Das Gesetz war noch gar nicht verabschiedet, da stellte die Fraktion von FGL&Grüne bereits einen Antrag. Damit bringt sie das Thema auf die Tagesordnung des Technischen und Umweltausschusses, der am Donnerstag, 3. April, um 16 Uhr im Verwaltungsgebäude Laube öffentlich tagt. Und dabei geht es um eine brisante Frage: Müssen auch Menschen und möglicherweise insbesondere Autobesitzer, die nie einen Bus oder Seehas benutzen, über eine neue Zwangsabgabe den Nahverkehr mitfinanzieren?
Der Fraktion geht es vor allem um eine digitale Parkraumkontrolle mittels Scan-Fahrzeugen und die „Erhebung von Abgaben zur Finanzierung/Förderung des ÖPNV mittels eines Mobilitätspasses“. Sie will, dass die Verwaltung prüft, welche Auswirkungen das neue Gesetz auf den städtischen Haushalt haben kann und wie schnellstmöglich ein Einvernehmen mit dem Landkreis hergestellt werden kann. Aber worum geht es überhaupt? Wir haben alle Fragen und Antworten.
Was ist ein Mobilitätspass?
Der Mobilitätspass ist ein neues, kommunales Finanzierungsinstrument in Baden-Württemberg. Mit ihm werden zusätzliche Gelder durch Abgaben erzielt, die in Ausbau- und Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) vor Ort fließen. Er ergänzt die originären Finanzierungssäulen, die aus Fahrgeldeinnahmen und Steuergeldern bestehen.
Was ist das Ziel eines Mobilitätspasses?
Zum einen soll die Verbesserung des ÖPNV durch zusätzliche Gelder vorangetrieben werden. Außerdem soll ein Anreiz geschaffen werden, damit mehr Menschen das Angebot nutzen und auf das Auto verzichten, um so den Klimaschutz vor Ort voranzutreiben.
Ist der Mobilitätspass ein Muss?
Nein. Landkreise und große Kreisstädte können selbst entscheiden, ob sie einen Mobilitätspass einführen wollen oder nicht. Sie können auch selbst wählen, wer die entsprechenden Abgaben zu entrichten hat. Die Einführung obliegt der Kommune, entsprechende politische Entscheidungen vorausgesetzt. Wenn Stadt oder Kreis sich dafür entscheiden, müssen die Bürger mitmachen.
Müssen alle Bürger die zusätzliche Nahverkehrsabgabe entrichten?
Das entscheidet die Kommune. Sie hat zwei Möglichkeiten: Sie kann einen Einwohnerbeitrag einführen. Dann müssten die Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren eine Abgabe leisten. Oder sie kann die Abgabepflicht auf Halter von Kraftfahrzeugen, darunter beispielsweise Autos und Motorräder, beschränken. In beiden Fällen sind Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen möglich.
Wie viel Geld wird der Pass den Bürger oder Fahrzeughalter kosten?
Die Höhe der Abgabe legt die Kommune nach den entsprechenden politischen Beschlüssen in einer Satzung fest. Die Abgabe darf allerdings nicht unverhältnismäßig sein. Im Rahmen von Modellberechnungen wurden zehn bis 15 Euro pro Monat zugrunde gelegt. Im Gesetzentwurf ist von einer Obergrenze die Rede: Sie dürfe die Höhe des teuersten vor Ort angebotenen ÖPNV-Monatsticket nicht überschreiten. Ein Anhaltspunkt über aktuelle Preise: Eine übertragbare Monatskarte für den Bus der Stadtwerke Konstanz kostet 58 Euro – ebenso viel wie das Deutschlandticket.
Gibt es eine Gegenleistung?
Wer für den Mobilitätspass eine Abgabe leisten muss, bekommt als Gegenleistung ein Guthaben für ein ÖPNV-Ticket beim örtlichen Verkehrsverbund in gleicher Höhe. Das Guthaben kann nur für den Kauf einer personalisierten Zeitkarte – mindestens Wochenkarte – des Nahverkehrsangebots verwendet werden und ist daher nicht übertragbar. Allerdings kann eine Kommune auch eine Übertragbarkeit regeln, dabei muss aber ein „Guthabenhandel“ ausgeschlossen sein. Allerdings ist es nicht egal, wann das Mobilitätsguthaben eingelöst wird. Laut Gesetzentwurf verfällt das Guthaben. Nach der Bereitstellung muss es innerhalb von zwölf Monaten eingelöst werden.
Führt die Einführung zu Mehrkosten und wohin fließen die Einnahmen?
„Bei der Einführung eines Mobilitätspasses entstehen bei den Kommunen Kosten, die jedoch zu höheren Einnahmen führen werden“, heißt es im Entwurf des Gesetzestextes. Zunächst bekommen die abgabepflichtigen Bürger ihr Mobilitätsguthaben. Wird es nicht eingelöst, gibt es einen Überschuss. Dieser ist zweckgebunden für den ÖPNV-Ausbau zu verwenden. Der Überschuss darf auch für den Verwaltungs- und Erhebungsaufwand, der für den Mobilitätspass erforderlich ist, verwendet werden, heißt es im Gesetzentwurf.
Welche Vorteile und Nachteile hat ein Mobilitätspass?
Der defizitäre ÖPNV wird finanziell unterstützt. Es wird ein Anreiz geboten, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, damit die Zahl der Autos letztlich sinkt. Der Nachteil: Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg geht wegen der finanziellen Mehrbelastung der Bürger von „erheblichen Akzeptanzproblemen“ aus. Auch sei mit einem Mehraufwand in der Verwaltung zu rechnen.
Ist in Konstanz schon alles beschlossene Sache?
Nein. Das Gesetz ist ganz neu. Die Fachämter müssen sich erst in die Thematik einarbeiten und – wie von der Fraktion FGL&Grüne beantragt – den Gemeinderat über Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung informieren. Dann erst beginnen die politischen Debatten, denn schließlich geht es nicht nur um den Klimaschutz, sondern auch – falls sich die Konstanzer Politik für eine Einführung des Mobilitätspasses entscheidet – um die sozialgerechte Umsetzung. Das geht nicht von heute auf morgen.