Wer sich in Deutschland den Traum vom Hausbau erfüllen möchte, scheitert oftmals schon am Kauf eines geeigneten Grundstücks. Sowohl in Städten als auch in deren ländlichen Gebieten steigen die Grundstückspreise kontinuierlich.
Doch eine Stadt schafft es seit mehr als hundert Jahren, diese Entwicklung zu bremsen: Ulm. Die oberschwäbische Stadt ist in ganz Deutschland für ihre erfolgreiche Bodenpolitik bekannt. Mit welcher Strategie gelingt das? Was davon könnte auch in Konstanz funktionieren? Und was passiert bereits in der Konzilstadt?
1. Grundstücke kaufen, Grundstücke behalten.
Systematisch kauft Ulm Flächen auf – seit mehr als 130 Jahren. Deshalb ist mehr als ein Drittel des Ulmer Bodens in städtischer Hand: rund 4500 der insgesamt fast 12.000 Hektar. Und die Stadt macht damit weiter: 16 Millionen Euro sieht der Ulmer Haushalt jährlich für Grunderwerbe vor.
Die Stadt an der Donau kauft den Boden zu festgelegten Preisen – deutlich niedrigeren als auf dem freien Markt. „Wir wollen damit verhindern, dass die Preise in irgendeiner Form steigen,“ erklärt Tanja Oelmaier, Leiterin des städtischen Liegenschaftsamtes.

Ulm kauft Erwartungsland für Wohnbau nicht zum Höchstpreis ein, und kann dieses so entsprechend günstig an jemanden verkaufen, der bauen will. „Wohnraum wird benötigt und wir haben auch ein Interesse daran, Bauland bereitzustellen“, erklärt Oelmaier. „Aber nicht um jeden Preis.“ Die Richtwerte für Baulandpreise kann die Stadt dadurch unter den Bundesdurchschnitt drücken.
Auch die Stadt Konstanz erwirbt laufend Flächen, besonders seit 2012, sagt Walter Rügert, Pressesprecher im Rathaus. „Da die Bodenpolitik und das Handlungsprogramm Wohnen in Konstanz prioritär behandelt werden, hat die Stadt Konstanz in den vergangenen neun Jahren etwa 42 Millionen Euro zum Erwerb von Grundstücken investiert.“
In den kommenden zwei Jahren seien zudem 60 Millionen Euro vorgesehen – hauptsächlich aus einem Sondertopf für die Fläche, auf der der Hafner entstehen soll. Die Kaufpreise werden laut Rügert vorab durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte ermittelt.

Dass die Stadt Flächen nicht zu festen Preisen veräußert, zeigt sich etwa am Laubenhof, der auf dem ehemaligen Vincentius-Areal entsteht. 2016 hat die Stadt das Gelände an den Meistbietenden verkauft, über zehn Millionen Euro soll der Kaufpreis betragen haben. Zwar diente der Erlös dem Bau des neuen Vincentius-Krankenhauses, doch treiben solche Höchstpreise die Miet- und Kaufkosten in Konstanz wiederum nach oben.
Grundstücke zu kaufen, das reiche nicht, sagt Tanja Oelmaier. Der städtische Bodenvorrat müsse auch gehalten werden – indem etwa die Ulmer Wohnungsgesellschaft UWS ihn bebaut. Rund ein Drittel der gesamten Wohnungen in Ulm gehören der UWS oder einer bestandshaltenden Genossenschaft. Deren Mieten liegen unter dem Durchschnitt.
Zum Vergleich: In Konstanz stehen etwa 4200 Wobak-Wohnungen den insgesamt mehr als 45.000 Wohnungen in ganz Konstanz gegenüber, also knapp 10 Prozent. Doch auch in der Konzilstadt gibt es bestandshaltende Genossenschaften, wie etwa den Spar- und Bauverein mit rund 1700 Wohnungen.
Tanja Oelmaier bezeichnet die Strategie als Mietpreisbremse für Ulm. „Warum soll jemand, der auf dem freien Markt eine Wohnung sucht, zur Miete mehr bezahlen als bei der UWS? Der private Markt muss sich auch etwas einpendeln, wenn er nicht viel mehr verlangen kann.“ Das Halten von Bestand sei das, was sich auf die Mieten auswirkt.
2. Wer kauft, muss auch nutzen.
Es gibt eine strenge Regel in jedem Vertrag mit der Stadt Ulm: Wer ein Baugrundstück kauft, muss darauf auch bauen. Dass jemand Fläche kauft und dann Jahre später zu Höchstpreisen weiterverkauft, das möchte die Stadt unterbinden. Und der Kampf gegen die Spekulation beginnt schon vor dem Kaufvertrag: Ein Käufer kann sich erst sicher sein, dass er den Zuschlag bekommt, wenn die Planungen final abgestimmt sind oder er eine Baugenehmigung vorlegen kann.
Anschließend muss innerhalb von zwei bis drei Jahren gebaut werden. Die Erbauer von Einfamilienhäusern müssen mindestens zehn Jahre selbst darin wohnen. Andernfalls greift das Ulmer Wiederkaufsrecht. Dann nimmt die Stadt das Grundstück wieder so zurück, wie sie es verkauft hat – zu den gleichen Bedingungen, ohne Verzinsung.
Auch dieses Recht gibt es bereits seit 1890 in Ulm. „Unser Ziel ist es, dass wir dieses rare Gut Familien zur Verfügung stellen, die auch in Ulm leben, die sich in der Gesellschaft sich integrieren möchten, die hier einfach der Lebensmittelpunkt haben“, erklärt Oelmaier. Zudem finde man dadurch in Ulm kaum ungenutzte Baulücken in ansonsten bewohnten Gebieten.
Die Stadt Konstanz verankert im Kaufvertrag oder Erbbauvertrag von städtischen Grundstücken ebenfalls eine Baupflichtfrist binnen drei Jahre. Ansonsten greife auch hier ein Wiederkaufsrecht, sagt Walter Rügert.
3. Gebaut wird, was gebraucht wird.
Wenn es darum geht, wer neue Geschosswohnungen oder Wohnquartiere entwickeln darf, hat Ulm ein eigenes Konzept entwickelt: die Ulmer Vergabe. Sie ist an das Verfahren der Konzeptvergabe angelehnt. Das Liegenschaftsamt fragt sich zusammen mit anderen Abteilungen, was in einem Wohngebiet gebraucht wird.
Diese Grundbedingungen lege die Stadt dann fest, mache aber sonst eher wenige Vorgaben, sagt Oelmaier. „Durch den Wettbewerb bieten uns die Investoren dann sehr schöne Dinge an, auf die wir manchmal vielleicht gar nicht selbst kommen würden.“ Im Gegensatz zu den meisten anderen Städten findet diese Konzeptvergabe in Ulm bei jedem Projekt im Geschosswohnungsbau statt.
Teilweise kommt auch in Konstanz eine Konzeptvergabe zum Einsatz, wenn auch nicht ganz so ergebnisoffen. „Im Jahr 2021 wurde in Konstanz ebenfalls beschlossen, dass Vergaben bei künftigen Gebietsentwicklungen im Rahmen von Konzepten erfolgen werden“, sagt Walter Rügert und verweist darauf, dass zum Beispiel das Gelände Brühläcker am westlichen Ortsrand von Dettingen an eine Baugemeinschaft vergeben wurde. Ein spezielles Vergabeverfahren richtet sich allein an Baugemeinschaften wie Genossenschaften, Modellprojekte oder Wohngruppen. Das kommt aber nur bei bestimmten Flächen zum Tragen.