Florian Fuchs, Inhaber des Fuchshofs in Dingelsdorf, bleibt gelassen, während er auf der Terrasse des Fuchshofes die aktuellen Bedingungen des Weltmarktes sortiert. Die sich deutlich stärker auf die regionale Landwirtschaft am Bodensee auswirken, als man das im Frühjahr vermutet hätte.

Warum? Die Lage ist ziemlich komplex. Die Obsthöfe in der Region, darunter der Fuchshof, merken: Der Absatz ihrer Produkte stagniert oder geht leicht zurück. „Wir haben eine deutlich geringere Kundenfrequenz im Hofladen“, sagt er. Das habe sich fürs Personal zunächst entspannend ausgewirkt: Die Wartezeiten an der Kasse gingen zurück. „Spürbar ist auch: Das Kochgemüse findet weniger Absatz.“

Die Lage nach zwei starken Jahren

Bei den Gründen wird es schwieriger. Die Pandemie-Jahre 2020 und 2021 seien außergewöhnlich starke Jahre für die Direktvermarkter gewesen. Die Menschen waren zuhause, kochten, backten. „Fallen wir jetzt auf das Normalniveau von 2019 zurück oder geht der Abwärtstrend weiter?“ Auf diese Frage hat Fuchs noch keine Antwort.

Denn es gibt weitere Faktoren, die für eine Zurückhaltung der Kunden sprechen. Die Angst vor der Inflation stecke sicher dahinter, glaubt Fuchs. So wurden in dieser Saison wenig Spargel und Erdbeeren verkauft. Ein Teil eines Erdbeerfeldes wurde nicht mehr abgeerntet, weil es nicht wirtschaftlich gewesen wäre – die Familie Fuchs schlug es dem Selbsternte-Feld zu. „Unsere Kirschernte war in diesem Jahr nicht besonders. Trotzdem war der Verkauf unterdurchschnittlich.“

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„Die hochpreisigen Märkte sind extrem empfindlich“, sagt Fuchs. Und alle Waren auf dem Fuchshof gehören in diesen Bereich. Und wie reagiert der Fuchshof auf die Lage? Es sei eine unsichere Situation, sagt Fuchs. „Ich glaube aber nicht, dass wir auf eine Vermarktungskatastrophe zusteuern.“

Adrian Kuzma, Erntehelfer auf dem Fuchshof aus Polen, sortiert Johannisbeeren. Danach kommen sie in die Passiermaschine, um Marmelade ...
Adrian Kuzma, Erntehelfer auf dem Fuchshof aus Polen, sortiert Johannisbeeren. Danach kommen sie in die Passiermaschine, um Marmelade daraus zu machen. | Bild: Wagner, Claudia

Er hält wenig davon, die Preise zu reduzieren – denn die Produktionskosten stiegen weiter an. „Sinnvoller wird es sein, die Produktion herunterzufahren“, sagt er. Er plane, beim Apfelanbau und den Erdbeeren um etwa zehn Prozent zu reduzieren.

Nur ein geringes Defizit im Vergleich zu 2021

Thomas Romer, Inhaber des Obsthofs Romer in Litzelstetten, sieht die Problematik ebenfalls auf sich zukommen. Im Moment habe er aber noch kein Absatzproblem. „Wir haben nur ein geringes Minus im Vergleich zu 2021. Vergleichsweise geht es uns gut.“ Deshalb habe er bislang die Preise nicht erhöht. Er habe gehofft, dass dies den ein oder anderen Kunden mehr bringe, doch die Strategie sei nicht ganz aufgegangen.

Klar sei: Bei den steigenden Energiekosten werde er das Preisniveau nicht halten können. Nach seiner Rechnung werden etwa 150.000 Euro Mehrkosten anfallen, etwa 25.000 Euro zusätzlich für Strom und Gas, 50.000 Euro mehr für Materialbezug, 50.000 Euro für die Erhöhung des Mindestlohns. „Das bedeutet, dass die Preise bei uns um 15 bis 20 Prozent steigen.“

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Im Gegensatz zu den Kollegen Romer und Fuchs liefert Reinhard Honsel seine Produkte, Äpfel und Birnen, an den Fruchthof Konstanz. Somit ist er stärker abhängig von den aktuellen Kapriolen des Lebensmittelhandels. Der Absatz seiner Äpfel sei stark eingebrochen, berichtet er. „Die vier Monate nach Kriegsbeginn war es extrem.“ Von März bis Anfang Juli habe er zwischen 30 und 40 Prozent weniger Äpfel verkauft. Was nicht mehr wegging, musste er an die Mosterei geben.

Erst jetzt ziehe die Nachfrage an. Die Preissteigerungen bekomme sein Hof durch die Erhöhung des Mindestlohns zu spüren. Die Energiekosten werden sich erst im Herbst bemerkbar machen, bislang zahle er einen Festpreis auf Gas und Strom. Dennoch: Honsel weiß, dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen keinen Einfluss auf den Preis hat. Sein Abnehmer, der Fruchthof Konstanz, gibt den Preis vor – und bekommt diesen durch den Einzelhandel diktiert.

„Katastrophales Jahr für regionale Vermarktung“

Nachfrage beim Fruchthof: Geschäftsführer Daniel Riedlinger bestätigt es: „Es ist ein katastrophales Jahr für die regionale Vermarktung von Obst und Gemüse.“ Auch er räumt aber ein, dass zwei sehr gute Jahre vorangingen. Dann begann der Ukraine-Krieg. Damit brachen wichtige Absatzmärkte weg: Russland, Belarus und die Ukraine.

Staaten, die bislang für diese Märkte produzierten, etwa die Türkei, Ägypten, Polen und Marokko, drängen nun mit ihrem Obst auf den EU-Markt. Der Einzelhandel nehme die türkischen Kirschen gern; deutlich günstigere Ware, und das in einer Situation, in der die Verbraucher verunsichert sind und aufs Geld achten.

Bislang sei es nie ein Problem gewesen, regionale Ware an den Einzelhandel der Umgebung abzugeben. „Aber bei türkischen Kirschen für 2,90 Euro kann die regionale Kirsche für sechs bis sieben Euro nicht mithalten“, sagt Riedlinger. Betroffen von der Verdrängung seien beinahe alle Obstsorten und Luxus-Gemüse: Spargel, Äpfel, Erdbeeren, Heidelbeeren und Kirschen, jetzt wieder die neuen Äpfel.

Müssen Obsthöfe irgendwann aufgeben?

Riedlinger sieht eine langfristige Gefahr: Unmöglich können die regionalen Obstbauern diese Situation durchhalten bei steigenden Produktionskosten und rückläufigem Absatz. Er versuche weiterhin, ihnen so viel wie möglich abzunehmen. Das gelinge beim Gemüse besser, da die Gastronomie gut laufe und erhöhten Bedarf habe.

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„Wenn es sich weiter verschlechtert, werden manche Erzeuger ihren Hof aufgeben. Ein solcher Trend verstärkt dann die Abhängigkeit Deutschlands von der Lebensmittelproduktion im Ausland“, sagt Riedlinger. Er hofft daher, dass Verbraucher die Lage erkennen und bereit sind, für regionale Lebensmittel mehr Geld auszugeben – ein Gut, an dem in Deutschland traditionell gespart werde.