In Konstanz können sich Einheimische und Touristen nicht nur mit Rad, Auto oder Bus fortbewegen – auf dem See bieten Schiffe eine zusätzliche Alternative. Doch der Kampf um die Fahrgäste auf dem Wasser scheint zuzunehmen: Inzwischen müssen Traditionsunternehmen wie die Betreiber der „Möwe“ ihr Angebot deutlich reduzieren.

Der Grund: Neue Konkurrenz auf dem See. Die neue Rundtour, die die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) gemeinsam mit einem anderen Schifffahrtsunternehmen anbieten, mache der Personenschifffahrt Wilfried Gieß schwer zu schaffen, heißt es von den Verantwortlichen.

Überraschende Konkurrenz

„Wir wurden von einem Tag auf den anderen damit überrascht“, sagt Alexandra Gieß. Sie ist Schiffsführerin und Ehefrau von Ralph Gieß, dem Inhaber der Personenschifffahrt Wilfried Gieß. Das Unternehmen betreibt seit 1982 einen Linienverkehr vom Konstanzer Hafen über die Seestraße, die Bodensee-Therme und seit 2007 bis ins schweizerische Bottighofen. Außerdem fährt die „Möwe“ 45-minütige Rundfahrten.

Im Juli 2024 sei dann ein weiteres 45-minütiges Rundfahrtangebot ab dem Konstanzer Hafen gestartet. Laut Alexandra Gieß wurde die neue Tour von den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB) in Zusammenarbeit mit einem anderen Schifffahrtsunternehmen ins Leben gerufen.

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„Die Personenschifffahrtsgesellschaft Giess und Giess ist auf uns zugekommen“, erklärt Christopher Pape, Pressesprecher den BSB. Daraus sei im Sommer 2024 eine Kooperation entstanden, die bis jetzt anhalte. Die Giess und Giess GmbH betreibt mit der „Seegold“ eine Verbindung zwischen Überlingen und Wallhausen, Inhaber des Unternehmens ist Michael Giess. Auf Nachfrage bestätigte er die Kooperation mit den BSB.

Auch wenn der derselbe Nachname eine Verbindung nahelegt: Die beiden Unternehmen seien schon immer getrennt gewesen und hätten keinen gemeinsamen Ursprung, sagt Schiffsführerin Alexandra Gieß.

Ehepaar kämpft mit Umsatzeinbußen

Alexandra und Ralph Gieß bemängeln, dass sie von den BSB vorab keine Informationen oder Kooperationsangebote erhalten hätten. „Plötzlich hat ein anderes Schiff bei gutem Wetter das Gleiche angeboten“, so Alexandra Gieß. Dass es vorher keine Information gab, bestätigen die BSB. Das sei nicht ungewöhnlich: „Eine Information über solche Zusammenarbeit erfolgt von keinem uns bekannten Unternehmen“, so Pape.

Das Problem mit dem neuen Angebot sei für die Personenschifffahrt Wilfried Gieß vor allem die zeitliche Nähe und die gleiche Fahrzeit. So sei die neue Rundfahrt ursprünglich nur eine Viertelstunde vor dem Angebot der „Möwe“ gestartet und hätte so viele Kunden abgegriffen. Die 45-minütige Fahrzeit würde zudem Laufkundschaft anlocken, die keine Zeit für längere Rundfahrten haben. „Diese Gäste hatten wir bisher alleine“, so Alexandra Gieß.

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Nach einem Gespräch mit den BSB und dem Oberbürgermeister Uli Burchardt habe sich der zeitliche Abstand zumindest auf 30 Minuten vergrößert, wie die Schiffsführerin berichtet. Zudem sei die neue Rundfahrt bei entsprechendem Wasserstand auf den Seerhein verlegt worden. Trotzdem seien die finanziellen Auswirkungen beachtlich: „Wir hatten vergangenes Jahr 40 Prozent weniger Umsatz“, berichtet Alexandra Gieß. Zwar habe auch das Wetter eine Rolle gespielt, doch die neue Konkurrenz sei deutlich spürbar.

Gespräche für Zusammenarbeit ohne Ergebnis

Als Konsequenz hätte sich das Ehepaar an die BSB gewandt, um ebenfalls eine Zusammenarbeit einzugehen. „Das Unternehmen ist hierzu Anfang des Jahres auf uns zugekommen“, bestätigt Pape. Doch wie Alexandra Gieß berichtet, kam es letztlich nicht zu einer Einigung. „Die Gespräche verliefen leider ergebnislos“, sagt auch Pape.

Alexandra Gieß, Schiffsführerin und Ehefrau von Ralph Gieß. Er ist ebenfalls Schiffsführer und Eigner der Personenschifffahrt Wilfried Gieß.
Alexandra Gieß, Schiffsführerin und Ehefrau von Ralph Gieß. Er ist ebenfalls Schiffsführer und Eigner der Personenschifffahrt Wilfried Gieß. | Bild: Norbert Schild 78333 Stockach

Stattdessen wurde den beiden mitgeteilt, dass die BSB auch in der kommenden Saison bei gutem Wetter entweder mit ihrem Schiff „Bayern“ oder über den Kooperationspartner Rundfahrten anbieten werde. „Sie starten an Platz 4 im BSB-Hafen Konstanz und führen – wasserstandabhängig – in den Seerhein“, erklärt Pape das Angebot.

Konsequenzen für das Traditionsunternehmen

Durch die Umsatzeinbußen müsse das Angebot der „Möwe“ drastisch eingeschränkt werden. „Wir bedauern die Unannehmlichkeiten, die diese Entwicklung für unsere Fahrgäste mit sich bringt, zutiefst.“ Der Linienverkehr sei häufig defizitär gewesen, da er unabhängig vom Wetter zuverlässig betrieben worden sei – auch an Tagen mit wenigen Fahrgästen. Durch die umsatzstärkeren Rundfahrten habe sich das Geschäft aber bislang insgesamt rentiert, so Alexandra Gieß.

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„Wenn die neue Rundfahrt die Hälfte der Gäste wegnimmt, können wir auch den Linienverkehr so nicht mehr machen“, erklärt sie. Eigentlich sei die „Möwe“ mit dem Linienverkehr ab Saisonstart jeden Tag und schon ab 10.30 Uhr gefahren. Doch jetzt müssten sie reduzieren: Im Mai fährt die Linie zum Beispiel nur noch am Wochenende und die Rundfahrten würden auch nur noch eingeschränkt angeboten.

Folgen für die Region

„Früher haben sich die Leute gefreut, dass wir immer gefahren sind – egal ob es regnet oder nicht“, sagt Alexandra Gieß. Sie und ihr Mann kritisieren, dass die Angebotsreduzierung neben den wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen auch die regionale Mobilität auf dem Wasser und die touristische Attraktivität der Region beeinträchtige. Das stehe im Widerspruch zu der Bestrebung der Stadt Konstanz, den Verkehr zukünftig unter anderem aufs Wasser zu bringen.

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Auf die Kritik sagt Christopher Pape: „Die BSB erhalten keinerlei Zuschüsse für ihre Verkehre und müssen diese entsprechend so ausgestalten, dass dies wirtschaftlich ist.“ Das Deutschlandticket und die Ausweitung der Gültigkeit der Gästekarten für den öffentlichen Nahverkehr sowie dessen Ausbau hätten dazu geführt, dass die BSB Fahrgastrückgänge zu verzeichnen haben.

„So wie es jetzt gelaufen ist, finde ich es nicht schön“, sagt Alexandra Gieß. Sie und ihr Mann wollen versuchen, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden, „um die Mobilität auf dem Bodensee weiterhin zu gewährleisten.“