Fußgänger leben oft gefährlich – und daran wird sich so schnell kaum etwas ändern
Zugestellte Gehwege, zu kurze Grünphasen, zu viel Platz für Autos: Konstanzer aller Altersgruppen sehen viel Nachholbedarf, um die Stadt für Fußgänger attraktiv zu machen. Doch viel umgesetzt wird in diesem Jahr nicht.
An vielen Stellen in Konstanz ist nicht genug Platz für Fußgänger, monieren unter anderem Walter von Witzleben und Elisabeth Jansen (von rechts) vom Verein Fuß e.V. Als Beispiel nennen sie den Übergang vom Stadttheater zum Inselhotel, wo auf beiden Seiten die Aufstellflächen zu klein seien. Außerdem müssen Fußgänger sich den Platz mit Radfahrern teilen, was schon zu Unfällen führte.
| Bild: Kirsten Astor
Lange haben Gemeinderat und Stadtverwaltung um das dicke Arbeitspaket gerungen, das viele Verbesserungen für Fußgänger bringen soll. Nun aber steht fest: Die schwächsten Verkehrsteilnehmer werden einige Zeit darauf warten müssen. Denn aufgrund einer unbesetzten Stelle in der Verwaltung ruht das Projekt vorerst.
Zwar gibt es nach wie vor das städtische Handlungsprogramm Fußverkehr mit rund 300 Maßnahmen, das unter Bürgern und Stadträten zunächst umstritten war. Die Freien Wähler nannten es „überladen“, die CDU fand einige Maßnahmen „sinnlos“.
Schließlich stimmte der Gemeinderats vor über einem Jahr doch dem Gesamtpaket zu – unter der Bedingung, dass eine Prioritätenliste erstellt wird und die letzte Entscheidung darüber, was umgesetzt wird, bei den Stadträten bleibt.
Im Arbeitspaket für das Jahr 2024 sind viele neue Zebrastreifen in der Kernstadt, im Industriegebiet und in Dingelsdorf geplant, auch einige Querungshilfen und ein verkehrsberuhigter Bereich bei der Haidelmoosschule sind vorgesehen.
Entstanden ist bislang der Zebrastreifen an der Kreuzung Eichhorn-/Hebelstraße. Aus vielen anderen Planungen wird vorerst nichts, zumindest nicht in absehbarer Zeit.
Als eine der ersten Maßnahmen des Handlungsprogramms Fußverkehr wurde an der Kreuzung Eichhorn-/Hebelstraße ein Zebrastreifen aufgemalt. Ob er an dieser Stelle sinnvoll ist, zweifeln manche Bürger an.
| Bild: Kirsten Astor
Die anderen Maßnahmen „verzögern sich leider wegen einer offenen Personalstelle“, schreibt die städtische Pressestelle. „Wir freuen uns, dass die Stelle zum 1. September 2024 neu besetzt werden kann.“
Zumindest bei der geplanten Dunkelampel zur leichteren Überquerung des Rheinsteigs vor dem Pflegeheim Haus Zoffingen geht es demnächst voran. Sie sollte in diesem Jahr installiert werden. Zum aktuellen Stand schreibt die Verwaltung: „Für die geplante Lichtsignalanlage am Rheinsteig hat das Tiefbauamt einen Förderantrag gestellt. Nach dessen Bewilligung steht die Umsetzung an.“
Bürger sehen viele Gefahrenstellen für Fußgänger
Dabei kritisieren Bürger schon lange einige Gefahrenstellen und zu wenig Aufmerksamkeit für den Fußverkehr. Eugen Bohl ist oft in Konstanz als Fußgänger unterwegs und ärgert sich immer wieder, „mit welcher Gedankenlosigkeit Gehwege blockiert und zweckentfremdet werden“.
Der SÜDKURIER-Leser meint: „Niemand käme bei Radwegen auf die Idee, eine Radarfalle oder einen Blitzer mitten auf den Weg zu bauen, gelbe Säcke zur Abholung abzulegen oder E-Scooter abzustellen – aber bei den Gehwegen denkt man nicht darüber nach.“
Auch Ampel- und Lichtmasten, Verkehrsschilder und Parkautomaten hat er auf Gehwegen entdeckt. Der 66-Jährige formuliert recht drastisch: „Konstanz hat kein Herz für Fußgänger!“
Während Eugen Bohl eher auf Behinderungen für Fußgänger eingeht, hat die vierfache Mutter Franziska Schmidlin eine regelrechte Gefahrenstelle bei der Kreuzung Europa-/Gartenstraße ausgemacht.
Wenn an Samstagen die Abbiegespur von der Schweiz kommend nach rechts in Richtung Gartenstraße abgesperrt ist und die Autos dort trotzdem abbiegen wie das graue Fahrzeug auf diesem Bild, ist das gefährlich. Denn oft haben Fußgänger gleichzeitig grünes Licht. Auf dem Bild sind (von links) Phileas, Levi, Livia, Tessa, Franziska Schmidlin und Fiona.
| Bild: Hanser, Oliver
„Manche Autofahrer übersehen aber, dass sie nicht nach rechts abbiegen dürfen, tun es trotzdem und denken dann, sie hätten grünes Licht“, sagt Franziska Schmidlin. Gleichzeitig haben aber auch die Fußgänger Grün. „Nicht mal ein orange blinkendes Licht weist darauf hin, dass hier eine Gefahrenstelle ist“, so die Mutter.
Auf diesem Bild ist die Situation deutlich erkennbar: Verkehrskadetten sperren an verkehrslastigen Samstagen die Rechtsabbiegerspur von der Europa- in die Gartenstraße ab. Die Ampel zeigt zusätzlich Rot für Rechtsabbieger. Manche Autofahrer biegen trotzdem nach rechts ab und orientieren sich am grünen Licht für die Geradeaus-Spur. Hier haben Fußgänger aber gleichzeitig grünes Licht.
| Bild: Hanser, Oliver
„Es wurde schon viel für Radfahrer getan, aber auch der Fußverkehr sollte gestärkt werden. Schließlich ist Konstanz eine Flanierstadt“, meint Walter von Witzleben von Fuß e.V. und aktiv im Stadtseniorenrat.
| Bild: Kirsten Astor
„Viele Kleinigkeiten wurden verbessert, aber uns fehlt der große Wurf“, sagt Elisabeth Jansen von Fuß e.V. und aktiv im Stadtseniorenrat.
| Bild: Kirsten Astor
Elisabeth Jansen ergänzt: „Viele Kleinigkeiten wurden verbessert, aber uns fehlt der große Wurf. Man müsste mehr Platz für den langsamen Verkehr schaffen und ihn dem Autoverkehr wegnehmen, aber das ist noch eine heilige Kuh.“
Als Beispiel nennt sie den oft kritisierten Übergang über die Konzilstraße zwischen Inselhotel und Stadttheater. „Das wurde alles neu gestaltet, aber wieder ist die Aufstellfläche auf der Inselhotel-Seite viel zu klein“, ärgert sich die 70-Jährige.
„Warum brauchen die Autos vor dem Hotel zwei Spuren zur Ein- und Ausfahrt? Die werden kaum genutzt. Hier hätte man Platz wegnehmen und den Fußgängern zuführen können.“
Die Aufstellfläche am Inselhotel wird knapp, wenn sich bei schönem Wetter mehr Menschen sammeln, um auf die andere Seite zu gelangen. Der Bahnübergang wurde erst jüngst neu gemacht.
| Bild: Kirsten Astor
Nina Röckelein, bisherige Stadträtin der Freien Grünen Liste, kennt die Gefahrenstellen und sagt: „Fuß- und Radverkehr machen mittlerweile deutlich über 60 Prozent der zurückgelegten Wege in Konstanz aus. Trotzdem müssen sich beide Gruppen an vielen Stellen immer noch auf einem kleinen Bruchteil des Straßenquerschnitts aneinander vorbeimogeln.“
Und weiter: „Der Autoverkehr nimmt mit Verkehrsfläche und Parken zusammen oft noch bis zu 90 Prozent des vorhandenen Straßenraumes ein. Deshalb fühlen sich viele Fußgänger in Konstanz vom Radverkehr bedroht. Das liegt aber nicht an bösen Radfahrern, sondern an deutlich zu wenig Platz für beide Verkehrsarten.“
Hier ist es richtig eng: Elisabeth Jansen und Walter von Witzleben (von rechts) vom Arbeitskreis Fußverkehr zeigen, wie wenig Platz Fußgänger vor der Christuskirche in der Konzilstraße haben. Der Radfahrer muss auf die Gegenfahrbahn ausweichen, wo auf diesem Bild zum Glück niemand fährt.
| Bild: Kirsten Astor
Elisabeth Jansen versteht zudem nicht, warum bei einigen Fahrradwegen wie auf der Konzilstraße „so dominant blauer Belag mit Fahrradsymbolen aufgetragen wurde“. Sie fürchtet: „Das signalisiert den Radlern: Hier kann ich richtig Gas geben!“
Walter von Witzleben versteht den Sinn der an einigen Stellen aufgemalten gelben Fußspuren nicht: „Die interessieren die Radfahrer nicht, viele sausen darüber.“
(Archivbild) Mitglieder des Stadtseniorenrats, des Fuß e.V. und der Bürgergemeinschaft Petershausen finden die aufgemalten gelben Fußspuren, die sich an mehreren Stellen in Konstanz wiederfinden, wenig hilfreich.
| Bild: Scherrer, Aurelia
Elisabeth Jansen und Walter von Witzleben geht es nicht ums Meckern, sondern um Verbesserungen. „Konstanz ist schließlich eine Flanierstadt“, sagen sie – und hoffen, dass die Gefahrenstellen bald verschwinden.