Der eine oder andere Händler oder Gastronom hat sein Geschäft bereits geschlossen. Einen Nachpächter zu finden, war bis vor kurzem nicht schwer. Doch mittlerweile wird bei einem Spaziergang durch die Altstadt offensichtlich, dass vermehrt Läden schließen und die Liste der Interessenten wohl immer kürzer wird. In der Hussenstraße beispielsweise sind gleich mehrere Geschäfte geschlossen.

Auch in der Neugasse ist der zunehmende Leerstand offenkundig. „Wir verzeichnen vermehrt freie Flächen in der Innenstadt“, bestätigt Beate Behrens, Wirtschaftsförderin der Stadt Konstanz, auf SÜDKURIER-Nachfrage. Freie Flächen seien ein Zeichen dafür, dass die Einnahmeausfälle durch die Lockdowns nicht hatten ausgeglichen werden können.
Zudem habe sich das sonst umsatzstarke Weihnachtsgeschäft nahezu in den Online-Handel verlagert. Freiwerdende Geschäfte – Beate Behrens denkt dabei beispielsweise an den Bereich Marktstätte – hätten rasch nachbesetzt werden können. Gleichwohl „verändert sich das Stadtbild“, so Beate Behrens.

„Konstanz hat den Vorteil, dass die Stadt mit großer Resilienz (Widerstandsfähigkeit) ausgestattet ist, so dass frei werdende Flächen bislang rasch nachbesetzt werden konnten“, sagt Beate Behrens, fügt aber im selben Atemzug gleich an: „Das ist ein sehr fragiler Prozess.“
Andere deutsche Städte hätten bereits eine sehr hohe Leerstandsquote in ihren Innenstädten zu verzeichnen. „Bundesweit gibt es das Problem, dass zahlreiche Städte einen strukturellen Leerstand haben und die Nachbesetzung nicht mehr richtig funktioniert“, so die Konstanzer Wirtschaftsförderin.
Offensichtlich ist nun eine Grenze erreicht
Warum aber steht Konstanz im Vergleich noch gut da? „Konstanz ist eine jener deutschen Städte, die noch am besten funktionieren, und zwar aufgrund des Phänomens der inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte in Verbindung mit großen Unternehmen, wie beispielsweise Lago, Karstadt und C&A“, sagt Beate Behrens. Die Mischung aus großen, mittleren und kleinen Flächen mache den Reiz aus. „Aber die können nur funktionieren, wenn genügend Menschen kommen. Und daran haben wir zu arbeiten“, stellt die Wirtschaftsförderin fest.
Die Besucherfrequenz in der Stadt müsse dringend steigen, meint auch Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz, denn: „Jetzt ist es offensichtlich. Die vielen Räumungsschilder zeigen deutlich, dass wir an einem absoluten Kipppunkt angelangt sind.“

Auch jene Händler, die sparsam gewesen seien, „sind jetzt an einer Grenze angelangt, wo es bald nicht mehr geht“, weiß der Treffpunkt-Vorsitzende. Er verdeutlich am Beispiel Yves Rocher: „Seit meiner Kindheit war dieses Geschäft in der Kanzleistraße und jetzt? Weg ist es.“
Die Auswirkungen der gesamtwirtschaftlichen Situation seien auch in Konstanz spürbar, bestätigt Beate Behrens. Schließlich würden auch den Filialisten „die Corona-Krise landauf, landab zu schaffen“ machen, so Behrens. Yves Rocher sei nur einer von weiteren Filialbetrieben, welche ihre Konstanzer Dependance aufgegeben haben. Daniel Hölzle merkt an: „Das sind auffällige Dinge, über die man sich Gedanken machen muss. Deshalb brauchen wir jetzt dringend eine Wende.“
Die große Frage: Wer überlebt die Krise?
Zumal Daniel Hölzle aus dem Kollegenkreis – wobei er die Gastronomen einschließt – genau weiß: „Bei vielen steht die Ampel auf Rot. Bei ihnen ist nach diesen zwei Jahren die Substanz weg. Jetzt ist die Frage, ob ihnen Galgenfrist gewährt wird und sie weiterleben können“, so Hölzle.
Vieles hänge vom Verlauf der Sommersaison ab. Dann erst zeige sich, ob die Händler und Gastronomen „genügend Futter für den Winter“ sammeln konnten. Eines steht für ihn fest: „Wir brauchen ein Stückchen mehr Kaufkraft, denn diese Krise geht an kaum einer Branche vorbei.“
Um Kaufkraft zurückzugewinnen, würden die Kräfte gebündelt. „Wir versuche immer, sofort mit den Hausbesitzern Kontakt aufzunehmen, wenn wir eine freie Fläche sehen“, sagt Beate Behrens. Sie hofft auf eine gute Saison, macht sich aber gleichzeitig schon jetzt Gedanken, wie sich im Herbst Corona auswirke.
Denn eines ist für Beate Behrens sicher: „Ein neuer Lockdown wäre wirtschaftliche extrem unglücklich. Das würde weitere Existenzen kosten. Viele sind jetzt schon an der Grenze des Machbaren.“