinen Angaben auf 109.000 Euro. Ohne Zuschüsse lasse sich das auf Dauer nicht mehr tragen. Die Beiträge für die Mitgliedszünfte seien am Anschlag. Der Präsident der VSAN sagt: „Wir sind Teil der Kultur dieses Landes.“ Es sei nicht zu verstehen, warum nur die Hochkultur Zuschüsse bekommen solle.
Dass Wehrle immer wieder das Kulturgut Fasnacht anspricht, ist einer erfolgreichen Initiative seines Verbandes zu verdanken. Die Fasnacht und ihre Bräuche wurden ins nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Auch der rheinische Karneval und das seit 400 Jahren bestehende Grosselfinger Narrengericht (Zollern-Alb-Kreis) bekamen diesen Status. Nun wollen alle drei im Verbund durchsetzen, dass das närrische Treiben auch international als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt und entsprechend unterstützt wird.
Besinnung auf Gemeinsamkeiten
Wehrle sagt auf Nachfrage, die Wurzeln der schwäbisch-alemannischen Fasnacht und die des Karnevals seien die selben, nur hätten sich die Ausdrucksformen ganz unterschiedlich entwickelt. Es gab Zeiten, da hat sich die schwäbisch-alemannische Fasnacht sehr deutlich vom Karneval abgegrenzt. Noch heute gibt es Unterschiede beim Auftakt: Der Karneval beginnt am 11.11., die Fasnacht der schwäbisch-alemannischen Zünfte erst am 6. Januar. Doch jetzt besinnt man sich wieder auf die Gemeinsamkeiten.
Doch wie verankert ist die Fasnacht noch in der Gesellschaft? Ausgerechnet in der Hochburg Villingen hatte jüngst eine Anwohnerin versucht, gegen ein Narrentreffen zu klagen. Ihr Eilantrag wurde abgewiesen. Wehrle sagt dazu: Er gehe von einer tiefen Verankerung aus. „Die Menschen haben ein Bedürfnis, sich zu begegnen.“ Möglichkeiten dazu biete die Fasnacht. Zu den Problemen mit Alkoholisierten an den närrischen Tagen sagt er: „Wir alle sind gefordert, junge Menschen zum vernünftigen Genuss an Alkohol heranzuführen.“ Dies beginne aber in der Familie und setze sich dann in der Schule fort.