Margot Stahl kauft „schon ewig“ auf dem Konstanzer Wochenmarkt ein. Sie steht an einem Stand von der Höri und lässt Kartoffeln in ihre Tasche plumpsen. Dass auch mal eine krumme Gurke oder unförmige Erdäpfel in ihrem Beutel landen, findet sie nicht schlimm. „Das ist doch das Normale!“, sagt sie.
„Wer ein bisschen bewusst lebt, geht auf den Markt“, meint die Konstanzerin. „Für mich ist der direkte Kontakt zu den Händlern wichtig.“ Doch die bundesweiten Zahlen sprechen eine andere Sprache: Steigende Lebensmittelpreise und die Sparsamkeit vieler Verbraucher stürzen Landwirte in ganz Deutschland in die Krise, ihre Umsätze brechen ein.
Gilt das auch für Konstanz oder leben wir an der Schweizer Grenze auf einer Insel der Glückseligen? Einer, der es wissen muss, ist Thomas Romer. Sein Betrieb ist nach eigenen Angaben seit über 100 Jahren auf den Konstanzer Wochenmärkten vertreten, er selbst seit 27 Jahren.
„Das Geschäft mit dem Wochenmarkt läuft stabil, aber Wachstum ist nicht zu erwarten. Obst-Anbieter haben wir eher zu viele, aber Gemüse-Erzeuger brechen weg. Aus dem Tägermoos und von der Reichenau ist niemand mehr auf dem Konstanzer Markt vertreten“, so Romer. Der 53-Jährige ist auch Vorsitzender des Fördervereins Konstanzer Wochenmarkt.

Dass Händler oft mit Widrigkeiten zu kämpfen haben, bestätigt Martin Steingruber vom Konstanzer Bioladen Wegwarte Naturkost, der seit 25 Jahren auf dem Wochenmarkt vertreten ist. „Es wird schwerer, Personal zu finden, das bei Wind und Wetter draußen steht“, sagt Steingruber.
Ihm selbst gefalle die Arbeit an der frischen Luft. „Ich saß auch mal hinter dem Computer und möchte nicht mehr tauschen.“ Der Konstanzer Markt habe trotz aller Widrigkeiten im bundesweiten Vergleich aber einen Vorteil: „Wir haben auch Schweizer Kundschaft.“

An einem Dienstagvormittag ist der Stephansplatz recht gut besucht, vor manchen Ständen bilden sich Schlangen. Marianne Becker und Ernst Heim gehen schon lange auf den Markt und haben „nicht das Gefühl, dass hier weniger los ist als vor zehn Jahren“.
Wer saisonales Gemüse kaufe, bezahle dafür nicht mehr als im Supermarkt, sagt Marianne Becker. Dennoch hören die Händler oft, einen Besuch auf dem Wochenmarkt müsse man sich leisten können. Stimmt das?

„Kommt darauf an, womit wir unsere Preise vergleichen“, sagt Thomas Romer. „Im Vergleich zu Discountern sind wir teurer, aber dort gibt es Massenware. Im Vergleich mit Supermärkten wie Edeka, Rewe und Kaufland sind unsere Preise ähnlich, manchmal sind wir sogar günstiger.“
Dass dafür aber große Anstrengungen notwendig sind, sehen nicht alle Kunden ein, sagt Thomas Romer. „Wir bekommen manchmal zu hören: ‚Euer Obst wächst doch von allein und ihr habt es nicht so weit beim Transport.‘“ Dabei hätten die Landwirte mit gestiegenen Produktionskosten zu kämpfen.
Umsatzsteuer und Mindestlohn steigern die Erzeugerkosten
Vor allem gesetzliche Änderungen bei der Umsatzsteuer sowie der gestiegene Mindestlohn sowie erhöhte Energiekosten würden es personalintensiven Betrieben wie den Höfen schwer machen. „2022/2023 kam alles zusammen, da hatten wir 15 bis 20 Prozent höhere Kosten, konnten das aber nicht in jedem Bereich auf die Preise umlegen“, sagt der Obstbauer.
Diese Entwicklung bestätigt Kathrin Hofer, Pressesprecherin von Edeka Baur Konstanz: „Dadurch, dass wir auf vertrauensvolle und langfristige Partnerschaften zu unseren regionalen Erzeugern setzen, bekommen wir natürlich mit, wie der Druck für sie zunimmt.“
So profitieren bundesweit vor allem die Discounter, wenn Verbraucher stark auf den Geldbeutel achten. Sie verzeichnen ein deutliches Plus bei Bio-Produkten. Das spüren auch die Supermärkte. So sagt Kathrin Hofer: „Gerade die Sparte Bio wird bei uns aufgrund der Mitbewerber sehr oft im Preis gesenkt, damit wir wettbewerbsfähig bleiben können.“
Ein Grundproblem sieht Obstbauer Thomas Romer im Konsumverhalten der Kunden. „Es wäre schön, wenn die Priorität in Deutschland nicht so sehr auf Autos liegen würde, sondern auf Lebensmitteln“, wünscht sich der Landwirt. Gerade zu Beginn des Ukraine-Krieges hätten die Marktkaufleute den Einbruch bei den Einnahmen gespürt.

Genauso sieht es eine Erzeugerin von der Höri, die seit ihrem 10. Lebensjahr auf dem Konstanzer Markt dabei ist, also seit 45 Jahren. Sie sagt: „Viele Menschen möchten regionale Lebensmittel und achten auf die Umwelt. Aber wenn sie im Winter Erdbeeren wollen, gehen sie in den Supermarkt. Früher haben sich die Leute noch auf die ersten deutschen Erdbeeren gefreut.“ Auf ihre Konstanzer und Schweizer Kunden möchte sie aber nichts kommen lassen: „Wir haben hier eine bunte Altersmischung, auch junge Menschen achten auf gute Lebensmittel.“
Zwei davon sind Janine Firges, 39 Jahre, und Simone Braun, 34 Jahre. Die beiden sind ein- bis zweimal pro Woche auf dem Markt, um Obst, Gemüse und Käse einzukaufen und sich mit anderen Müttern zu treffen. Simone Braun schätzt es, dass sie hier Produkte ohne Verpackung kaufen kann.

„Jeder, der bei den regionalen Erzeugern einkauft, trägt auch ein Stück zur Biodiversität und Artenvielfalt bei“, sagt Thomas Romer. „Ohne die Höfe sähe die Landschaft sehr trist aus.“ Der Wochenmarkt liege ihm nach wie sehr am Herzen. „Während viele andere Erzeuger überlegen, ob sie überhaupt noch einen Nachfolger suchen sollen, hat unser Betrieb sich strategisch gerade dazu entschieden, dass wir mit dem Wochenmarkt weitermachen.“