„So schön war die Zeit“, trauert Aurelia Scherrer

Wosch no, wie mer im Konzil vehocked sin? Kasch di no erinnere, wie guet die Leberle mit de Brotherdepfel g‘schmeckt hon? Ja, das waren noch Zeiten! Und denen trauern jetzt viele Konstanzer nach. Das Konzil mit der Familie Hölzl und ihrem engagierten Team – als „die Konzil-Familie“ bekannt – war ein urgemütlicher Ort der sprichwörtlichen Konstanzer Gastlichkeit. In 1A-Lage direkt am Hafen sind Hölzls nie dem Reiz des schnellen Euro und damit der Touri-Abzocke erlegen, sondern haben auf Qualität, persönliche Ansprache und Gemütlichkeit Wert gelegt, um die Stammkundschaft glücklich zu machen.
Das Konzil war beliebtes Stammlokal und manch Treffen in der Patronentasche zum Teil fast gar schon legendär. Ob Vereinsveranstaltungen oder Familienfeiern – Manfred Hölzl und seine Konzil-Familie setzten nicht nur alles wunschgemäß um, sondern packten hie und da noch ein i-Tüpfelchen obendrauf, was sich zum Beispiel in der phantasievollen Fasnachts-Speisekarte widerspiegelte.

Konzil-Wirt Manfred Hölzl ließ auch mal Fünfe gerade sein, wohlwissend, dass sich sein Entgegenkommen langfristig auszahlen würde. Der Lohn? Treue und zufriedene Gäste, die das Konzil weiterempfahlen und gerne wiederkamen. Denn hier hat das Essen nicht nur gut, sondern noch besser geschmeckt. Schließlich kannten die Stammgäste auch jene, die im Verborgenen arbeiten: Die Küchen-Mannschaft. Heidi, die hier das Zepter fest in der Hand hielt. Pierre, der Meister aller Fischgerichte war…
Ach, so schön war die Zeit. Das Gros der einstigen Konzil-Familie hat mit der Familie Hölzl die gute Traditionsstube verlassen oder unter dem neuen Pächter dann doch einen Wechsel vorgezogen, so wie manch Stammgast auch. Denn nicht nur die bekannten Gesichter fehlen den Konstanzer Gästen. Viele berichten, die Qualität der Speisen habe nachgelassen. Wo kann man jetzt noch Leberle mit Bratkartoffeln essen? Leberle sind schließlich Vertrauenssache!
Das Konzil ist jetzt nicht mehr, wie es einmal war. Der neue Pächter setzt einzig und allein auf Wirtschaftlichkeit statt auf symbadische Herzlichkeit à la Hölzl. Ob er damit langfristig einen Blumentopf gewinnen kann? Wohl eher nicht. Touristen kommen einmal, aber Einheimische zu verprellen, das könnte letztlich teuer zu stehen kommen. Ein Gastro-Winter kann ganz schön lang sein, wenn es an Gästen mangelt.
Ob der Touri-Sommer das Winter-Minus ausgleichen kann? Dazu kommen noch die gestiegenen Preise, die sogar die gutsituierte Narrengesellschaft Niederburg dazu veranlasst, dem Konzil den Rücken zu kehren. Zumindest zum Fasnachtsauftakt. Am 12. November testen die Narren erstmals das Inselhotel als Spielstätte. Auch die Feuerwehr feiert nicht im Konzil, sondern wandert in einen Konstanzer Teilort aus. So isch worre...

Nur dem Pächter die Schuld am Verlust der guten Konstanzer Qualitäts-Stube zu geben, ist allerdings ungerecht. Die Stadtverwaltung hat einen entsprechenden Pachtvertrag geschnürt und der Gemeinderat hat sich für eben diesen Caterer entschieden. Schade! Damit geht eine Konstanzer Ära zu Ende und eine neue Ära, die anonyme Gewinnmaximierung im Fokus hat, hat begonnen.
Was bleibt? Auf jeden Fall die Erinnerungen an die schönen, guten, alten Zeiten und ein großes Schatzkästchen gefüllt mit urkonstanzerischen Anekdoten.
„Alles nur weinselige Nostalgie“, findet Torsten Lucht

Nun lasst, bitte schön, doch mal die Familie Hölzl in Ruhe! Ein langes Berufsleben in einer beinharten Branche liegt hinter ihr, den Ruhestand hat sie sich weiß Gott verdient. Gewiss, die Erinnerung an alte Zeiten ist schön, und niemandem wird sie missgönnt. Wer will, darf seine Nostalgie auch gerne bis zur Trauer steigern. Das Gejammer um den Verlust von Leberle und Brotherdepfel aber kippt ebenso ins ranzig Folkloristische wie die weinselige Sehnsucht des alljährlichen Absackens eines Narrenvolks in einem glorifizierten Verschlag namens Patronentasche.
Sagen wir‘s deshalb, wie es ist: Das Lamento offenbart viel über die Haltung der Wehklagenden und nur wenig über den neuen Pächter. Seine Strategie wird im Handstreich als Touri-Abzocke denunziert – doch darin zeigt sich nur, was die Gemeinde der Wehklagenden von Touristen hält. Sie werden als Störung der Gemütlichkeit einer so oder so eingebildeten Stammkundschaft empfunden, ihr Wert aufs Monetäre reduziert. Deswegen sind sie gerade mal so lala geduldet, aber auch diese arg beschränkte „Gastlichkeit“ kennt offenbar Grenzen. Das Konzil jedenfalls soll reserviert bleiben für die echten Konschtanzer, denn wir sind wir.
Wer aber legt dieses Wir fest? Warum werden Touristen nicht als Menschen gesehen, die in weniger begnadet-schönen Städten und Landschaften leben und ein- oder zweimal im Jahr während eines Urlaubs die Chance auf ein Erholung in traumhafter Umgebung haben? Wie schön, dass Konstanz ihnen ein Konzil zu bieten hat, von dem aus sie den Blick auf den See und die Promenade genießen können.
Hier wird nicht weniger geliebäugelt und angebandelt als in der Patronentasche – und wenn der Gastwirt dazu statt Wurstsalat etwas anbietet, was der Bauer nicht kennt, dann ist das allein seine Sache. Übrigens: Sollte der Gemeinderat bei der Vergabe der Pacht diese Überlegung zu echter Gastlichkeit mit im Sinn gehabt haben, dann war‘s eine respektable Entscheidung.
Und noch ein Postskriptum: Es ist Manfred Hölzl, der seinem Nachfolger Detlef Haupt zur Seite springt. Auch für den Alt-Pächter ging es letztlich ums Geld, nur verfolgte er eben eine andere Strategie. Diese obliegt dem Unternehmer, über den Erfolg entscheidet hernach die Kundschaft mit den Füßen. Dabei mag die Veränderung bei der bisherigen Kundschaft nostalgische Gefühle wecken, aber deshalb muss sie „ihr“ Konzil nicht in Verruf bringen.
Es bleibt ein Wahrzeichen der Gastlichkeit und der Stadt – oder sollte es zumindest. Und die Veränderung bietet zugleich die Chance zu einem neuen Selbstverständnis. Für die ironische Fußnote sorgen dabei paradoxerweise die besonders laut klagenden Narren: Am 12. November feiern sie im bereits jetzt so gut wie ausgebuchten Steigenberger Inselhotel den Beginn der Fasnacht mit einem neuen, vielversprechenden Konzept. Die Konschtanzer dürfen sich auf den Abend in neuer Umgebung freuen.