Der Konstanzer Untergrund ist grau, matschig bis trocken und tendenziell unerfreulich. Auf einem großen Haufen liegt er bei der Schänzlebrücke, bis er noch genauer untersucht ist, dann geht es ab auf die Deponie damit. Wo bisher das Material war, werden an einem Stahlseil Kübel mit Beton in ein Loch hinabgelassen, das groß ist und vor allem tief. Bis zu 45 Meter. Erst dort wird es halbwegs stabil, da liegt unter Lehm und Kies endlich die felsartige Molasse.

Für die Männer auf der Baustelle ist das Alltag. Ein Bohrloch pro Tag ist das Ziel, und das geht noch wochenlang so. Ein Bohrkopf mit 1,50 Meter Durchmesser frisst sich in die Tiefe und befördert Erdreich nach oben. Sofort werden Stahlrohre hinterhergeschoben, damit das Loch offen bleibt. Dann warten schon die Armierungseisen, zu runden Türmen im Stehen zusammengeschweißt, darauf, hinabgelassen zu werden. Jedes Loch verschlingt dann acht Betonmischer-Ladungen voll Material.
Mitten in der Nacht waren die Maschinen auf diese Baustelle gebracht worden, schon der Transport war ein kompliziertes Unterfangen. Seit einigen Tagen wird nun tatsächlich gebohrt. Gleichzeitig mit dem Betonieren wird die Hülle aus Stahl Stück für Stück wieder aus dem Loch gezogen. Ein bisschen drehen, ein bisschen ziehen, wie ein Kork, der zu fest im Flaschenhals sitzt. Nur, dass die Hydraulik mit stählernem Griff zupackt. Und trotz aller Technik ist es ein harter Job für die Männer hier, die in zwei Schichten von frühmorgens bis spätabends mitbauen.
Das dritthöchste Gebäude in Konstanz
Lastwagen kommen an, Lastwagen fahren weg, sie warten und wenden, und im Zentrum steht eines der größten Bohrgeräte, wie man sie auf heimischen Baustellen je gesehen hat. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine große, matschige, graue Wüstenei. Schwer vorstellbar, dass hier eine neue Attraktion für Konstanz entstehen soll. Doch der ganze Aufwand mit den Bohrpfählen dient dem Bau des Panorama-Gebäudes. Der runde Turm soll 2025 fertig sein und dann das dritthöchste Gebäude in Konstanz werden.
Von spektakulärer Architektur ist im Moment freilich noch nichts zu sehen. Überraschend ist für viele Konstanzer eher, dass jetzt tatsächlich gebaut wird. Fast zehn Jahre umfasst die Vorgeschichte für das Panorama inzwischen. Bauherr Wolfgang Scheidtweiler hatte immer betont, seinen Plan umsetzen zu wollen. Und das 30 Meter hohe Rundbild mit einem Umfang von 130 Metern von Konstanz zur Zeit des Konzils (1414-1418) hat Künstler Yadegar Asisi in seinem Berliner Atelier schon weitgehend fertig.

Bis das Bild, ähnlich wie ein riesiger Vorhang, im Inneren des Turms aufgehängt werden kann, hat Mike Vivas Y Kerner noch viel zu tun. Er ist Bauleiter für das Panorama und kennt die Baustelle im Wortsinn nicht nur oberflächlich. Er weiß auf den Zentimeter genau, wo jeder der 50 Pfähle gebohrt und betoniert werden muss. Erst in dieser Tiefe kommt tragfähiger Untergrund.

Wie schwierig die Bodenverhältnisse hier sind, weiß Mike Vivas Y Kerner seit Jahrzehnten. Als Student des Bauingenieurwesens an der Hochschule Konstanz (HTWG) hat er live miterlebt, wie schon der Bau der Auffahr-Rampen zur Schänzlebücke ein schwieriges Unterfangen war. Und nebenan entsteht jetzt eines der größten Bauwerke der Stadt.

Wobei aus Beton eigentlich nicht viel mehr ist als das Fundament und ein Mauerring im Erdgeschoss sowie eine Art seitlicher Turm am Turm für Aufzüge und Treppenhaus. Das eigentliche Gebäude wird aus Holz errichtet. Mehr als 30 Meter hoch sind die einzelnen Stützen. Auf einem der Pläne von Mike Vivas ist extra ein Platz eingezeichnet, auf dem Bauteile von einem Schwertransporter abgeladen werden können.
Ein gewaltiger Kran wird benötigt
„Aber das dauert noch“, sagt der Bauleiter, „als Nächstes müssen wir das Fundamt für den Kran bauen“. Schon dieses Bauteil, das nach Eröffnung niemand mehr braucht, hat gewaltige Ausmaße. Wie der Kran, den es tragen wird: 70 Meter hoch, der Ausleger 55 Meter lang. Wer dort oben sitzt, hat den wohl spektakulärsten Arbeitsplatz von ganz Konstanz.
Bis dahin muss allerdings im Untergrund viel passieren. Denn obwohl aus Holz gebaut, hat das Gebäude eine enorme Masse. Zwei Meter dick sind die Träger, die die freitragende Decke abstützen. Auf dieser thronen zwei vollständige Geschosse – eines mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen, ganz oben ein Restaurant mit einer Dachterrasse, die dann wohl mit die beste Aussicht am Bodensee bieten dürfte. Schwer vorstellbar das alles, solange rangierende Betonmischer und bereitgelegte Armierungseisen das Bild prägen, das kann Mike Vivas gut verstehen. Aber er hat auch schon, ebenfalls für Bauherr Scheidtweiler, den Pforzheimer Gasometer für ein Asisi-Panorama umgebaut. Und sagt: „Was da entsteht, ist absolut spektakulär.“

Genau daran hatten sich in Konstanz über Jahre die Geister geschieden. Und auch wenn der Turm fertig ist, dürfte seine bunte Fassade aus Metall für Diskussionen sorgen. Einer, der sich auf den Neubau aus dem weltberühmten Architekturbüro Sauerbruch Hutton freut, ist Stephan Geiger. Er ist mit der von der Familie betriebenen Galerie in den Neubau der Firma Meichle&Mohr nebenan eingezogen und hat dafür eine Top-Lage am Fischmarkt aufgegeben. Und er findet, nachdem jetzt auch der Fernbus-Bahnhof unter der Schänzlebrücke eröffnet worden ist: „Der neue Stadtteil wächst immer weiter, aus den einst öden Flächen entwickelt sich Schritt für Schritt ein neues Zentrum!“