Wer in den Daten des Statistischen Landesamts von Baden-Württemberg nach den Verkehrsunfällen mit Radfahrern stöbert, staunt nicht schlecht: Im vergangenen Jahr lag Konstanz auf dem vierten Platz der Land- und Stadtkreise mit den meisten Radunfällen in geschlossenen Ortschaften. Im Gebiet mit den 286 000 Einwohnern waren 479 Unfälle mit Radlern verzeichnet, 13 mehr als im Stadtkreis Stuttgart (466) mit seinen 636 000 Einwohnern. Die meisten Unfälle, in denen Fahrradfahrer verwickelt sind, passieren in Freiburg im Breisgau (677 Unfälle).

Bild 1: Mehr Fahrradunfälle: Sind die Radler selbst daran Schuld? Die Polizei hat dazu eine Meinung
Bild: Orlowski Birgit

Viele Fahrradfahrer sind unvernünftig

Die Statistik fürs erste Halbjahr 2020 geht in eine ähnliche Richtung. Unter den 44 Land- und Stadtkreisen liegt Konstanz auf dem fünften Platz der Regionen mit den meisten Radunfällen, weit vor Großstädten wie Mannheim oder Heilbronn, mit jeweils mehr als 300 000 Bewohnern. Und das, obwohl in Konstanz erstmals seit Jahren ein Rückgang bei der Anzahl der Radunfälle zu verzeichnen ist. 2019 gab es im ersten Halbjahr 252 Unfälle mit Radler, 2020 waren es in den ersten sechs Monaten nur 247. Wie kann das sein? Die Konstanzer Polizei hat Antworten, die Radfahrern nicht gefallen dürften.

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Im Kreis seien besonders viele Radler unterwegs, aber ein überwiegender Anteil der Radfahrer sei selbst Schuld daran, dass es zum Unfall gekommen war, sagt Tatjana Deggelmann von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit im Konstanzer Polizeipräsidium. Vielfach seien Unfälle auf unvernünftiges Fahrverhalten zurückzuführen.

Fahrrad- und Autofahrer – oft verstehen sich diese Verkehrsteilnehmer nicht so gut.
Fahrrad- und Autofahrer – oft verstehen sich diese Verkehrsteilnehmer nicht so gut. | Bild: GW20 Foto

Vorfahrt missachtet, über eine rote Ampel gefahren oder unter Alkoholeinfluss

Fast zwei Drittel der Unfälle gingen auf Fahrfehler und Verkehrsverstöße der Radfahrer zurück, fasst Deggelmann zusammen. Die Zweiradfahrer hätten die Vorfahrt nicht beachtet, rote Ampeln missachtet, seien unerlaubt auf Gehwegen unterwegs gewesen oder unter Alkoholeinfluss geradelt. Lediglich in rund 30 Prozent der Fälle seien Autofahrer die Unfallverursacher. In 35 dieser Fälle hätten Radfahrer aber auch eine gewisse Mitschuld gehabt, weil sie beispielsweise zwar auf dem Radweg, aber in der falschen Richtung unterwegs gewesen seien, teilt Deggelmann mit.

In Konstanz, Singen, Radolfzell sei der Anteil des Radverkehrs sowohl im Alltag als auch in der Freizeit besonders hoch, stellt sie weiter fest. Die geografische Lage sei angenehm für Radfahrer, zudem werde der Radverkehr gezielt gefördert. „Dieser hohe Fahrradanteil allein, birgt schon das Risiko einer erhöhten Anzahl an Unfällen mit sich“, so Deggelmann. Allein auf der Hauptachse für den Radverkehr zwischen der Konstanzer Altstadt und Petershausen, die durch eine Brücke über den Seerhein verbunden ist, hat die Stadt zu Spitzenzeiten bis zu 24 000 Radfahrer am Tag festgestellt.

Auch Autos missachten manchmal die Regeln und gefährden Radfahrer.
Auch Autos missachten manchmal die Regeln und gefährden Radfahrer. | Bild: Thomas Kunz

Es mangelt an Raum für Radfahrer

Aus der Politik und den Vertretern der Radverbände kommt seit Jahren die Kritik, die Infrastruktur in Konstanz hinke dem wachsenden Radverkehr hinterher. Es mangle am Raum für Radfahrer und viele Planungen berücksichtigten nicht die Bedürfnisse von Radfahrern. Radwege mündeten beispielsweise unmittelbar auf der Straße. Konstanz hatte sich im Handlungsprogramm Radverkehr vorgenommen, bis 2026 bis zu 25 Millionen Euro zu investieren, um Mängel zu beseitigen und die Qualität des Radverkehrsnetzes zu verbessern.

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Grundsätzlich, so Deggelmann, ereigneten sich Unfälle mit dem Radlern in den gesamten Stadtgebieten des Landkreises. Schwerpunkte seien freilich die Verkehrsachsen, auf denen sich die meisten Radfahrer bewegen. In Konstanz seien dies die Radbrücke, die Schottenstraße, der Weg entlang der Bahnlinie zwischen Petershausen und der Riedstraße sowie der Zähringerplatz. In Singen seien es die Hohenkrähen-, Haupt- und Rielasinger Straße, ebenso Abschnitte der Georg-Fischer- und Güterstraße. Im Stadtgebiet Radolfzell tauchten die Zeppelinstraße und die Böhringer Straße etwas häufiger bei Radunfällen auf.

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Die Problematik mit den Radunfällen werde in Zusammenarbeit mit den Städten regelmäßig erörtert. Da der Anteil an selbst verursachten Unfällen aber hoch sei, „ist es schwierig, Lösungen zu finden, die das Unfallrisiko verringern“, stellt Deggelmann fest. Hinzu komme, dass bei einem großen Anteil der Radfahrer die Neigung, der Verkehrsvorschriften Folge zu leisten, nicht so hoch ausgeprägt ist wie es erforderlich wäre, so die Pressesprecherin.

Senioren oft in Unfälle verwickelt

Unter den Verunglückten sind auch vergleichsweise viele Fahrer von Rädern mit Elektroantrieb. Im Jahr 2019 waren es 107 im Landkreis Konstanz, genau so viele wie im Stadtkreis Stuttgart. Bei knapp über der Hälfte der Unfälle mit Pedelecs oder E-Bikes seien Senioren betroffen, sagt Deggelmann. Oftmals stiegen sie nach Jahren wieder aufs Rad, beherrschten dann aber nicht den Umgang mit Elektromotor, Schaltung und Bremsen.