Immer wieder ärgern sich Konstanzer über Radfahrer, die sich nicht an Verkehrsregeln halten oder bei Dunkelheit ohne Licht fahren. In den sozialen Netzwerken machen einige ihrem Ärger Luft. Aber ist die Unvernunft in den vergangenen Jahren größer geworden?
„Die Masse verhält sich vernünftig“, meint der Konstanzer Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Er glaubt nicht, dass das Fehlverhalten überproportional zugenommen habe, sondern dass dies dadurch begründet sei, dass es insgesamt mehr Radfahrer gebe. Er appelliert an die Rücksichtnahme im Straßenverkehr.
Gregor Gaffga, der Radbeauftragte der Stadt, springt dem Bürgermeister bei: „In der Unfallstatistik fällt Fahren ohne Beleuchtung nicht so sehr ins Gewicht“, sagt er und fügt an: „Meine Wahrnehmung ist: Die Mehrheit fährt mit Licht. Fahren mit dunkler Kleidung ohne Licht ist aber ein Ärgernis.“
Lediglich ein Ärgernis? „Das sind potenzielle Selbstmordkandidaten“, stellt Wolfgang Rüdiger, seit 40 Jahren Fahrschullehrer, in aller Deutlichkeit fest. „Gestern fuhren mehr als zwei Drittel der Radfahrer ohne Licht und waren dunkel gekleidet. Du hast keine Chance, die Leute zu sehen“, beschreibt er. Warum sie ihr Leben aufs Spiel setzen, kann er nicht verstehen.

Früher gab es noch Dynamos an den Rädern, bei denen man kräftig in die Pedale treten musste, um das Fahrradlicht anzutreiben. Heute verfügen die Räder über allerbeste Ausstattung; zusätzliche Muskelkraft ist nicht vonnöten.
Wolfgang Rüdiger: „Ich kenne keinen, der absichtlich einen Radfahrer überfährt“
Hightech-Räder, Pedelecs und E-Bikes sieht Wolfgang Rüdiger als weiteres Problem. „Da gibt es Teile, die bis 50 Stundenkilometer fahren“, so Rüdiger, der von rücksichtsloser und viel zu schneller Fahrweise von Radfahrern spricht.
Er versucht mittlerweile, die Gartenstraße zu meiden, da hier die Schottenstraße als ausgewiesene Fahrradstraße kreuzt. Auch wenn die Radler an der Einmündung halten müssten, würden viele einfach durchfahren. Angesichts dieses Verhaltens hat er den Eindruck, für sie gelte „lieber tot als Zweiter“, formuliert er bewusst drastisch, denn eines sollten sich diese Radler bewusst machen: „Sie setzen ihr Leben aufs Spiel!“
Dass nicht mehr Verkehrsunfälle passierten, sei der Vernunft der Autofahrer zu verdanken. „Ich kenne keinen, der absichtlich einen Radfahrer überfährt. Aber Autofahrer müssen zumindest die Chance haben, ihn zu sehen“, appelliert Wolfgang Rüdiger. „Wenn ein Unfall passiert, musst du mit dem Bild den Rest deines Lebens klarkommen“, sagt der Fahrlehrer, der im Laufe seines Lebens im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit beim Technischen Hilfswerk in Krisengebieten schon sehr viel Schlimmes hat sehen und verarbeiten müssen.
Umso mehr ärgert ihn die Unvernunft und die Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr. Er hofft auf mehr Kontrollen. „Ich habe das Gefühl, es muss an den Geldbeutel gehen. Sonst ändert sich nichts“, so Rüdiger, der nicht glaubt, dass sanfte Appelle den gewünschten Erfolg erzielen würden.
Jürgen Keck: „Die Behauptung der Landesregierung ist schon ein starkes Stück“
Auch der FDP-Landtagsabgeordnete Jürgen Keck ist längst hellhörig geworden. Die Stadt Konstanz habe schon viel für den Radverkehr getan, findet er, aber die Unfallstatistik stimmt ihn bedenklich. „Die Behauptung der Landesregierung, dass die Unfallzahlen nicht auffällig hoch wären, ist schon ein starkes Stück“, findet Keck.

Er begrüßt die Fördermaßnahmen durch das Land, von welchen der Landkreis Konstanz, insbesondere beim Ausbau von Radwegen, sehr profitiere. Man müsse die Steuergelder für die Verkehrssicherheit aber gezielter einsetzen, glaubt Keck.
Landesweit seien Radfahrer mit einem Anteil von etwa 59 Prozent die Hauptunfallverursacher bei Fahrradunfällen. „Laut Polizei tragen bei Fahrradunfällen im Stadtgebiet Konstanz sogar 70 Prozent der beteiligten Radfahrer die Hauptschuld“, stellt Jürgen Keck fest. Ziel müsse es daher vor allen Dingen sein, dass Verkehrsvorschriften wieder mehr beachtet werden.
Jürgen Keck: „Hier ist es viel hektischer, weil jeder auf seinem Recht beharrt“
Keck selbst fährt eigentlich gerne Fahrrad, außer in Konstanz. „Hier ist es viel hektischer, weil jeder auf seinem Recht beharrt. Radfahrer fahren bei Rot über die Ampel oder entgegen der Fahrtrichtung“, schildert der Landtagsabgeordnete aus eigener Erfahrung. „Auffallend ist auch, dass zehn bis 15 Prozent ohne Licht unterwegs und dazu noch dunkel gekleidet sind.“
Deshalb misst er der Verkehrserziehung – auch von Erwachsenen – eine große Bedeutung zu. Pedelecs und E-Bikes seien auch nicht ohne, denn „die preschen bös durch die Gegend.“ Kecks persönliche Meinung: „Es müsste einen Pflichtkurs für Pedelecs- und E-Bikes geben, damit die Fahrer ihr Rad beherrschen.“
Warum es unterschiedliche Handlungsprogramme in Konstanz – darunter Radverkehr und Fußverkehr – gebe, könne er nicht ganz nachvollziehen. Nach seiner Auffassung sollten Experten für alle Beteiligten des Straßenverkehrs – vom Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer bis hin zum körperlich eingeschränkten und sehbehinderten Menschen – ein „sinnvolles Gesamtkonzept“ erarbeiten.