Peter Kolb schaut vom Schreiben auf. Was er sieht, passt exakt zur Botschaft, die er Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Form eines offenen Briefes mitteilen möchte. „Gerade jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, sind in unserem Unternehmen 19 Besucher auf einer Verkaufsfläche von 2500 Quadratmeter anwesend“, vermerkt er in seinem schriftlichen Protest gegen die jüngsten Verordnungen zum Schutz vor Corona.

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Die Beschreibung des Moments bildet für den Chef des 1862 gegründeten Konstanzer Traditionsunternehmen Sport Gruner, das er seit 1976 zusammen mit seiner Familie betreibt, die Grundlage für seine allgemeine Überlegung. „Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr im Einzelhandel, der nicht zur Grundversorgung gehört und in dem Kunden eine FFP2-Maske tragen müssen? Und wie hoch ist die Ansteckungsgefahr in einem voll besetzten Bus, bei dem – wenn überhaupt – nie lückenlos kontrolliert wird und im ÖPNV nicht einmal eine FFP2-Maske getragen werden muss?“

Peter Kolb: „Beleidigung meiner Intelligenz“

Für Peter Kolb ergibt sich aus dem Vergleich die Unausgewogenheit der aktuellen Verordnungen in Baden-Württemberg. Und nicht nur das, er empfindet die Regelung als Beleidigung seiner Intelligenz. „Wenn Sie oder jemand aus der Landesregierung mir diese Verordnungen plausibel erklären können“, so heißt es in dem offenen Brief an den Ministerpräsidenten, „stelle ich mich vor unseren Betrieb und sage öffentlich, dass ich ein Idiot bin!“

Wäre es nur die Tonlage des Schreibens, ließe sich das Schreiben in Stuttgart als eine in der Pandemie ebenso verständliche wie vorübergehende Unmutsäußerung einordnen. Doch Peter Kolb hat Argumente. Er listet penibel auf, welche Geschäfte im Ländle zu den Grundversorgern gehören, in denen laut Verordnung keine Ausweiskontrollen und Covid-Checks vorzunehmen sind. Dazu zählen neben Supermärkten unter anderem Hörakustiker, Orthopädieschuhtechniker, Waschsalons und Wochenmärkte, Blumenfachgeschäft oder Gärtnereien.

Gedränge bei Geschäften der Grundversorgung

Sportgeschäfte wie das von Peter Kolb aber zählen nicht zu den Grundversorgern und diese müssen im Gegensatz zu den Grundversorgern von den Kunden einen Nachweis gemäß der 2G-Regelung verlangen. „Wenn ich mich recht erinnere“, so führt der 62-Jährige aus, „finden 80 Prozent aller Bewegungen im Einzelhandel bei den Grundversorgern statt. Dort drängen sich Menschen auf den Flächen als gäbe es kein Corona und die Ansteckungsgefahr ist hier viel größer als im restlichen Einzelhandel.“

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Vermutlich hätte Peter Kolb die von ihm als unausgewogen empfundene Unterscheidung von Einzelhandelsunternehmen auf sich beruhen lassen, wenn er nicht in Konflikt mit dem Bürgeramt geraten wäre. Das stellte im Rahmen einer Kontrolle des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) am 11. Januar fest, dass „die in der Alarmstufe II aktuelle 2G-Zutrittsregelung im Betrieb von Peter Kolb noch Nachbesserungen“ erfordern.

Demnach würde die Kontrolle zwar mittels eines Scanners umgesetzt, allerdings habe zum Zeitpunkt der KOD-Visite kein Mitarbeiter von Sport Gruner den Scanner im Blick gehabt. „So war es möglich, dass unser KOD-Mitarbeiter und weitere Kunden das Gerät ohne Vorlage des 2G-Nachweises ungehindert passieren konnten“, so der Wortlaut der Rüge der Abteilungsleiterin im Bürgeramt, Bettina Parschat.

Die Abteilungsleiterin samt KOD machen nach Einschätzung von Peter Kolb nur ihren Job, weshalb er dem Ordnungsamt keine direkten Vorwürfe machen will. Dennoch wird für ihn das „politische Versagen rund um das Ministerium von Manfred Lucha“ nicht dadurch besser, dass dieses an der Basis ohne Augenmaß umgesetzt wird. Kontrollen beispielsweise in Bussen wären nach seiner Auffassung sinnvoller als im Einzelhandel. Das aber unterbleibe, was der Geschäftsmann letztlich darauf zurückführt, dass „die Einzelhändler bei Corona inzwischen die Idioten der Nation sind“.

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Was sagt die Landesregierung dazu?

Die stellvertretende Regierungssprecherin der Landesregierung, Caroline Blarr, drückt in einem SÜDKURIER-Fragenkatalog zum offenen Brief von Peter Kolb ihr Verständnis für Einzelhändler aus, die mit ihren Angeboten nicht der Grundversorgung zugerechnet werden und sich dadurch benachteiligt fühlen.

Man orientiere sich bei der Definition des täglichen Bedarfs an den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz, ferner weist sie auf eine Verbesserung zur Lage vor einem Jahr hin. „Wir haben in der aktuellen Situation die Sachlage, dass alle Geschäfte geöffnet bleiben dürfen. Das stellt einen wichtigen Unterschied dar.“

Was die Kontrollen in Bussen anbelangt, so ergibt sich für die Regierungssprecherin das Problem der flächendeckenden Kontrolle. Diese sei ebenso schwierig umzusetzen wie beispielsweise die Fahrscheinkontrolle. Und was das Verhältnis von Verkaufsfläche und Besucherzahl anbelangt, so ist man nach Ansicht der Landesregierung immer auf einen Kompromiss angewiesen.

Hier greife man auf die bundesweite 2G- beziehungsweise 2G-Plus-Systematik zurück, um für alle Gewerbetreibenden mit Kundenverkehr weitgehend einheitliche Regelungen zu ermöglichen. „Die Berücksichtigung der Fläche wäre ein zusätzliches Kriterium, das einigen Händlern mit großen Flächen entgegen käme, andere Händler aber auch schlechter stellen würde.“

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