„Die Stadt, wie wir sie kannten, wird es nicht mehr geben“, so die Worte von Friedhelm Schaal gegenüber dem SÜDKURIER im Dezember 2020. Der damalige Konstanzer Wirtschaftsförderer bezog sich auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, und wie sich diese auf das Stadtbild auswirken könnten.

Zu dem Zeitpunkt hatten einzelne Geschäfte in der Konstanzer Innenstadt ihren Betrieb aufgegeben, wie der SÜDKURIER berichtete. Selten war die Pandemie der Grund für diese Geschäftsschließungen, öfters steckten private Gründe dahinter.

Antragspflicht für Insolvenzen wieder eingesetzt

Trotzdem stellt sich die Frage, wie sich der Lockdown auf die Konstanzer Lokalwirtschaft ausgewirkt hat – und was passiert ist, seitdem die Insolvenzantragspflicht ab Mai 2021 wieder eingesetzt wurde.

Ab dem Zeitpunkt müssten insolvenzpflichtige Betriebe, die Staatshilfen beantragt haben, ihre Zahlungsunfähigkeit nach drei Wochen dem zuständigen Amtsgericht melden.

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Wie viele Insolvenzen wurden seit Mai angemeldet?

Wie Franz Klaiber, Direktor des Konstanzer Amtsgerichts, mitteilt, sei die „Flut von Insolvenzen“ seit Mai ausgeblieben. „Im Zeitraum vom 1. Mai bis 9. Juni gab es im Bereich der Stadt Konstanz, Reichenau und Allensbach lediglich zwei Insolvenzanträge von Unternehmen“, sagt er. In beiden Fällen habe es sich um Kleinstbetriebe ohne Beschäftigte oder Arbeitnehmer gehandelt. Einer davon war ein Gastronomiebetrieb, der andere ein Blumenladen.

„Das Pandemie-Geschehen hat bisher keinerlei Auswirkungen bei unserem Insolvenzgericht gezeigt“, sagt Franz Klaiber, ...
„Das Pandemie-Geschehen hat bisher keinerlei Auswirkungen bei unserem Insolvenzgericht gezeigt“, sagt Franz Klaiber, Direktor des Amtsgerichts Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Laut Klaiber gibt es keine Anhaltspunkte, dass beide Fälle mit der Pandemie in Zusammenhang stehen könnten. „Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass jedenfalls bislang das Pandemie-Geschehen keinerlei Auswirkungen bei unserem Insolvenzgericht gezeigt hat.“

Formelle Insolvenzen geben nicht das Gesamtbild wieder

„Tatsächlich ist die große Insolvenzwelle bislang ausgeblieben“, bestätigt Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee. Er betont aber: „Die Zahl der formellen Insolvenzen gibt nicht das ganze Bild wieder. Einige Unternehmen haben bereits im Verlauf der Pandemie ihr Geschäft aufgeben müssen.“ Vor allem habe es die Händler getroffen, die erst seit Kurzem am Markt waren und noch keine Reserven aufbauen konnten.

„Die vielen guten Jahre vor der Pandemie haben die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen erhöht“, sagt Claudius Marx, ...
„Die vielen guten Jahre vor der Pandemie haben die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen erhöht“, sagt Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der der IHK Hochrhein-Bodensee. | Bild: Herbert Weniger

Insgesamt sei die Lage in der Region besser als in vielen anderen Teilen Deutschlands. „Die vielen guten Jahre vor der Pandemie haben die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen erhöht“, sagt Marx. Das solle aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Gastronomen und Einzelhändler, erheblich gelitten und nicht selten ihre Altersvorsorge oder andere private Mittel eingesetzt haben, um die laufenden Kosten zu decken.

„Längerer Lockdown wäre Katastrophe gewesen“

Die staatlichen Überbrückungshilfen hätten wesentlich dazu beigetragen, dass Unternehmen nicht allein aus mangelnder Zahlungsfähigkeit aufgeben mussten, so Marx. Die Hilfsprogramme hätten die Situation deutlich lindern, aber den entgangenen Umsatz nicht ersetzen können. „Und ob der lange Lockdown notwendig und angemessen war, wird sich erst im Rückblick bewerten lassen“, sagt der IHK-Hauptgschäftsführer.

Wenn über den Sommer hinweg Touristen und Tagesgäste zurückkehren und zahlungskräftige Schweizer Kunden den Händlern erhalten blieben, stünden die Chancen gut, dass Betriebe wieder Reserven aufbauen können, so Marx. „Das ist noch keine Euphorie, wohl aber eine solide und nachhaltige Besserung der Geschäftslage.“

Wie ist die Lage in der Hotellerie und Gastronomie?

Wie viele Betriebe der Gastronomie und Hotellerie aufgrund der Pandemie aufgegeben haben, sei bislang unklar, erklärt Ines Kleiner, Geschäftsführerin der Dehoga in Konstanz, auf SÜDKURIER-Anfrage. „Zahlen zu coronabedingten Betriebsschließungen liegen aktuell nicht vor.“ Im Gastgewerbe erfolge dies in Form der Gewerbeabmeldung, Insolvenzen seien eher die Ausnahme. „Daher hat die Insolvenz-Statistik, zumal zum jetzigen Zeitpunkt, keinerlei Aussagekraft“, so Kleiner.

„Die Gefahr, dass Betriebe an den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise scheitern, ist nach wie vor real“, sagt Ines ...
„Die Gefahr, dass Betriebe an den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise scheitern, ist nach wie vor real“, sagt Ines Kleiner, Geschäftsführerin der Dehoga-Geschäftsstelle Konstanz. | Bild: Scherrer, Aurelia

Bei Gewerbeabmeldungen seien die Ursachen aber meist nicht zu ermitteln. „Das heißt: Auch hier sind zumindest derzeit noch keine Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise möglich“, so Kleiner, Geschäftsführerin der Dehoga-Geschäftsstelle in Konstanz. Die Folgen der Corona-Krise würden in der Branche zeitversetzt sichtbar, vermutet Kleiner. Ein Beispiel sei, dass vermehrt Generationenwechsel in Betrieben scheitern könnten, aufgrund eines verschuldungsbedingten Investitionsstaus.

Nach den Lockerungen sei es nun entscheidend, dass die Betriebe wieder wirtschaftlich arbeiten könnten. Nach einer aktuellen Dehoga-Umfrage sei dies bei fast drei Viertel der Unternehmen trotz der Öffnungen nicht der Fall, da die Auflagen Umsatz kosteten. „Die wirtschaftliche Lage ist also unverändert schwierig und die Gefahr, dass Betriebe an den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise scheitern, ist nach wie vor real“, sagt Kleiner.

Ist das Schreckensszenario eingetroffen?

Und wie steht Friedhelm Schaal, der ehemalige Konstanzer Wirtschaftsförderer, sechs Monate später zu seiner Prognose? Wird es die Konstanzer Innenstadt, so „wie wir sie kannten“, nicht mehr geben?

Friedhelm Schaal, ehemaliger Wirtschaftsförderer der Stadt Konstanz.
Friedhelm Schaal, ehemaliger Wirtschaftsförderer der Stadt Konstanz. | Bild: Scherrer, Aurelia

Noch bevor dieses mögliche Szenario eintreffen konnte, wurde Schaal im Januar 2021 nach rund 15 Jahren aus seinem Amt verabschiedet. Als neue Wirtschaftsförderin äußert sich Beate Behrens zu den Worten.

„Die Prognose wage ich erst zu beurteilen, wenn die Krise vorbei ist und alle geimpft sind“, sagt sie auf SÜDKURIER-Nachfrage. Erst dann hätten auch die Steuerberater die Finanzen der jeweiligen Betriebe abgesegnet.

Konstanzer Innenstadt bislang gut durch die Krise gekommen

Im Vergleich zu anderen Städten sei die Konstanzer Innenstadt aber vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen, erklärt Beate Behrens. Aktuell stünden in der Innenstadt rund 15 Einheiten leer. Das sei kein hoher Wert bei stabil bleibender Fluktuation. „In anderen deutschen Städten ist der Leerstand deutlich höher“, sagt Behrens.

Beate Behrens, Wirtschaftsförderin der Stadt Konstanz.
Beate Behrens, Wirtschaftsförderin der Stadt Konstanz. | Bild: Hahne, Jochen

Dass der Konstanzer Handel die Corona-Krise bislang gut überstanden habe, liege nicht nur an der Kundschaft aus der Schweiz, sondern an der Mischung aus lokaler und regionaler Kundschaft, dem Tourismus und der „attraktiven und außergewöhnlichen Lage von Konstanz“ so Behrens.

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