Für die Konstanzer kommt der Vorstoß überraschend. Wer hat schon von einem Mobilitätspass gehört? Die Bürger eher weniger, denn das Landesmobilitätsgesetz wurde gerade erst beschlossen. Verwaltungsmitarbeiter und Politiker kennen sich da besser aus, wie es sich mit der Zwangsabgabe verhält, die den defizitären ÖPNV ein Stück weit retten soll. Einig sind sich die Konstanzer Bürgervertreter nicht. Im Gegenteil: Da prallen Fronten aufeinander, während die Verwaltung dezent herumlaviert.
Ein wichtiges Thema für die Grünen
Das neue Landesmobilitätsgesetz war noch nicht beschlossen, da stellten FGL&Grüne bereits einen Antrag. Ihre Forderung: Die Verwaltung soll prüfen, wie diesbezüglich schnellstmöglich ein Einvernehmen mit dem Landkreis hergestellt werden könne. Im Fokus solle unter anderem die Erhebung von Abgaben mittels Mobilitätspass zur Finanzierung respektive Förderung des ÖPNV stehen.
„Es ist ein wichtiges Thema für uns“, bekräftigt Lisa Kreitmeier (FGL&Grüne) in der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA). Von Interesse sei, wie viel Geld zusammenkäme, wenn beispielsweise ein „Zehner pro Person und Monat“ abgegeben würde.

Diesen Prüfungsauftrag erachtet Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn als verfrüht. Zunächst sollten sich Städtetag und die Landkreise abstimmen. Der erste Schritt sei der Landkreis. Erst wenn dieser keinen Mobilitätspass einführe, wäre die Stadt am Zug. Eine Berechnung wäre aus der Luft gegriffen. Von „vorauseilendem Gehorsam“ rät er ab.
Einige Stadträte wähnen Arges
Doch damit hat er eine Diskussion nicht unterbunden, denn einige Stadträte sind hellhörig und wachsam, weil der Begriff Mobilitätspass auch schon im Klimamobilitätsplan und im Nahverkehrsplan steht – zwei Themen, die ebenfalls in dieser Sitzung behandelt werden. Das macht einige Bürgervertreter äußerst stutzig.
Der ÖPNV solle mit den Einnahmen durch den Mobilitätspass verbessert werden, erklärt Verkehrsplaner Stephan Fischer. „Der ÖPNV ist krank.“ Die Frage sei, welche Medizin verschrieben werde. „Die Abgabe in der heutigen Zeit ist eine bittere Pille“, so Fischer. Doch ohne diese Abgabe könne der ÖPNV nicht verbessert werden. Ob der Mobilitätspass eingeführt werde, das sei eine politische Entscheidung, so Fischer.
„Ein unglückliches Zeichen“, stellt Levin Eisenmann (CDU) fest. „Die Tinte ist noch nicht trocken und jetzt wird vom Mobilitätspass gesprochen, als wäre er ein Allheilmittel.“ In Konstanz wurde schon vieles teurer, Gebühren und Steuern erhöht oder neu eingeführt. „Jetzt die nächste Abgabe. Da fehlt den Menschen das Verständnis. Das ist nicht sozial gerecht“, so Eisenmann.

SPD ist entschieden gegen die „Kopfsteuer“
Entschieden und vehement äußert sich auch Andreas Hennemann (SPD) gegen das neue Gesetz und die Einführung eines Mobilitätspasses, dann das hätte „weitreichende Konsequenzen für die Stadt“. Der Grund: „Weil dieses Gesetz unnötige Bürokratie schafft und eine Finanzierung vorsieht, die sozial ungerecht ist“, so Hennemann.
„Der vorgesehene Mobilitätspass wirkt faktisch wie eine Kopfsteuer, die unabhängig vom Einkommen für alle Bürgerinnen und Bürger gleich hoch ist.“ Diese soziale Ungerechtigkeit sei nicht akzeptabel.

„Ein Gutschein ist ein Geschäft auf Vorrat – verkauft wird eine Leistung, von der man insgeheim weiß, dass sie oft gar nicht abgerufen wird“, so Hennemann, der von unfairer Mobilitätspolitik spricht.
Nur die Konstanzer müssten die Kopfsteuer zahlen, Pendler, die in die Stadt kommen, hingegen nicht. Das neue Gesetz sei weder fair noch praxistauglich. Die SPD plädiere für eine Neufassung des Gesetzes oder zumindest für eine sozial gerechte Ausgestaltung, so Hennemann.
Zusatzabgabe ist ungerecht
„Ungerecht“, poltert auch Achim Schächtle (FDP). Seine Schwiegermutter, die im Pflegeheim liege, müsste auch zahlen. Und dass das Guthaben nicht übertragbar sei, findet er auch schwierig. „Das ist schon die Ausgestaltung. Das ist nicht unser Job heute“, wirft Langensteiner-Schönborn ein. Die Diskussion ist trotzdem nicht am Ende.
Der Mobilitätspass sei unausgegoren, findet nämlich auch Daniel Hölzle (FWK). Für ihn ist „eine Lösung für Konstanz unvorstellbar“. Wenn, dann wäre nur eine Einführung auf Landkreis-Ebene denkbar.

„Müssen wir immer die Ersten sein? Damit sind wir ab und zu ordentlich daneben gelegen“, meint auch Manfred Hölzl (CDU). Er denkt an die ohnehin schon gestiegene Mitarbeiterzahl in der Verwaltung und die mit der Einführung verbundenen Mehrarbeit, wenn er sagt: „Wer soll‘s machen? Wir sprechen immer von Überlastung.“
Abgabe ist nötig für eine autofreie Innenstadt
Holger Reile (LLK) hingegen hält die Einführung eines Mobilitätspasses grundsätzlich für sinnvoll, denn Konstanz fehle Geld. Im Endeffekt sei die Einführung die einzige Alternative, den motorisierten Individualverkehr zu verdrängen. „Es ist sinnlos, Parkplätze zu streichen, wenn wir keine vernünftige bezahlbare Alternative anbieten können.“

Reile spricht von anderen Städten, wo es den ÖPNV zum Nulltarif gebe. Auch Radolfzell und Kreuzlingen mit ihrem Ein-Euro- beziehungsweise Ein-Franken-Ticket zieht er als positive Beispiele heran. In Konstanz hingegen würden die Buspreise verteuert. „So wird das nichts mit der autofreien Innenstadt“, so Reile.
„Ich sehe die Welt anders als Holger Reile“, meldet sich Sabine Feist (CDU) zu Wort. Der Mobilitätspass „ist total ungerecht“, denn: Wer in Konstanz mit dem Rad unterwegs sei, müsste die Zwangsabgabe auch leisten. Das sei ebenso wie beim Rundfunkbeitrag, den man entrichten müsse, auch wenn man weder Fernseher noch Radio besitze. Sabine Feist stellt klar: „Ich halte nichts von einer Zwangsabgabe. Wer nutzt, der zahlt.“
Und was ist das Ende der Kontroverse: Lisa Kreitmeier zieht im Namen ihrer Fraktion den Prüfantrag zurück. FGL&Grüne wünschen sich auch einen Mobilitätspass für den gesamten Landkreis. Und sie sagt in Richtung Stadtverwaltung: „Wir hoffen auf eine proaktive Vorlage als Information.“