Die Sonne scheint, die Menschen suchen Abkühlung. Was liegt näher, als sich an den vielen Uferwegen in Konstanz ein schönes Plätzchen zu suchen und in den See zu springen? Genau das passiert in diesen Tagen am Schänzle, im Herosépark und immer öfter auch an der Seestraße.
Letzteres stößt einigen Bürger sauer auf. Einer von ihnen ist Volker Schönknecht, der in der Nähe wohnt. „Konstanz leistet sich mit dem Hörnle das größte Gratisfreibad am Bodensee. Warum lässt die Stadt es dann zu, dass sich die Seestraße, der schönste Boulevard der Konzilstadt, regelmäßig in ein großes Badeparadies verwandelt?“, fragt er.

Ihn stören Menschen aller Altersgruppen, die ihre Handtücher und Kleidung auf dem Gehweg zwischen Wasser und Bänken sowie auf den Bänken ablegen. „So werden diese über einen längeren Zeitraum blockiert, obwohl sie auch für ältere Menschen zum Ausruhen gedacht sind“, sagt der 78-Jährige, ehemaliger Flugkapitän bei Swissair.
„Auch SUP-Boards und Schlauchboote liegen herum, sogar eine Hängematte wurde zwischen einem Baum und einer Laterne gespannt. Es ist zeitweise so schlimm, dass es für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte kein Durchkommen mehr gibt“, sagt Volker Schönknecht, der früher in der Schweiz wohnte.

„In Zürich wäre sowas undenkbar. Ich habe in Konstanz schon Touristen kopfschüttelnd vorbeilaufen sehen“, sagt er und betont: „Es geht mir nicht darum, den Leuten das Baden zu vermiesen, wir baden ja selbst an der Schmugglerbucht. Genau dahin könnten die Leute ja gehen, auch das Hörnle ist nicht weit weg. Aber es ist natürlich bequemer, sich an die Seestraße zu legen.“
Das bestätigt die Studentin Carlotta Gabele. „Für mich ist die Seestraße als Badeort nah, außerdem sind dort Bänke zum Sitzen und an den Treppen kann man gut ins Wasser gehen“, so die Konstanzerin.

Außerdem sei die Stimmung an der Seestraße entspannter und es sei nicht so voll wie im Hörnle. „Sonst bade ich hier nicht so viel, aber dieses Jahr ist das Wasser durch den hohen Pegelstand sauberer, es gibt wenige Algen“, sagt Gabele.
Empörung über viel nackte Haut
Werner Kohler, der gern an der Seestraße spazieren geht, stört sich nicht daran, wenn jemand dort kurz ins Wasser springt und wieder nach Hause fährt. „Aber das Lagern finde ich nicht schön“, sagt der 77-Jährige. „Manchmal sieht es dort aus wie im Freibad! Die einzige Flanierstraße in Konstanz wird dadurch verunstaltet.“
Auch Tage später empört ihn folgendes Erlebnis: „Mir kam neulich auf der Seestraße eine Dame im Stringtanga entgegen. Muss das sein? Oder sind wir nur zu alt und zu prüde?“, fragt sich Werner Kohler und betont: „Mit meiner Meinung bin ich nicht alleine!“ Viele fragten sich auch, wo all die Menschen ihr Geschäft erledigen.

Hans Martin hat Ähnliches beobachtet. Er wohnt in der Nähe und findet es nicht passend, wenn Menschen mitten auf dem Weg im Kreis sitzen und Fahrräder herumliegen. „Viele haben laute Musik dabei, essen und trinken auf der Straße. Nach 22 Uhr liegen überall Pizzakartons und Flaschen herum“, sagt Hans Martin.
Er spricht die betreffenden Personen aber nicht an. „Das bringt sowieso nichts“, meint der 74-Jährige. Nur eines stört ihn: „Polizei und Kommunaler Ordnungsdienst kommen an der Seestraße und Schmugglerbucht oft nur nachmittags vorbei, dabei ist abends viel mehr los.“
Was ist aber nun mit dem von Volker Schönknecht gewünschten Badeverbot an der Seestraße? In Friedrichshafen beispielsweise gilt laut Polizeiverordnung: „Das Baden im Bodensee ist entlang der Ufer- und Seestraße und entlang der Hafenanlagen verboten.“
Auch in Konstanz gab es einst ein Badeverbot
In Konstanz gab es an der Seestraße früher auch mal ein Badeverbot. Davon erzählt Konrad Frommer, ehemaliger Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz. „Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, hat einmal während der Fasnacht Konstanz besucht“, erzählt Frommer. „Damals galt an der Seestraße ein Badeverbot, es standen mehrere Schilder im Wasser.“
Warum er sich daran so gut erinnert? „Erwin Teufel wurde damals Burgherr der Niederburg. Die Verleihung fand traditionsgemäß im Konzil statt, am 14. November 2009“, sagt Frommer, der dort ebenfalls als Burgherr anwesend war.
„Im Rahmen seiner Burgherren-Rede hat der Ministerpräsident scherzhaft über Konstanz gelästert und dabei auch seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht, dass er in Baden beim Spaziergang an der Konstanzer Seepromenade Schilder gesehen hat mit der Aufschrift ‚Baden verboten‘“, so Frommer. „Das trug zur besonderen Erheiterung des Publikums bei.“ Irgendwann verschwanden die Schilder aber wieder.

Heute kann sich die Verwaltung ein Badeverbot an der Seestraße nicht mehr vorstellen. So sagt Anja Fuchs, Pressesprecherin der Stadt Konstanz: „Wir sind froh, öffentlich zugängliche Ufer zu haben und ein Leben am See zu ermöglichen.“
In der Konstanzer Umweltschutz- und Polizeiverordnung würden die wichtigsten Punkte zum Aufenthalt am Ufer geregelt. „Ein Durchkommen auf den Wegen vor Ort ist uns wichtig, das wird auch regelmäßig kontrolliert“, so Anja Fuchs. „Letztlich gilt auch hier unser Appell auf Rücksicht und ein umsichtiges Miteinander.“
Hotel-Chefin: „Ich wäre gegen ein Badeverbot“
Genau daran scheint es manchmal zu hapern. So appelliert Julia Kolb, Inhaberin des Fünf-Sterne-Hotel Riva an der Seestraße, an Bürger und Touristen: „Wenn wir alle die Seestraße nutzen wollen, sollten wir alle auch darauf achten, dass es ordentlich bleibt und die Nachtruhe eingehalten wird. Man kann die Verantwortung nicht nur auf die Stadt schieben.“

Dennoch sagt sie klar: „Ich wäre gegen ein Badeverbot. Es ist schön, wenn Leben an der Promenade ist, hier treffen sich Jung und Alt. Auch unsere Gäste genießen es, wenn sie morgens in den See hüpfen können.“
Allerdings schränkt die Inhaberin ein: „Dass der Grünstreifen direkt vor unserer Terrasse von Leuten in Bademode als Liegewiese genutzt wird, ist nicht in unserem Sinne.“ Da dies öffentlicher Grund ist, könne sie aber nichts machen.

Volker Schönknecht und seine Frau haben keine guten Erfahrungen im Umgang mit anderen gemacht: „Wir betreuen eine Frau im Rollstuhl“, sagt der 78-Jährige. „Als meine Frau jemanden angesprochen hat, der mitten auf dem Weg lag, erhielt sie zur Antwort: ‚Was willst du, Alte?‘“