Ja, es sei eine „Knochenarbeit“ gewesen. Christa Albrecht stimmt der Aussage einer Kollegin aus Freiburg über die Arbeitsbedingungen einer Frauenbeauftragten in den 1980er Jahren zu. Als Beispiel, wie schwierig es selbst innerhalb der Stadtverwaltung für die erste Frauenbeauftragte in Konstanz gewesen ist, führt sie eine Erhebung aus dem Jahr 1989 an.

Sie habe damals wissen wollen, wie viele Betreuungsplätze es für Kinder in der Stadt gibt und zu welchen Zeiten die Einrichtungen geöffnet haben. Heute berichtet das Sozial- und Jugendamt regelmäßig darüber. Doch Ende der 80er Jahre wurden solche Zahlen auch intern wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Der damalige Sozialbürgermeister Wilhelm Hansen habe versucht zu verhindern, dass sie die Daten bekomme, erinnert sich Christa Albrecht. „Es hat Jahre gedauert, bis ich den Bericht hatte“, erinnert sich Albrecht.

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Dass nicht alle hinter der ersten Stelle einer Frauenbeauftragten in Konstanz standen, zeigten schon die Debatten im Vorfeld der Wahl. Stadtrat Uli Blum (FDP) schlug etwa vor, die Frauenbeauftragte solle doch erst einmal ehrenamtlich arbeiten, und selbst die Frauen-Union hielt die Stelle für überflüssig.

Stadträtinnen setzten sich für die Stelle ein

Doch Stadträtinnen der SPD, der Freien Grünen Liste und der Freien Wähler brachten im Gemeinderat erfolgreich den Antrag für eine Gleichstellungsstelle ein. Es gab 189 Bewerberinnen. Die Diplompädagogin und aktive Gewerkschafterin Christa Albrecht setzte sich zum Schluss gegen die Journalistin Regine Klett mit 23 zu 16 Stimmen durch.

Christa Albrecht in der Anfangsjahren ihres Wirkens.
Christa Albrecht in der Anfangsjahren ihres Wirkens. | Bild: Hella Wolff-Seybold

„Wir wurden fast überrannt. Die Termine haben sich hier gestapelt“, berichtet Christa Albrecht über ihr erstes Jahr als Frauenbeauftragte in Konstanz. Damals habe es weder eine Beratungsstelle für Frauen mit Gewalterfahrungen gegeben noch ein Frauenhaus. Alle Anfragen seien bei ihr gelandet – sei es um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, um häusliche Gewalt oder Benachteiligungen im Berufsleben gegangen.

Eines der Brennpunktthemen damals: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Kinderbetreuung sei damals zeitlich so schlecht gewesen, dass Frauen in der Regel nicht einmal halbtags arbeiten konnten, erinnert sich Albrecht. Sie berichtet weiter, wie sie sich dafür einsetzte, dass Konstanz Anlaufstellen für Frauen bekam, die Gewalt erlebten.

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Neben dem 1989 gegründeten Verein Frauen helfen Frauen in Not habe sie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Trägerin für ein Frauenhaus gewinnen können. Der Sozialverband habe dann den Antrag für den Aufbau im Gemeinderat gestellt. Bis heute, so bedauern Albrecht und ihre Nachfolgerin Julika Funk, stünden der Hilfsverein und das Frauenhaus finanziell auf wackeligen Füßen. Sie sind auf Gelder von verschiedenen Seiten angewiesen.

Christa Albrecht kämpfte in den Anfangsjahren gegen viele Widerstände. Wie schlimm es zeitweise um ihre Stelle stand, dokumentiert ein Plakat zur Gemeinderatswahl 1994. Dort hieß es: „Schafft diese Gemeinderäte ab, bevor sie die Frauenbeauftragte abschaffen“. Das Papier listete sechs Gemeinderäte auf, die dafür gestimmt hatten, die Stelle der Frauenbeauftragten zu streichen.

1996: Christa Albrecht im zehnten Jahr nach ihrer Wahl zur Frauenbeauftragten.
1996: Christa Albrecht im zehnten Jahr nach ihrer Wahl zur Frauenbeauftragten. | Bild: Inge König/SK-Archiv

Keine Angst vor dem „Sprung ins kalte Wasser“

Doch Christa Albrecht war das Kämpfen gewöhnt. Die heute 68-Jährige berichtet, wie sie als Kind nicht aufs Gymnasium gehen durfte. Damals hätten die Eltern keine Notwendigkeit gesehen für die weiterreichende Bildung eines Mädchens. In ihrer Generation sei dieses Denken verbreitet gewesen.

Christa Albrecht holte später nach, was ihr vom Elternhaus verwehrt worden war. Ab 1975 arbeitete sie sechs Jahre als erste Sachbearbeiterin im Konstanzer Sozial- und Jugendamt und engagierte sich als erste weibliche Personalrätin. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich musste mich immer durchsetzen“, sagt sie heute.

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Dann schloss sie ein Studium der Diplompädagogik ab und beschäftigte sich wissenschaftlich mit dem Thema Gleichstellung. Als Frauenbeauftragte etablierte sie in Konstanz unter anderem die Frauenwochen, die Frauenkulturtage, mit Themen wie Essstörungen und internationale Debatten über die Gleichberechtigung in den Nachbarländern Schweiz und Österreich.

Baden-Württemberg bereitete 2016 allen Versuchen eine Ende, Christa Albrechts Stelle wieder abzuschaffen. Damals wurde die Gleichstellung im Öffentlichen Dienst gesetzlich verankert. Julika Funk, die 2018 als Nachfolgerin und Beauftragte für Chancengleichheit gewählt wurde, sagt, sie arbeite unter anderen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Politik sei sensibel geworden für das Thema Gleichstellung.

2021: Christa Albrecht (rechts) begrüßt, konform mit der Corona-Pandemie, ihre Nachfolgerin, die Beauftragte für Chancengleichheit, ...
2021: Christa Albrecht (rechts) begrüßt, konform mit der Corona-Pandemie, ihre Nachfolgerin, die Beauftragte für Chancengleichheit, Julika Funk, vor dem Büro, in dem schon die erste Konstanzer Frauenbeauftragte gearbeitet hat. | Bild: Claudia Rindt

Dennoch gelte bis heute: Typische Frauenberufe würden besonders schlecht bezahlt. „Die gesellschaftliche Wertschätzung ist nicht die Gleiche.“ Zudem sei es noch immer keine Selbstverständlichkeit, dass Männer für längere Zeit in Elternzeit gehen.

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