Es ist ein starkes Bild. Zu Beginn der Beratung über die Finanzen der Stadt Konstanz fasst Oberbürgerbürgermeister Uli Burchardt das Wesen der kommunalen Selbstbestimmung treffend in einen Satz. Jeder Haushalt, sagt er, gleicht einem Maßanzug, den die Gemeinderäte für ihre Stadt oder Gemeinde individuell anzufertigen haben. Die Frage bleibt, wie schick man daher kommen muss und ob es bei der Garderobe nicht auch mal ein Blaumann sein kann.
Was Konstanz anbelangt, ist es nach Auffassung des OB mit einem Anzug nicht getan. Das liege daran, dass die Stadt wegen ihre besonderen Geschichte über eine Vielzahl von Gesellschaften beziehungsweise Beteiligungen verfüge, und zudem mit dem Klimaschutz ehrgeizige Ziele verfolge. Eben deshalb neigt Uli Burchardt zur Einrichtung eines weiteren Dezernats in der Stadtverwaltung. Und um dieses mit dem entsprechenden Wumms auszustatten, wird zurzeit im Gemeinderat über die Position eines Klimabürgermeisters nachgedacht.
Aufgeblähte Verwaltungsspitze?
Damit würde Konstanz neben dem Oberbürgermeister und seinen beiden Stellvertretern Andreas Osner (zuständig für die Bereiche Soziales, Kultur und Sport) und Karl Langensteiner-Schönborn (zuständig für die Bauverwaltung) über vier Dezernatsleiter verfügen. Wie berichtet gibt es allerdings mit Thomas Traber, der für das Personal und die Organisation in der Stadtverwaltung zuständig ist, faktisch noch eine weitere Spitzenkraft im Range eines Bürgermeisters. Fünf Bürgermeister – das wäre im Vergleich mit Städten ähnlicher Größenordnung eine weit mehr als nur auskömmliche Ausstattung der oberen Verwaltungsetage.
Im Gemeinderat wächst unterdessen das Unbehagen, weil zugleich beim Haushalt der alte Anzug schon längst nicht mehr passt. Jahr für Jahr fährt die Stadt ein Defizit ein, das von OB Burchardt auf etwa 15 Millionen Euro veranschlagt wird. Das Regierungspräsidium Freiburg als Kontrollbehörde mahnt deshalb in schärfer werdender Tonlage einen zurückhaltenden Umgang mit dem Geld ein, was den OB samt seiner Führungsriege zu einem doppelt schmerzhaften Vorschlag zur Konsolidierung der Finanzen bewegte. Neun Millionen Euro sollen künftig über die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer in die Kasse kommen, sechs Millionen Euro durch die Verschlankung oder erhöhte Effizienz in der Verwaltung eingespart werden.

Dabei freilich ist noch nichts aufs Konto des Klimaschutzes eingezahlt. Ein Verzicht darauf käme jedoch nach Auffassung des Oberbürgermeisters wie auch des Gemeinderats die Gesellschaft letztlich teuer zu stehen, weshalb Uli Burchardt zur Bank gehen und sich bis 2030 jährlich 15 Millionen Euro als Kredit geben lassen will. Dieser Betrag wiederum ist Wasser auf den Mühlen derjenigen, die den Klimaschutz mittels eines eigenen Dezernats den entsprechenden Schub verleihen wollen.
In der Diskussion selbst sieht sich der OB bislang allerdings weniger im Maßanzug als im Blaumann. Für den Vorschlag hatte er sich Anerkennung von den Stadträten erwartet, die ihn nach seiner Darstellung immer wieder zu mehr Tatendrang auffordern. Doch im zuständigen Fachausschuss überwogen die Bedenken. Zumal der Dreh an der Grundsteuer, die eine flächendeckende Erhöhung der Mieten zu Folge hätte, stößt auf Kritik.
Lediglich die Vertreter der Freien Grünen Liste (FGL) signalisierten die Bereitschaft, dass Vorschlagspaket mit den entsprechenden Zielvorgaben zwecks Ausarbeitung an eine eigens gebildete Konsolidierungskommission weiterzureichen. Bei anderen überwog die Skepsis – und sei es auch nur wegen des Verfahrens. Roger Tscheulin (CDU) beispielsweise mißhagt die Festlegung der Steuererhöhung ohne verbindliche Zusage von Einsparungen. Und SPD-Stadtrat Jürgen Ruff sieht wegen des Missverhältnisses von Steuererhöhungen von neun Millionen Euro und Einsparungen von nur sechs Millionen Euro einen erhöhten Erklärungsbedarf bei den Bürgern.
Überhaupt die Bürger: Gelegentliche Anmerkungen der Stadträte war die Sorge um eine wachsende Distanz von Stadtverwaltung und Gemeinderat zur Lebenswirklichkeit der Menschen zu entnehmen. Jan Welsch (SPD) erinnerte an die aktuelle Situation mit explodierenden Energiekosten und der drohenden Rezession, weshalb er eine Erhöhung der Grundsteuer zum jetzigen Zeitpunkt als problematisch einstuft. Und seinem Ausschusskollegen Achim Schächtle von der FDP passt die Kombination von Finanzen und Klimaschutz nicht. Letzterer sollte sich nicht am Geld, sondern am CO-2-Ausstoß beziehungsweise dessen Reduzierungsmöglichkeiten orientieren.
Bei Putin sind sich alle einig
Die kontrovers, zeitweise erfrischend emotional geführte Debatte beinhaltete zugleich einige Missverständnisse in Verbindung mit Hilflosigkeit angesichts der komplexen Herausforderungen. Günter Beyer-Köhler (FGL) beispielsweise setzt darauf, dass sich der Klimaschutz irgendwann aus sich selbst finanziert – etwa durch ein erhöhtes Fahrgastaufkommen im öffentlichen Nahverkehr, redete sich in Rage und endete schließlich in einer Beschimpfung von Waldimir Putin. Da immerhin schien im Ausschuss mit einem Mal Einigkeit zu herrschen.