Der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz gemeinnützige GmbH begeht in rund einem Monat seinen elften Geburtstag. Doch zum Feiern ist niemandem zumute. Oberbürgermeister Uli Burchardt präsentierte dem Gemeinderat in schonungsloser Offenheit den Jahresabschluss 2020 der Holding.

Das englische Wort holding bedeutet so viel wie „haltend“ oder „innehabend“, denn genau dieses Halten definiert ihre Struktur: Das übergeordnete Unternehmen – das herrschende Mutterunternehmen – hält Geschäftsanteile an einem untergeordneten Unternehmen – dem abhängigen Tochterunternehmen.

„Der Konzernabschluss hat ein Defizit von knapp zehn Millionen Euro, wir gehen auch für 2021 von einem erheblichen Defizit aus“, sagte der Oberbürgermeister mit ernster Miene. „Im Moment wird der Plan für 2022 erstellt.“ Es seien umfangreiche Gutachten in Auftrag gegeben worden. Von den Ergebnissen, die in den kommenden Wochen und Monaten vorliegen sollen, „erwarten wir Vorschläge für markante Verbesserungen“.

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Die Verantwortlichen betrachten die Versorgungssituation des gesamten Landkreises aus zwei Perspektiven: zum einen aus der Versorgungsnotwendigkeit, zum anderen aus der Wirtschaftlichkeit. Burchardt versicherte, dass bereits jetzt vonseiten der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates alles getan werde, „um von den Verlusten wegzukommen. Es gibt eine ganze Reihe von schnellen und mittelmäßig schnellen Maßnahmen“.

Der Kreistag unterstütze den Verbund nach Kräften, so beim Masterplan Digitalisierung und weiteren Baumaßnahmen – immer mit dem großen Ziel vor Augen, die Klinik in kommunaler Hand zu behalten, wie der Oberbürgermeister wiederholt betonte: „Ich gehe davon aus, dass das unser aller Wunsch ist. Man kann weitgehend sicher sein: Der Verbund wird mittelfristig Hilfe von öffentlicher Hand benötigen – ob über die Kreisumlage oder über Gesellschafteranteile ist erst einmal sekundär, aber Fakt ist: Die Kliniken werden weiterhin Geld kosten und klar ist auch: Im Moment kosten sie mehr als wir uns leisten können.“

OB: „Es wird erhebliche Maßnahmen brauchen“

Mit dieser Struktur und mit diesen Zahlen könne man nicht in die Zukunft gehen, es werde tiefgreifende Einschnitte ins gesamte Angebot des Verbundes geben. Burchardt: „Es ist mir wichtig, der Öffentlichkeit zu sagen: Es wird erhebliche Maßnahmen brauchen – das ist kein Konstanzer Problem und auch kein Problem des Gesundheitsverbundes im Landkreis Konstanz. Kliniken sind unter erheblichem Kostendruck und werden unter erheblichen Druck gesetzt. Der Staat möchte die Kliniken weiterhin zentrieren, möchte einige Kliniken vergrößern und andere schließen.“

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Das sei im Grunde genommen die politische Zielsetzung, die seit vielen Jahren dahinterstecke, und das spüre der Verbund in Form einer sich ständig drehenden Schraube. Das könne man richtig oder falsch finden, „wir jedenfalls finden das für unsere Region problematisch. Aber wir müssen darauf reagieren und wir werden das wohlüberlegt und mit Augenmaß tun und wollen jetzt erst einmal diese schnellen Maßnahmen ergreifen“.

Das Thema werde die Stadt Konstanz mit ihrem Haushalt begleiten, „denn wir müssen davon ausgehen, dass uns das die kommenden Jahre beschäftigen wird. Das müssen wir immer im Hinterkopf haben, wenn wir uns fragen, was wir uns leisten wollen und können“.

So reagieren Räte auf die Ausführungen

Normen Küttner (FGL) brannte es während dieser Worte des Oberbürgermeisters unter den Nägeln. Als er dann an die Reihe kam, brach eine ...
Normen Küttner (FGL) brannte es während dieser Worte des Oberbürgermeisters unter den Nägeln. Als er dann an die Reihe kam, brach eine er große Lanze für die Mitarbeiter der Klinik: „Die Situation liegt nicht an der Leistung des Personals“, sagte er. „Wir möchten betonen: Die reißen sich den Ar... auf, damit der Verbund überhaupt am Laufen bleibt.“ | Bild: SK
Markus Nabholz (CDU), Pfleger im Ruhestand und jüngst nach einem Fahrradunfall als Patient in der Klinik, spricht aus doppelter ...
Markus Nabholz (CDU), Pfleger im Ruhestand und jüngst nach einem Fahrradunfall als Patient in der Klinik, spricht aus doppelter Erfahrung: „Die Ansprüche werden immer höher. Wenn wir ein rigides Sparprogramm fahren, müssen wir das der Bevölkerung klarmachen.“ Wie bisher gehe es nicht weiter, sagte Nabholz. „Manche Service-Leistung zum Beispiel in der Küche oder bei der Reinigung müssen wir zurückfahren – nicht aber im Bereich der Medizin.“ | Bild: SK
Ewald Weisschedel (FW), promovierter Arzt und daher ein Mann vom Fach, ist überzeugt, „dass ein Leistungsabbau schwer zu ...
Ewald Weisschedel (FW), promovierter Arzt und daher ein Mann vom Fach, ist überzeugt, „dass ein Leistungsabbau schwer zu vermitteln ist. Wir können ja nichts für die Situation, sondern Bund und Land sind daran schuld und wir arbeiten mit Nachdruck daran, Bereiche zu finden, in denen man sparen kann. Durch den Zusammenschluss der Kliniken im Landkreis konnten wir ein wenig Luft holen. Und wenn jetzt Strukturänderungen kommen, haben wir zwei Jahre Luft und dann wieder Druck.“ Er sei nun seit rund 30 Jahren im Gemeinderat. Seither sei die Situation der Klinik unverändert und immer wieder werde der Begriff der Schraube benutzt. | Bild: SK
Für Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) hat bei allen Überlegungen die kommunale Trägerschaft existenzielle Bedeutung: „Wir dürfen ...
Für Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) hat bei allen Überlegungen die kommunale Trägerschaft existenzielle Bedeutung: „Wir dürfen das nicht infrage stellen und warten nun auf die Gutachten.“ Einsparungen seien zwar nicht immer erfreulich, „aber wir können nicht weitermachen wie bisher“. Dass die Stadt Konstanz jährlich zwei, drei Millionen Euro zahle, sei eine solidarische Entscheidung. | Bild: SK
Heinrich Everke (FDP), praktizierender Allgemeinmediziner, überraschte seine Ratskollegen sichtbar: „Wir dürfen die Privatisierung ...
Heinrich Everke (FDP), praktizierender Allgemeinmediziner, überraschte seine Ratskollegen sichtbar: „Wir dürfen die Privatisierung im Gesundheitsverbund nicht verteufeln. Nehmen wir das Beispiel Überlingen – hier finden wir nur zufriedene Menschen.“ | Bild: SK

Leserbrief zu diesem Thema

Dr. med. Aram Bani, Facharzt für Neurochirurgie, Schmerztherapie und neurochirurgische Intensivmedizin (Singen), schrieb der SÜDKURIER-Redaktion zu diesem Artikel:

„Kaum ist die Corona Krise im Griff, werden die Stimmen laut, dass die Krankenhäuser der Gegend defizitär seien. Dabei werden aus Leistungen der Mitarbeiter des Verbunds in allen Standorten im GLKN nur Zahlen gemacht. Die Ausführungen von Herrn OB Burchardt und Dr. Everke sind eine schallende Ohrfeige für alle Klinikmitarbeiter, die ab März 2020 nicht nur Covid-19-Patienten behandelten, sondern auch das gesamte Spektrum der Medizin. Allein die Zentrale Notaufnahme im Klinikum Singen behandelte im Jahr 2020 fünfunddreißigtausend Patienten.
Unser Gesundheitsminister verabschiedete während seiner Amtszeit über 40 Gesetze in Akkord im Gesundheitswesen unter anderem das leidige Pflege Personal Untergrenzen Verordnung. Das Klinikpersonal arbeitet täglich bis zum Umfallen. Die Arbeitsbedingungen werden auch im Laufe der Zeit nicht besser. Mich wundert es sowieso, warum sie jeden Tag doch zur Arbeit erscheinen. Alle verdienen unsere Beachtung, Hochachtung und Anerkennung.
Herr Dr. Everke (FDP) schreibt, dass es in Überlingen nur zufriedene Menschen gäbe und führt dies auf die Privatisierung zurück. Leider ist dies falsch, denn alle Kliniken in Deutschland, Europa und weltweit litten an den Folgen von Corona. Auch Überlingen blieb nicht verschont. Gesundheit ist ein teures Gut, an dessen Aufrechterhaltung die Politik festhalten muss.
Das Gesundheitssystem in Deutschland ist sicherlich reformbedürftig, allerdings nicht auf Kosten der Mitarbeiter. Die Versorgung von Patienten in den Krankenhäusern darf kein Profitgeschäft werden, auch wenn wir wirtschaftlich arbeiten müssen. Die Polizei und die Feuerwehr machen auch keine Gewinne. Das gilt auch für die Gesundheitsversorgung in unserem Lande, an der so viele Länder der Welt gescheitert sind.“

  • Anmerkung der Redaktion: Leserbriefe geben die Meinung der Einsendenden wieder.