Herr Bura, wohnen Sie selbst in einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt?

Nein, aber ich habe an der Entstehung und Förderung vieler Projekte mitgewirkt. Und gerade bereite ich ein solches im Mehrgenerationenzusammenhang für mich selbst vor.

Welche Formen kann gemeinschaftliches Wohnen annehmen?

Es gibt eine echte Vielfalt an Projekten gemeinschaftlichen Wohnens. Das sind etwa junge Familien, die sich für ein Mehrfamilienhaus im Grünen mit anderen zusammentun. Oder ältere Leute, die sicher wohnen wollen und sich vernetzen und gegenseitig bis ins hohe Alter unterstützen. Dabei geht es nicht nur ums Wohnen an sich, sondern auch um die soziale Dimension.

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Wie viele solcher Wohnprojekte gibt es überhaupt?

Es gibt dazu keine genauen Zahlen und es ist auch schwierig, diese privaten Wohnformen zu erfassen. Wir schätzen die Zahl aber etwa auf 4000 bis 5000 Projekte in der Bundesrepublik. Die meisten davon sind in Städten. In ländlichen Gebieten gibt es sehr wenige, obwohl dort mit dem verfügbaren Platz optimale Bedingungen herrschen.

Nehmen Sie da eine Entwicklung wahr?

Ja, die Projekte haben zugenommen. In den vergangenen zwei Jahren hat sich vieles verändert. Vor allem in Städten sind Grund und Boden sehr viel teurer geworden, und auch die Baupreise ziehen an. Das stellt die Gesellschaft vor neue Fragen, wie man Menschen mit Wohnraum versorgen kann.

Der Experte Josef Bura ist davon überzeugt, dass es bei Wohnprojekten auch um die soziale Dimension geht. Er sagt: „Diese Gruppen ...
Der Experte Josef Bura ist davon überzeugt, dass es bei Wohnprojekten auch um die soziale Dimension geht. Er sagt: „Diese Gruppen wollen nicht, dass es anderen in der Stadt schlecht geht.“ | Bild: Forum

Und da sind solche Projekte eine Lösung?

Die Wohnprojekte versuchen zumindest, das dadurch zu lösen, dass sie sich abkoppeln von den Entwicklungen im Wohnungsmarkt. Auf dem Grundstücksmarkt geht das aber nur begrenzt, da ist man mittendrin in einem Haifischbecken und kann nicht sagen: Da spielen wir nicht mit.

Da kann die Stadt dann doch helfen.

Ja, das kann sie zum Beispiel, indem sie ein Grundstück nicht nach dem Höchstpreisverfahren veräußert, sondern nach der Konzeptvergabe. Die Kommune fragt dann die Käufer: Welche Leistungen im sozialen und öffentlichen Interesse bietest du dafür? Immer mehr Städte begreifen, dass es viel mehr Sinn macht, Grundstücke für sinnvolle Projekte herauszugeben. So können gemeinschaftliche Wohnprojekte trotz gestiegener Kosten an Grundstücke kommen.

Wie können die Städte noch dazu beitragen?

Eine Stadt sollte ihre Grundstücke niemals verkaufen. Grundstücke sind der Schlüssel für gemeinschaftliches Wohnen. Wenn sie ein Grundstück per Erbbaurecht vergibt, wird es für die Nutzung zum Wohnen verpachtet und bleibt aber in der Hand der Kommune. So kann die Stadt handlungsfähig bleiben. Und dann gibt es noch die finanzielle Förderung und die Zusammenarbeit von Stadt und Projektgruppen. Die Städte sollten offene Türen haben für Menschen, die an den sozialen Nutzen denken.

Und was hat die Stadt selbst dann davon?

Es zeigt sich, dass die Kommunen überall dort, wo es Projekte gemeinschaftlichen Wohnens gibt, diesen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Sie fördern so etwas teilweise ganz bewusst, weil sie sehen, dass sich da Menschen in Selbsthilfe zusammentun, um Wohn- und Lebensqualität zu generieren, die der Markt nicht bietet. Da geht es nicht um maximale Rendite, sondern um sozialen Zusammenhalt. Da geht es um gegenseitige Unterstützung, die jeder irgendwann braucht. Die Städte und Gemeinden sind deshalb für uns die wichtigsten Partner, weil sie ja gesetzlich beauftragt sind, die Daseinsvorsorge auf lokaler Ebene zu gestalten. Sie müssen nicht Dienstleister für alles sein. Vielmehr können sie Entwicklungen ermöglichen, die Gemeinwesen stärken und die Bedarfe sichtbar machen und umsetzen helfen.

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Wie erzeugen Bewohner von Wohnprojekten denn mehr Gemeinwohl?

Projekte gemeinschaftlichen Wohnens sind oft maßgeblich daran beteiligt, dass in Quartieren die Menschen nicht nebeneinander, sondern miteinander wohnen. Sie diskutieren mit, wenn es irgendwo ein Problem in der Stadt gibt. Diese Gruppen wollen nicht, dass es anderen in der Stadt schlecht geht. Gemeinschaftliches Wohnen ist bürgerschaftliches Engagement. Deshalb ist es ein Thema mit Zukunft.