Langsam ist die Konstanzer Innenstadt wieder belebter. Aber nur langsam. Auch im Lago – das Shopping-Center zieht für gewöhnlich die Schweizer Kundschaft nach Konstanz – ist die Besucherfrequenz noch nicht auf dem Stand, wo sie einmal war.

Die Probleme des „Mikrostandorts Konstanz“ seien mannigfaltig, stellt Center-Manager Peter Herrmann fest. Er skizziert: „Gesunkene Kundenfrequenz, Engpässe bei Warenlieferungen, darunter auch Elektronik, Bekleidung und Schuhe, explodierende Energiekosten, Lebensmittel werden teurer und der Konsument hat weniger im Geldbeutel.“ Und: „Wir können noch nicht absehen, wie es sich entwickelt.“

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Viele Probleme auf einmal

Zu diesem Problem-Gemenge gesellt sich noch die starke Konkurrenz des Online-Handels, der während der Pandemie einen Boom erfahren hat, der aufgrund der Bequemlichkeit und Gewohnheit der Menschen wohl auch so rasch nicht mehr abebbe. „Wir können Amazon nicht die Stirn bieten“, spricht Peter Herrmann für den stationären Einzelhandel, auch wenn viele mittlerweile beide Varianten abdeckten. Was die Gewerbetreibenden, ob Handel oder Gastronomie, in der Innenstadt jetzt dringend bräuchten, sei „gute und hohe Frequenz“, denn auch die Schweizer Kunden seien nicht mehr so kauffreudig wie einst.

Von C-Konzept bis Döbeleparkhaus: „Wichtig ist, dass die Projekte endlich umgesetzt werden“, sagt Peter Herrmann, ...
Von C-Konzept bis Döbeleparkhaus: „Wichtig ist, dass die Projekte endlich umgesetzt werden“, sagt Peter Herrmann, Center-Manager des Lago Shopping-Centers. | Bild: Aurelia Scherrer

Wie kann das gelingen? „Wir brauchen eine qualitative Aufwertung der Innenstadt, und zwar schnellstmöglich“, sagt Peter Herrmann. Da müsste die Stadt dringend ihre Hausaufgaben machen. Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes und der Marktstätte, Döbele-Realisierung mit Parkhaus, C-Konzept, gibt Herrmann Beispiele für Projekte, über die seit langem gesprochen wurde, deren Umsetzung aber auf sich warten lasse. „Wichtig ist, dass die Projekte endlich umgesetzt werden“, fordert Herrmann, wie der Treffpunkt Konstanz als Interessensvereinigung des Konstanzer Handels auch.

Erreichbarkeit ist existenziell

Als wichtig erachtet der Center-Manager des Lagos auch die Realisierung eines dynamischen Verkehrsleitsystems. Sein Credo: „Nicht sperren, sondern intelligent den Verkehr lenken“, und zwar nicht mittels Verkehrskadetten, denn: „Wir sprechen heute über Digitalisierung und dann verschlafen wir es wieder“, sagt Herrmann offen.

Ohne Parkplätze, ohne dynamisches Verkehrsleitsystem, ohne Shuttleservice vom Bodenseeforum in die Innenstadt – wie solle die Stadt attraktiv sein? Zumal, wie Peter Herrmann moniert, „still und heimlich“ immer wieder Stellplätze wegfielen. „Wir sind auch im Wettbewerb mit anderen Städten“, erinnert Peter Herrmann.

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Rosig scheinen die Verhältnisse in der Innenstadt nicht zu sein, wenngleich manche Bürger dies glauben. Beispiel: Bodanstraße/Bodanplatz. Jürgen Norbert Baur, Chef der Edeka Frischemärkte Baur, hat dort eine Filiale und sagt: „Ein schwieriger Standort.“ Er erläutert: „Hochpreisig, komplizierte Flächenverhältnisse, gerade was die Anlieferung anbelangt; Lastwagen die zwischen der Außenbestuhlung zweier Gastronomiebetriebe durchfahren müssen.“

Autofreie Innenstadt? Das „ist Unsinn in der jetzigen Zeit“, sagt Jürgen Norbert Baur, Inhaber der Edeka Frischemärkte Baur.
Autofreie Innenstadt? Das „ist Unsinn in der jetzigen Zeit“, sagt Jürgen Norbert Baur, Inhaber der Edeka Frischemärkte Baur. | Bild: Aurelia Scherrer

Die Geschäfte liefen auch nicht mehr so gut. „30 Prozent weniger als im Jahr 2017“, sagt er. „Der Frequenzrückgang ist spürbar. Den Online-Handel merken wir auch. Und auch wir leben nicht nur von den Bewohnern, sondern auch von den Tages-Touristen.“ Und er sei am Überlegen, ob er an diesem Standort festhalten solle.

Achtung: Abwärtsspirale

Das Problem: Teile des Konstanzer Gemeinderats wollten unbedingt eine autofreie Innenstadt. „Dem kann ich nur folgen, wenn es Parkplätze in der Agglomeration gibt, das heißt: auf dem Döbele in ausreichender Zahl, sonst haben wir ein echtes Problem mit der Frequenz.“ Fehle die Frequenz, dann könne die Wirtschaftskraft in Konstanz nicht aufrechterhalten werden; dann fehle Geld und die Steuereinnahmen sänken. Dass nun auch noch „einzelne Gemeinderäte einen autofreien Tag fordern, ist Unsinn in der jetzigen Zeit“, sagt Jürgen Norbert Baur in aller Deutlichkeit.

Das kann er schlichtweg nicht nachvollziehen, schließlich habe der Gemeinderat zugesichert, dass nach der Pandemie Zeit gewährt werde, damit sich der Handel erholen könne. „Da war der Herr Oberbürgermeister auch dabei“, erinnert Baur und stellt fest: „Wir fordern nichts Unsinniges oder Unnötiges. Wir möchten gehört werden.“ Hilferufe einiger Händlerkollegen seien laut und vernehmlich, deren „Eigenkapital schmilzt wie Butter in der Sonne“.

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Hingegen die Stadt Konstanz sollte endlich mal ins Handeln kommen, findet Jürgen Nobert Baur. „Im Jahr 2007 wurde der Stadtentwicklungsplan 2020 verfasst. 90 Prozent wurde nicht gemacht“, kritisiert Baur, der an die vielen Pläne denkt, die viel Geld gekostet hätten, aber doch nicht umgesetzt wurden. „Wir als Unternehmer wären längst nicht mehr am Markt, wenn wir so arbeiten würden.“

Auch er kommt auf das Döbele zu sprechen und erinnert daran, dass der Handel bereits 2006 ein Parkhaus gefordert hätte. „Eine temporäre Parkpallette hätte sich in dieser Zeit mehr als bezahlt gemacht“, stellt Jürgen Norbert Baur fest und fügt sibyllinisch an: „In einer Nachbargemeinde funktioniert‘s…“

Autofreie Innenstadt? Nicht sofort!

Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, wünscht sich einen pragmatischen Weg, statt „radikale Forderungen aus ideologischen Gesichtspunkten“. „An der Energiewende kommt man nicht vorbei. Da müssen alle etwas tun. Die Frage ist nur nach der Verhältnismäßigkeit und der Radikalität“, sagt er und fügt an: „Für das Zusammenleben, wie Stadträume der Zukunft aussehen sollen, muss man die Realität mit einbeziehen.“

Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Konstanz.
Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Konstanz. | Bild: Aurelia Scherrer

Statt einer Verbotskultur, solle man den notwendigen Wandel „im positiven Sinne“ befördern, und zwar: „Angebote finden, so dass die Kundenbindung gehalten werden kann“. Der ÖPNV spiele dabei eine wesentliche Rolle. Solange kein Ausbau erfolgt sei, könne auch eine autofreie Innenstadt nicht realisiert werden, wobei es wesentlich für das Miteinander in der Stadt sei, die Versorgung der Anwohner in der Altstadt sicherzustellen. „In der Gesamtdimension geht es nicht ad hoc.“

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Für Konstanz hoffe er, „dass man eine Debattenkultur hat, die Energiewende hinbekommt und eine attraktive Stadt mit einem guten Angebots-Mix hat, dass Handwerk, Handel und Kultur unterstützt werden, so dass sie am Standort bleiben können“, so Georg Hiltner.