Wenn die beiden Städte Konstanz und München etwas gemeinsam haben, dann ist es der Mangel an Wohnraum. Wie die Konzilstadt versucht auch die bayerische Landeshauptstadt dagegen vorzugehen. Ein solcher Versuch – bislang auch ein recht erfolgreicher – sind Häuser auf Stelzen. Welche Vorteile hat das? Und könnte Konstanz sich die Bauweise möglicherweise abschauen?

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Die Gebäude auf Stelzen, die beim Dantebad im Münchner Westen stehen, sind keine kleinen Häuschen. 126 Menschen sind in dem ersten Stelzenbau, genannt Dante 1, untergebracht. Bei Dante 2, wenige Jahre später errichtet, sind es fast 400 Bewohner.

Eine große, grüne Holzfassade ruht mit scheinbarer Leichtigkeit auf Stützen aus Beton. Und wo sonst das Erdgeschoss eines Hauses ist, parken hier Autos. Die beiden Stelzenbauten hat die städtische Wohnbaugesellschaft Gewofag errichtet. Doch wie kam es zu der ungewöhnlichen Bauweise?

„Parkplätze erhalten und gleichzeitig Wohnraum schaffen“

Als 2015 neue Unterkünfte für die anerkannten Flüchtlinge in München benötigt wurden, suchte eine Kommission aus Stadtverwaltung und Wohnungsbaugesellschaften städtische Flächen, um möglichst schnell Wohnraum zu schaffen, erzählt Doris Zoller, Geschäftsführerin der Gewofag. „Und da kam man natürlich bald auf Parkplätze bei Schulen oder eben Schwimmbädern.“

Doch die Stadt hätte diese Parkplätze nicht einfach auflösen und bebauen dürfen. Denn sie müssen, da sie in den Baugenehmigungen verankert sind, für das Parken bei den öffentlichen Gebäuden zu Verfügung stehen. Der Trick: „Parkplätze erhalten und gleichzeitig Wohnraum schaffen.“

Doris Zoller ist Architektin, Stadtplanerin und Geschäfts­führerin der Gewofag. Außerdem ist sie Expertin für die Erdgeschosszone im ...
Doris Zoller ist Architektin, Stadtplanerin und Geschäfts­führerin der Gewofag. Außerdem ist sie Expertin für die Erdgeschosszone im Wohnungsbau – diese fehlt aber bei den Stelzenbauten. | Bild: Roland Weegen/Gewofag

2016 entstand dann das erste Stelzenhaus Dante 1 – mit einer gesamten Bauzeit von gerade einmal einem Jahr. Vier Geschosse, aus stabilem Brettsperrholz gebaut, mit einer Terrasse auf dem Dach und den Parkplätzen im Erdgeschoss. Mit Dante 2 wurde dann eine größere Kopie des Pilotprojekts gebaut.

Was sind die Vorteile von Gebäuden mit dieser Bauart?

Nachteile hat das Bauen auf Stelzen nicht, meint der Architekt der Häuser, Florian Nagler. Aber Vorteile gebe es viele: „Die Parkplatz-Nutzung kann erhalten bleiben. Zusätzlich wird der Grund – der ja in Städten wie München inzwischen den Löwenanteil an den Baukosten ausmacht – doppelt genutzt“, sagt Nagler.

Außerdem müssten auch keine zusätzlichen Flächen versiegelt werden. Und langfristig gesehen – wenn einmal weniger Autos genutzt werden als jetzt – könne das derzeit für das Parken genutzte Erdgeschoss als Raumreserve dienen, um etwa Kindergärten, Geschäfte oder Fahrradabstellräume zu ergänzen.

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Das ganze Projekt war zudem recht kostengünstig – musste es auch sein, damit die Gewofag beim Bau der geförderten Mietwohnungen wirtschaftlich bleiben konnte. Ein Aspekt sei dabei gewesen, dass recht einfache Wohnungen ohne Balkone gebaut wurden, erklärt Zoller. Und auch der Wegfall einer Tiefgarage sparte Baukosten. „Das ist ein Riesenfaktor“, sagt die Wohnbauexpertin.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen bei der Überbauung von Parkplätzen. Zoller nennt als Beispiel den Lärmschutz: „Wenn jemand beim Auto die Kofferraumtür zuschlägt, ist das extrem laut. Es gibt also hohe Schallschutzanforderung an die Wohnungen.“ Ein weiterer Punkt sind die Freiflächen. Die sind ja bereits durch den Parkplatz belegt. „Sie können einfach keinen Spielplatz dahin bauen, wenn Sie Parkplatz haben.“ Dafür mussten die Planer bei den Stelzenhäusern auf die Dachterrasse ausweichen.

Unten parken, oben wohnen. Das Dante 2 genannte Gebäude steht über einem Parkplatz in München, die Fläche wird also doppelt genutzt.
Unten parken, oben wohnen. Das Dante 2 genannte Gebäude steht über einem Parkplatz in München, die Fläche wird also doppelt genutzt. | Bild: Roland Weegen/Gewofag

Wäre das auch eine Lösung in Konstanz?

Günstig, platzsparend, schnell: Wäre die Bauweise vielleicht auch eine Lösung für das Wohnraumproblem in Konstanz? Doris Zoller sagt, es gebe einige Gemeinden und Unternehmen, die sich bei der Gewofag nach den Stelzenbauten erkundigen. „Als städtisches Unternehmen leben wir das vor, aber kann jeder über seine Parkplätze nachdenken, ob die nicht sinnvollerweise auch mehrfach genutzt werden können.“ Etwa Parkplätze am Bahnhof oder bei Supermärkten, die bereits gut in die Infrastruktur eingebunden sind, kommen dafür in Frage.

Werden Parkplätze in einer Stadt bebaut, zieht die Diskussion um Ersatz-Stellplätze den Wohnungsbau oft über Jahre, wie sich zum Beispiel in Konstanz am Döbele zeigt. Wäre dort eine Stelzen-Bautechnik wie in München angewendet worden, könnte der Platz möglicherweise schon bebaut sein. Doch nicht über jede Fläche passt ein Stelzenhaus, findet Architekt Florian Nagler: „Man sollte es nicht übertreiben. Die Erdgeschosszone ist für die Stadt ja normalerweise ein wichtiger Bereich, in dem sich das öffentliche Leben abspielt.“

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Doris Zoller ist davon überzeugt, dass Städte wie München oder Konstanz bei der Wohnungsnot alle Möglichkeiten bedenken müssen. „Wir haben keine Wahl. Es gibt nie die einzige perfekte Lösung, aber die Überbauung von Parkplatz ist zumindest eine – und dazu noch eine ganz smarte.“

Und auch Florian Nagler sieht den Bautypus eher als Übergangslösung und als Anregung, die Stellplätze von Supermärkten in Zukunft in „vernünftige städtebauliche Strukturen“ zu integrieren. „Unsere Flächen sind viel zu kostbar, um sie für Parkplätze zu verschwenden.“