Am Mittwoch streiken die Bauern in Konstanz. Aber bereits am Montag nutzte die Querdenkerszene die Proteste als Trittbrett für ihre Veranstaltung. Macht Ihnen das Angst?
Am Anfang hat mir das tatsächlich ziemlich viel Sorge bereitet. Mittlerweile muss ich sagen: Auf landwirtschaftlichen Veranstaltungen sind die Landwirte so dominant, dass andere nicht wirklich auffallen. Wenn andere Gruppierungen Demonstrationen veranstalten; darauf habe ich keinen Einfluss.
Ich glaube, dass die Gesellschaft das zu differenzieren weiß. Sie merken, dass es uns Landwirten um die Sache geht. Wir wollen nicht Deutschland lahmlegen. Wir haben auch keine Umsturzfantasien und wollen mit dem Traktor den Bundestag stürmen. Das ist alles Quatsch, das bringt uns nicht weiter. In der Agrarpolitik stimmt einfach etwas nicht. Das wollen wir zeigen. Und Landwirte sind sehr streitbar.
Ist die Stimmung gegenüber Bauern mittlerweile feindseliger?
Wir sind an einem Kipppunkt. Wir müssen jetzt als Landwirte aufpassen, dass wir es nicht übertreiben. Ich habe es mir auch übers Wochenende sehr ernsthaft überlegt, ob ich den Protest absagen soll.
Warum das?
Wegen den aktuellen Anlässen. Ich habe mich aber klar für die Durchführung der Demonstration entschieden. Weil sich die Landwirte auf den Demos gut verhalten. Und weil die Probleme in der Agrarpoltikk noch nicht gelöst sind.
Die Unterwanderung der Bauernproteste durch Querdenker und rechte Gruppierungen?
Nein, mich stört viel mehr das Verhalten mancher Landwirte. Was zum Beispiel mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck passiert ist. Hunderte wütende Landwirte haben Habeck daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. Das geht gar nicht! Das ist eine absolute Minderheit unter den Landwirten, welche sich nicht an die Regeln halten. Wenn die Aktionswoche gelaufen ist, dann muss man es auch mal wirken lassen. Dann gibt es von meiner Seite keine weiteren Aktionen.
Haben Sie Angst, dass manche Bauern auch in Konstanz oder am Bodensee sich unpassend verhalten?
Ich habe Angst, dass wir die falsche Botschaft senden. Wir wollen in der Sache etwas erreichen. Wir wollen keine Gewalt androhen. Ich bin auch ein absoluter Gegner von Mist auf der Straße.
Es wird also keine Gülle auf der Marktstätte bei der Kundgebung am Mittwoch geben?
Nein. Wir haben es mit der Polizei so abgesprochen, dass solche Fahrzeuge gleich aus dem Verkehr gezogen werden. Wir müssen jetzt aufpassen, dass der Zweck noch die Mittel heiligt. Ich selbst bin ja auch manchmal genervt, wenn es manche Gewerkschaften übertreiben.
Auch die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) wieder streikt. Haben Sie dafür Verständnis?
Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in einem Land leben, in dem sowas möglich ist. Ich finde nicht jeden einzelnen Streik oder einzelne Demonstration gut. Weil ich nicht jede Meinung teile. Aber wenn es in der Sache ordnungsgemäß gemacht wird, ist es in Ordnung. Aber es wird manchmal übertrieben. Man muss aber auch fairerweise sagen: Wir Bauern fahren jetzt ganz hart an die Grenze.
Vergangenen Sommer haben die Klimakleber in Konstanz den Verkehr und das öffentliche Leben lahmgelegt. Die Landwirte werden das am Mittwoch auch machen. Worin besteht der Unterschied dieser Protestaktionen?
Für mich ist der Vergleich schwierig, weil dahinter ganz unterschiedliche Ziele stecken. Ich meine auch, dass die Mittel andere sind. Was wir jetzt bei der Demo versuchen werden: Wir fahren im Kreis nur in eine Richtung – und zwar gegen den Uhrzeigersinn, so bleiben die Wege in die Stadt für Rettungsfahrzeuge immer frei.
Die Alte Rheinbrücke müsste stadteinwärts immer frei sein. Der Verkehr wird schon zum Erliegen kommen. Aber wir werden es nicht provozieren – im Gegensatz zu den Klimaklebern. Unser Ziel ist es nicht, jemanden zu behindern. Wir wollen auffallen. Deswegen fahren wir mit großen Maschinen, Gelblichtern an und Plakaten.
Bei der Demonstration der Querdenkerszene hieß es: Am Mittwoch fahren die „geputzten Traktoren“ der Bauern mit „Prunk und Protz“. Ist das so? Klagen die Bauern auf hohen Niveau?
Reich an Arbeit wird man. Aber um reich zu werden, ist Landwirt nicht der ideale Beruf. Es ist aber auch nicht wahr, wenn man sagt: Ein Bauer verdient kein Geld. Es ist sehr sehr unterschiedlich. Wir in Baden-Württemberg haben es mit am schwierigsten, weil bei uns die Betriebe im Durchschnitt am kleinsten sind. Bundesweit sind die Einkommen der Bauern hierzulande am geringsten.
Das durchschnittliche Bruttogehalt eines Konstanzers beträgt 2212 Euro. Verdient ein Bauer mehr oder weniger?
Ganz genau kann ich es nicht sagen. Aber der Einzelbetrieb sagt nicht so viel aus, weil es sehr unterschiedlich ist. Der Bauer, der Unternehmer ist, dessen Einkommen liegt sicherlich drüber. Aber wir decken natürlich mit unserem Einkommen auch Risiken ab. Also zum Beispiel Ernteausfälle durch Hagel. Das kann ein Schaden sein, der weit über ein Jahreseinkommen hinausgeht.
Das Einkommen ist also nicht unbedingt der Grund, warum die Bauern auf die Straße gehen. Was ist dann die Motivation?
Aufhänger waren die Änderungen bei der Kfz-Steuer und den Begünstigungen beim Agrar-Diesel – was aber weitestgehend schon wieder aufgefangen wurde. Es geht vor allem um die Agrarpolitik als solches. Alle agrarpolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahrzehnte sind zu Lasten der Landwirte gegangen. Manche waren gerechtfertigt, manche weniger.
Aber irgendwann geht es dann nicht mehr weiter und an diesem Punkt stehen wir jetzt. Das Motto dieser Demonstration ist: Landwirtschaft braucht Zukunft. Was im Moment aber gerade verloren geht, ist die Perspektive der Landwirte. Das ist, was viele jetzt auf die Straße treibt. Sie haben Angst vor der Zukunft. Sie haben Angst, ihren Kindern zu sagen: Werdet Landwirte, übernehmt die Betriebe.