Plötzlich wird ein Erschütterungsalarm auf Markus Mayr‘s Smartphone angezeigt. Jemand hat das Köder-Paket mit dem Peilsender also an sich genommen. Markus Mayr befindet sich zu diesem Zeitpunkt in einem Telefongespräch mit einem Kunden, erst fünf Minuten nachdem der Alarm ausgelöst wurde, nimmt er mit seinem Rennrad die Verfolgung auf. Über eine App auf seinem Handy kann er die Route nachvollziehen, die der Paketdieb genommen hat – bis zu einem Supermarkt in Stadelhofen.
Zurück zum Anfang: Vor zwei, drei Jahren beginnen in einem Mehrparteienhaus in der Gottlieber Straße Pakete zu verschwinden, berichtet Verena Schmitz. Sie ist Teil des Hobby-Detektiv-Duos, das Anfang März einen mutmaßlichen Paketdieb stellen kann. „Es war jetzt nicht so, dass jede Woche was wegkommt, aber alle paar Monate mal“, sagt Markus Mayr, der das Duo ergänzt. Beide wohnen in dem selben Mehrparteienhaus. Mayr ist Maschinenbautechniker, Schmitz Sportwissenschaftlerin und Bewegungsanalystin.
Mindestens 34 Pakete verschwunden
Ersatz für verschwundene Pakete zu bekommen sei aufwendig und immer von der Kulanz des jeweiligen Online-Händlers abhängig, sagen die beiden. Inzwischen haben Mayr und Schmitz über einen Aushang im Treppenhaus eine Statistik verschwundener Pakete erstellen können: 34 waren es demnach mindestens, mit einem Gesamtwert von knapp 1500 Euro. Wobei man natürlich nicht wisse, ob alle davon tatsächlich von der selben Person gestohlen wurden, sagt Markus Mayr. Weil sich im Haus mehrere Arztpraxen befinden, bekämen Außenstehende recht einfach Zugang zum Treppenhaus, in dem häufig Pakete abgelegt werden.
Sowohl die Hausverwaltung, als auch die Polizei seien über die verschwundenen Pakete informiert worden. Beide konnten jedoch nicht helfen. „Dann haben wir gedacht, wir müssen das selber in die Hand nehmen“, berichtet Markus Mayr. Die Hobby-Detektive machen sich also Gedanken, wie man den Dieb oder die Diebe stellen kann. Bald kommen sie auf die Idee einer Paket-Attrappe, die als Köder dienen soll.

Zwischenzeitlich überlegen sie, eine Kamera darin zu verstecken, die den Täter beim Öffnen des Pakets aufnimmt. Aus Kostengründen verwerfen sie diesen Plan. Schließlich kommen Markus Mayr und Verena Schmitz auf die Idee mit dem Peilsender. Sie müssen während dem Erzählen selber oft über die Aktion lachen und verweisen bei der Frage nach ihrer Inspiration auf eine ähnliche Geschichte: Die Konstanzerin Uschi Handt konnte 2021 mit einer Freundin einen Paketboten als Dieb enttarnen.
Sie wollten sich nicht strafbar machen
Die Polizei zeigte sich damals zwar dankbar für die Hinweise – wies aber darauf hin, dass man sich mit solchen Initiativen in Gefahr bringen könne und darauf achten solle, rechtskonform zu handeln. „Das war uns auch ganz wichtig, dass wir uns nicht strafbar machen“, sagt Verena Schmitz. Im Internet hätten sie sich informiert, ob der Einsatz eines Peilsenders illegal wäre. „Aber es ist ja unser eigenes Paket gewesen und das wurde bewusst rechtswidrig entnommen“, so Markus Mayr.

Gemeinsam präparieren sie das Köder-Paket. Damit der Peilsender dem Dieb beim Öffnen des Pakets nicht direkt ins Auge sticht, nähen sie ihn in ein Kuscheltier ein. Über eine App können Mayr und Schmitz anschließend auf ihren Smartphones den Standort des Peilsender einsehen. In weiser Voraussicht ergänzen sie das Stofftier um einen akustischen Alarm, den man mit einer Fernbedienung auslösen kann. Da der Peilsender den Standort nicht auf den Meter genau übermittelt, soll der akustische Alarm für Klarheit sorgen.

Um dem Kuscheltier den Eindruck eines Babyphones zu verleihen, entwirft Markus Mayr ein Logo, das er ausdruckt und am Kuscheltier befestigt. „Wir haben da schon ein bisschen Aufwand betrieben“, sagt Verena Schmitz. „Aber es hat auch Spaß gemacht“, ergänzt Mayr. Als „Konstanzer TKKG“ hätten sie sich scherzhaft bezeichnet.

In einem alten Paket von Schmitz stellt Markus Mayr das Kuscheltier am Donnerstag, 2. März, morgens in den Hausflur. Knapp fünf Stunden später vibriert sein Handy. Schmitz ist zu diesem Zeitpunkt bei der Arbeit, sie erfährt erst nach Feierabend von der Verfolgungsjagd.
Verdächtiger war Mayr nicht bekannt
Auf Höhe des Döbele begegnet Mayr zufällig einer Polizeistreife und kann sie überzeugen, sich ihm anzuschließen, berichtet er. Gemeinsam mit den Beamten findet Mayr das Paket über den akustischen Alarm auf dem Gepäckträger eines Fahrrads vor einem Supermarkt. Als der Verdächtige aus dem Markt kommt und zu seinem Fahrrad geht, spricht die Polizei ihn an. Mayr ist der Mann bis dahin nicht bekannt.
Er wird noch vor Ort verhört, seine Personalien werden aufgenommen, berichtet Mayr. Der Mann streitet die Tat ab, die Tüte auf dem Gepäckträger seines Fahrrads habe er dort nicht platziert. Darin befinden sich ein weiteres Paket und einige Zeitschriften, die nicht an den Mann adressiert sind. „Ich kann das nicht bewerten“, sagt Mayr über etwaige Schuldzuweisungen. Schmitz und er warten nun auf eine Rückmeldung der Polizei. Das Köder-Paket mit Kuscheltier, Peilsender und Alarm wurde vorerst konfisziert.
Ob die Polizei sie gerügt oder gelobt hätte? „Die Polizei war bisher recht neutral“, sagt Verena Schmitz lachend. Einen Vorwurf hätten sie Mayr bislang nicht gemacht. Auf Anfrage bestätigt die Polizei, dass ein solcher Vorgang bekannt sei. Eine Anzeige liege vor. Weitere Informationen können aufgrund laufender Ermittlungen allerdings nicht genannt werden. Eine Empfehlung für derartige Aktionen kann die Polizei nicht ohne Weiteres aussprechen.
Werden Mayr und Schmitz den Köder erneut auslegen, wenn die Polizei den Peilsender wieder freigibt? Das überlegen sie sich noch, sagt Schmitz lachend. Ob die Paketdiebstähle nun beendet sind, bleibt abzusehen.