Phileas Meier findet es „cool“, dass jemand, der noch so jung ist, mitmischt im Zentrum der Macht. Der Jungsozialist meint den 33 Jahre alten SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der zum Neujahrsempfang der Konstanzer SPD kommt. Diese hat nicht zufällig den prominenten Redner in die Bodenseemetropole geholt.
Denn die Konstanzer SPD feiert in diesem Jahr das 150-jährige Bestehen. Und was treibt einen jungen Menschen wie Phileas Meier in die „alte Tante“ SPD? Die Werte der Partei, so wie er sagt, und die sozialen Ziele seien noch heute aktuell.

Kevin Kühnert spricht dann im Konstanzer Wolkensteinsaal auch bald von „Verteilungsgerechtigkeit“, und zwar im Zusammenhang mit Windparks. Kevin Kühnert, das ist in Konstanz der Rote, der unter anderem mit grünen Themen punktet, bei Jungen und Alten im Publikum. Dieses meldet sich immer wieder mit Zwischenapplaus. Zum Schluss quittieren Zuhörer die Rede mit rhythmischem Klatschen.
Kühnert: „Wir haben keine Zeit zu verlieren“
Kühnert stellt in Konstanz fest, auch aus wirtschaftlichen Gründen sei es notwendig, auf erneuerbare Energien umzusteigen. Er spricht nicht den Klimawandel an, und schon gar nicht spricht er von Verzicht. Ganz im Gegenteil. Er spricht über die Notwendigkeit, Deutschland als Industriestandort zu erhalten. Damit sich aber Großkonzerne überhaupt entscheiden, in Deutschland zu investieren, sei die Frage ganz wichtig, ob Strom fließt und ob dieser aus erneuerbaren Quellen kommt.
Als Beispiel nennt er einen US-Chiphersteller, der in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) eine Fabrik bauen und 10.000 „gut bezahlte“ Industriearbeitsplätze schaffen wolle. Unter anderem ist in Überlegung, Windräder auf dem Gelände zu errichten, um den Industriepark so mit nachhaltigem und günstigem Strom zu versorgen. Kühnert sagt auch: In Magdeburg gebe es „die Kultur der offenen Arme“. Die Kommune sei bereit, Konflikte durchzustehen, die mit dem Bau der Fabrik einher gehen.

Kühnert plädiert dafür, den Ausbau von Windparks so zu gestalten, dass Bürger vor Ort und betroffene Kommunen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg haben. Als Blaupause könne ein Beteiligungsmodell des Landes Mecklenburg-Vorpommern dienen. „Das ist die Energiewende nach sozialdemokratischer Vorstellung.“ Er fügt an: „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Um den Bedarf zu decken, müssten jeden Tag drei bis vier neue Windräder entstehen. Er vermutet, dass bei einer Teilhabe ganz schnell ganz andere Bedigungen für den Ausbau herrschen. Wenn sich aber nur die Betreiber von Windparks die Taschen voll machen, und nichts vor Ort hängen bleibe, werde der Widerstand gegen die Windkraft weiter wachsen.
Als eine Herausforderung für die Zukunft sieht der Sozialdemokrat den Fachkräftemangel an. Es gelte, Bedingungen zu schaffen, die mehr Frauen in Vollzeitarbeit bringen. Die Mehrheit wolle dies, scheitere aber unter anderem an der fehlenden oder teuren Kinderbetreuung. Auch müssten sich Firmen von der alten Vorstellung lösen, dass Menschen im Alter von über 50 Jahren zum alten Eisen gehören.
„Mit jedem Lebensjahr ab Mitte 50 sinkt die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Job zu finden.“ So eine „Rosinenpickerei“ sei „respektlos“ gegenüber den Menschen, und volkswirtschaftlich ein Unsinn. „Wir können es uns nicht leisten, so mit Potenzialen umzugehen.“ Und dann spricht Kühnert von der Notwendigkeit, auch über Zuwanderung den Fachkräftemangel zu entgegnen.

Kühnert: „Das ist die Politik, die bestellt wurde“
Die Zeiten seien vorbei, in denen man „verdruckst“ um das Thema herumrede. Der SPD-Generalsekretär sagt dies in einer Zeit, in der Kommunen und Landkreise nicht mehr wissen, wie sie die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterbringen sollen. Auch in Konstanz wurde ein ehemaliges Festzelt zur Notunterkunft für Flüchtlinge. In den Sternen steht das Versprechen der SPD, mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen.
Doch die Unterbringung ist kein Thema an diesem Nachmittag. Kühnert sagt: Deutschland brauche in allen Sparten Arbeitnehmer aus dem Ausland. Es handle sich um ein „Ammenmärchen“, dass Deutschland ein bevorzugtes Ziel sei. Das Gegenteil sei der Fall: „Wir werden uns strecken müssen, damit die zu uns kommen.“ Es gelte Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen Anreiz bieten, hierzulande Arbeit aufzunehmen.
Ein Ansatz sei der von der SPD durchgesetzte Mindestlohn. Auch im Landkreis Konstanz habe dieser bei 20.000 Beschäftigten für mehr Geld in der Tasche gesorgt. „Das ist die Politik, die bestellt wurde.“ Auch in anderen Fällen habe die SPD einen finanziellen Ausgleich geschaffen: „Wir haben viel getan, um die Preise zu dämpfen.“ Der Generalsekretär verweist auf die Milliarden, die für Hilfen etwa im Zuge der Energiekrise bereit gestellt wurden.
Zum Krieg, den das russische Regime gegen die Ukraine führt, sagt Kevin Kühnert: „Augen auf an der Bahnsteigkante.“ Die SPD werde sich solidarisch gegenüber der Ukraine zeigen, aber auch künftig mit „ruhiger Hand“ dafür sorgen, dass man nicht aus Versehen in den Dritten Weltkrieg oder einen Atomkrieg rutsche. Kühnert spricht diese Worte allerdings nicht aus. Er verweist auf die Historie und wie aus einem Attentat in Sarajevo der Flächenbrand Erster Weltkrieg entstanden war.
Der Mann aus Berlin zeigt sich in Konstanz als gewandter und extrem schneller Redner. Zum Schluss wirbt er für die SPD. Wer Porto sparen wolle, dem unterschreibe er noch vor Ort einen Mitgliedsantrag. Frank Ortolf, der Vorsitzende der SPD Konstanz, hatte zu Beginn der Veranstaltung Neumitgliedern das rote Mitgliedsbuch der SPD überreicht.
Die Konstanzer SPD-Abgeordnete im Bundestag, Lina Seitzl, stellt über die Regierungsverantwortung beim Neujahrsempfang ihrer Partei fest: Die Zeiten seien nicht einfach. „Wir hätten uns anderes vorstellen können.“ Mit Blick auf die Herausforderungen meint sie: „Ich finde, wir machen das gar nicht so schlecht.“ Einer, der für Zusammenhalt innerhalb der Partei sorge, sei der Generalsekretär Kevin Kühnert.