Wenn es stimmt, dass die berühmte Kurtisane Imperia 1511 in Rom starb (andere meinen 1512), dann ist dieses Datum ein Leckerbissen für Abergläubische. Denn genau 500 Jahre später, im Sommer 2011, schlug ein Blitz in ihre Statue am Konstanzer Hafen und brachte vorübergehend ihre Umdrehungen zum Stillstand.
Wer aber war die echte Imperia? Ihr Geburtsname war Lucrezia de Paris, die Römer, von denen sie vergöttert wurde, nannten sie „Imperia“, Herrscherin. „Zwei Götter haben Rom Großes geschenkt: Mars das Imperium, Venus die Imperia“, rühmte sie ein Dichter.
Als Geliebte des damals reichsten römischen Bankiers, Agostino Chigi, trat sie in Rom wie eine Fürstin auf. Chigi ließ zu ihren Ehren die prächtigste aller römischen Villen mit herrlichem Garten am Tiberufer erbauen, die Villa Farnesina, wie sie nach einem späteren Besitzer genannt wurde.
Der Maler Raffael zählte zu ihren Geliebten
Der Maler Raffael, auch er einer ihrer Geliebten, schuf die Deckengemälde. Auf einem hat er Imperia verewigt. Sie war nicht nur schön, sondern auch gebildet. „Sie weiß den ganzen Petrarca auswendig und zahllose schöne lateinische Verse aus Virgil, Horaz Ovid und tausend anderen Autoren“, schreibt der Humanist Pietro Aretino.
Dass sie in Konstanz von Peter Lenk ein Denkmal bekam, das weltweit einzige für eine Dame ihres Metiers, hat sie dem Romancier Honoré de Balzac zu verdanken, dem Autor der „Tolldrastischen Geschichten“, in denen er vor allem die menschlichen Schwächen der Geistlichkeit aufs Korn nimmt.
Für seine Erzählung von den Verführungskünsten einer Konstanzer Konzilsprostituierten, zu der sich ein naives Priesterlein namens Philipp von Mala vorgewagt hatte, suchte er einen klingenden Namen für die Hauptfigur.
Dabei stieß er auf den der berühmten schönen Imperia, die hundert Jahre später in Rom lebte und sich fürs Konzil kaum interessiert haben dürfte. Auch Balzacs Konstanzer Imperia ist „die schönste und sinnenbetörendste Frau auf der ganzen weiten Welt“. Der Titel seiner Erzählung: „Die schöne Imperia“.
Der Tod der Imperia führt zu Spekulationen
Warum vergiftet sich die wahre Imperia, eine luxuriös lebende Frau in jungen Jahren? Dazu gibt es nur Spekulationen: Kummer darüber, dass Agostino andere Geliebte bevorzugte oder dass sie in Streitigkeiten mit dem Papst verwickelt war.
Sich selbst oder andere zu vergiften, war damals in höheren Kreisen eine gängige Methode. Imperia hinterließ ihre und Agostinos Tochter Lucrezia, die noch im Kindesalter war. In Siena oder im Kloster wuchs sie behütet heran und heiratete später mit Arcangelo Colonna in den römischen Stadtadel ein.
Die Imperia von Konstanz
Nicht nur um die echte Imperia ranken sich allerlei Geschichten – auch das nach ihr benannte Konstanzer Wahrzeichen steht für so manchen Skandal.
- Allein schon die Enthüllung der Kurtisanenstatue am 24. April 1993 im Konstanzer Hafen war einer dieser Skandale. Als „geschmack- und stillos“ wurde das beliebte Fotomotiv damals bezeichnet. Eine Halbnackte begrüßt die Gäste am Hafen? Potzblitz! Doch heute liebt der Großteil der Konstanzer die Dame, deren Entstehungsgeschichte voller Geheimnisse steckt.
- Auch als die Imperia im April 2020 mit einem überdimensionalen Mundschutz ausgestattet wurde, war sie DAS Stadtgespräch – neben der Corona-Pandemie. Ihr Schöpfer, der Künstler Peter Lenk, empfand die Aktion allerdings als „billigen Gag – und gefährlich obendrein“. Kurz darauf erklärten selbst ernannte Aktionskünstler, dass sie den „Konstanzern ein Lächeln ins Gesicht zaubern“ wollten.
- Doch das war nicht das einzige Mal, dass die Imperia ungefragt einen neuen Look verpasst bekam. Im Oktober 2017 machte sich eine rechtsextreme Gruppierung, an der Imperia zu schaffen. Sie hüllten die Statue in schwarze Folie und verbreiteten damit fremdenfeindliche Propaganda. Diese Aktion kommentierte Peter Lenk unter anderem mit: „Das ist doch alles Quatsch“.