Es ist mehr als ein Päckchen, mit dem Oberbürgermeister Uli Burchardt die 40 Stadträte des Konstanzer Gemeinderats am Donnerstagabend in nicht öffentlicher Sitzung ins Wochenende schickte. Es geht um den Versuch einer Neuordnung der städtischen Finanzen, mit der zweierlei erreicht werden soll. Ziel ist erstens die Beseitigung des strukturellen Defizits, durch die die Stadt zwangsläufig immer mehr in die roten Zahlen rutscht; zweitens will der OB die finanziellen Grundlagen zwecks Handhabe der Herausforderungen des Klimawandels schaffen. Wie er gegenüber dem SÜDKURIER ausführte, ist das Papier mit den beiden Bürgermeistern Karl Langensteiner-Schönborn und Andreas Osner abgesprochen.
Bei beiden Bereichen – also der Behebung des strukturellen Defizits und beim Klimaschutz – geht es jeweils um 15 Millionen Euro. Vereinfacht dargestellt sieht die Strategie für die Finanzplanung der nächsten zehn Jahre so aus, dass der Haushalt durch Einsparungen und Mehreinnahmen um 15 Millionen Euro pro Jahr entlastet wird, gleichzeitig soll dieser Betrag in den Klimaschutz investiert werden. Für die Bürger bedeutet dies spürbare Einschränkungen bei den Leistungsangeboten der Stadt beziehungsweise deren Verteuerung, wobei soziale Härten vermieden werden sollen. Gleichzeitig geht aus der Zahl der Stellenwert des Klimaschutzes hervor. Auf zehn Jahre summieren sich die Investitionen in diesen Bereich auf 150 Millionen Euro.
- Behebung des strukturellen Defizits: Beim Betrag von 15 Millionen Euro handelt es sich laut OB Burchardt um einen Mittelwert, tatsächlich schwanke das Defizit und lasse sich auch je nach Sichtweise unterschiedlich definieren. Dem allmählichen Abdriften in die Schuldenfalle will man durch Einsparung in Höhe von sechs Millionen Euro sowie durch Mehreinnahmen in Höhe von neun Millionen Euro entgegenwirken. Bei den Einsparungen sind Einschränkungen, aber grundsätzlich keine Streichungen der bisherigen Angebote geplant. Die Mehreinnahmen von neun Millionen Euro sollen über die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer hereingeholt werden. Damit – so die Rechnung der Rathausspitze – ist der Ergebnishaushalt mittelfristig ausgeglichen.
- Investitionen in den Klimaschutz: Mit den Einsparungen beziehungsweise Steuererhöhungen lassen sich nur die kurz- beziehungsweise mittelfristigen Finanzprobleme in den Griff bekommen, Geld für die Bewältigung neuer Herausforderungen steht damit noch nicht zur Verfügung. Das aber wird benötigt, wobei der Klimaschutz von der Verwaltungsspitze ganz oben auf der Prioritätenliste angesiedelt wird. 15 Millionen Euro sollen in diesen Bereich mittels Krediten investiert werden, was allerdings nicht als neuerliches strukturelles Defizit gedeutet wird. OB Burchardt spricht von einer „Belastung künftiger Generationen“. Für ihn handelt es sich um einen Fall der Generationengerechtigkeit: Während die ältere Konstanzer die aktuelle Belastung der Einsparungen und Steuererhöhungen zu spüren bekommen, sollen die jüngeren Menschen die Investitionen für den Klimaschutz schultern.
Auch zu den Details haben sich OB Burchhardt, seine Dezernatsleiter sowie deren Ressortleitungen zum Teil schon Gedanken gemacht. Beispiel: Die geplante Erhöhung der Grundsteuer dürfte sich auf den durchschnittlichen Mieter einer Wohnung der städtischen Wohnbaugesellschaft Wobak mit einer finanziellen Belastung von 60 bis 80 Euro im Jahr auswirken, was der Oberbürgermeister als „noch vertretbar“ bezeichnet. Gleichzeitig sollen Teile der Zusatzeinnahmen für Entlastungen eingesetzt werden, die zugleich den Zielen des Klimaschutzes oder etwa der Mobilitätswende dienen. So soll ein 360-Euro-Jahresticket für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs angeboten werden.
Bei der Erhöhung der Steuern will man ferner Härtefälle vermeiden beziehungsweise für Kompensationen sorgen. Gedacht ist dabei an eine Schülermonatskarte für zehn Euro für kinderreiche Familien sowie eine Aufstockung der Finanzen für Leistungen für Sozialpass-Besitzer um 300.000 Euro.
Erstmals öffentlich diskutiert werden soll die Zeitenwende in der Planung der städtischen Finanzen im Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderats am Mittwoch, 11. Mai, um 16 Uhr in den Räumlichkeiten von hedicke‘s Terracotta in der Luisenstraße 9, da hier mehr Platz als im Rathaussaal zur Verfügung steht und die Stadtverwaltung wegen der Pandemie weiter auf Nummer sicher gehen möchte. Mit einer einmaligen Aussprache wird es nach Einschätzung des Oberbürgermeisters aber nicht getan sein. Deshalb wird zusätzlich eine Haushaltsstrukturkommission mit Vertretern der im Gemeinderat befindlichen Fraktionen gebildet.